Catherine Wong, Präsidentin der Ökumenischen Jury von Locarno 2015 auf der Piazza Grande
Schweiz

Präsidentin Ökumenische Jury Locarno: «Homosexualität ist auch in Hong Kong ein heisses Thema»

Locarno, 13.8.15 (kath.ch) Catherine Wong aus Hong Kong ist die Jurypräsidentin der Ökumenischen Jury am Filmfestival Locarno, das vom 5. bis 15.8.2015 dauert. Sie arbeitet am katholischen Medienzentrum in Hong Kong als Produzentin von audiovisuellen Programmen und Pressesprecherin des Kardinals. Sie ist zudem Festivaldelegierte von Signis am Filmfestival von Hong Kong. Im Interview mit kath.ch erzählt sie von ihrer Arbeit im Umfeld von chinesischer Kultur, Medien und Politik.

Charles Martig

Sie haben am Filmfestival von Hong Kong eine Signis-Jury aufgebaut. Von welchem Startpunkt sind Sie dabei ausgegangen?

Catherine Wong: Ich arbeitete für mein Medienzentrum in Hong Kong und stellte Kontakt zu Signis in Brüssel her. Guido Convents, der internationale Jurykoordinator von Sidnis, überzeugte mich, dass wir als kirchliche Organisation aktiver in der säkularen Filmwelt auftreten sollten. Da das Filmfestival Hong Kong sehr grosses Prestige in Asien besitzt, haben wir mit dem Festivalbüro Kontakte aufgebaut und im Jahr 2004 eine Signis-Jury gegründet.

Wie war das möglich als kirchliche Organisation in China?

Wong: Das Filmfestival wurde in dieser Zeit privatisiert und suchte nach privaten Sponsoren. Trotz unseres kirchlichen Hintergrundes waren wir willkommen, weil wir Mittel einbrachten. So konnten wir 2004 mit der Filmjury starten. Das war nicht selbstverständlich, weil das Filmfestival befürchtete, dass wir nur nach Filmen mit religiösen «hardcore»-Inhalten suchen.

Was sind die Unterschiede zwischen der Filmjury in Hong Kong und Locarno?

Wong: In Locarno sichtet die ökumenische Jury die gleichen Filme im internationalen Wettbewerb, die auch von der internationalen Jury, für die Verleihung der Leoparden, beurteilt werden. In Hong Kong haben wir ein anderes Vorgehen: Signis gibt dem Festivalbüro die Kriterien für unseren Preis bekannt und die Festivaldirektion sucht nach 12 Filmen, die diesen Kriterien entsprechen.

Wie steht es heute mit der Filmjury in Hong Kong?

Wong: Die Jury eine breite Anerkennung und der Signis-Preis steht für Qualität, auch bei der jüngeren Generation. Die Schwierigkeiten liegen heute nicht mehr auf der politischen Seite, sondern in der überaus starken Kommerzialisierung. Alles wird vom Kapitalismus gesteuert.

Wie steht Ihr Vorgesetzter Kardinal John Tong Hon zur Filmarbeit in Hong Kong?

Wong: Kardinal Tong ist sehr von der Präsenz am Filmfestival überzeugt. Er ist im Festival präsent und übergibt den Filmpreis. Er ist sehr zufrieden, dass er heute in der Filmbranche von Hong Kong immer stärker einbezogen wird.

Sie arbeiten auch für die TV-Produktion der Kirche in Hong Kong. Was sind dabei ihre Ziele?

Wong: Meine Hauptaktivität ist die Arbeit mit Produktionsfirmen, die für die katholische Kirche tätig sind. Das Ziel ist die Evangelisierung, nicht nur in Hong Kong, sondern auch auf dem chinesischen Festland. Bis heute ist es gesetzlich nicht erlaubt, in kommerziellen Sendern explizit religiöse Programme zu zeigen. Seit 2000 haben wir begonnen, Sendungen zu produzieren, die religiöse Werte integrieren, zum Beispiel in Kinderprogrammen. Unser Zentrum ist dabei in direkten Kontakt mit Kabelfernsehstationen. Das diözesane audiovisuelle Zentrum von Hong Kong produziert auch Magazine. Wir liefern heute ein halbstündiges Programm mit News aus dem Umfeld der katholischen Kirche in der Prime Time. Zudem verbreiten wir unsere Sendungen auch auf DVD, insbesondere auf dem chinesischen Festland.

Was ist der Unterschied bei den Zielgruppen in Hong Kong und auf dem Festland in China?

Wong: Von der Bevölkerungsstruktur her handelt es sich weitgehend um dasselbe Publikum. Für Katholiken in China bieten wir unsere Nachrichten auch auf YouTube, d.h. über das Internet an. Von den Statistiken haben wir gelernt, dass Nutzer und Nutzerinnen in China unsere Programme sehr stark nutzen und schätzen. Wir haben aber auch Zugriffe von den USA, Kanada und Australien, die sich für die Situation der katholischen Kirche in China interessieren.

Produzieren Sie auch Programme in kantonesisch?

Wong: Dies ist sehr wichtig für die älteren Leute, die die Untertitel nicht lesen können. Wir untertiteln in Mandarin und in vereinfachtem Chinesisch, doch ältere Personen in Hong Kong sprechen vielfach nur kantonesisch.

Welche Themen haben Sie derzeit im Programm?

Wong: Wir bringen Dokumentarfilm-Content und Drama. Wir senden Teams, die die Missionsarbeit begleiten, und wir bringen auch Botschaften des Kardinals.

Zur politischen Situation: Wie gehen Sie mit den Unterschieden zwischen der offiziellen Kirche und der Untergrundkirche um?

Wong: Es gibt keine offiziellen Verbindungen zwischen dem Vatikan und der Kirche von Hong Kong. Wie Sie wissen, gibt es die sogenannte «patriotic church» (Patriotische Kirche,  Anm .d. Red.), die vom Staat China anerkannt ist, die andere ist die «underground church» (Untergrundkirche, Anm. d. Red.), die vom Vatikan anerkannt ist. Heute entwickelt sich ein dritter Typus von katholischer Kirche in China, der von beiden Seiten anerkannt wird.

Wie gehen Sie damit in der Medienarbeit um?

Wong: Wir suchen nach Wegen, damit die Brüder und Schwestern der Untergrundkirche nicht gefährdet und geschädigt werden. Offiziell arbeiten wir nicht mit der Untergrundkirche zusammen. Wir folgen den Vorgaben unseres Kardinals John Tong Hon.

Sind Sie auch betroffen von der Familiensynode in Rom?

Wong: Ja, wir beobachten die Entwicklungen sehr genau und berichten darüber, damit unsere Gläubigen verstehen, was international in der Kirche geschieht. Familienwerte sind für uns wichtig. Hong Kong ist wie jede andere kapitalistische Gesellschaft auf der Welt. Familienwerte verändern sich sehr stark im Vergleich zur Zeit vor 20 Jahren. Auch die Fragen zu Homosexualität und eingetragener Partnerschaft von Schwulen und Lesben ist in Hong Kong zu einem «hot issue» (heissen Thema, Anm. d. Red.)  geworden. Die Regierung lädt die religiösen Organisationen ein für Gespräche und diskutiert über deren Positionen. Wir sind also mitten im Prozess einer möglichen Anerkennung dieser Partnerschaften. (cm)

Catherine Wong, Präsidentin der Ökumenischen Jury von Locarno 2015 auf der Piazza Grande | © 2015 Charles Martig
13. August 2015 | 10:26
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