Der Einsiedler Abt Urban Federer, St. Galler Bischof Markus Buechel und Basler Bischof Felix Gmuer, von links, im Gottesdienst im Rahmen der Bischofskonferenz in St. Gallen.
Schweiz

Polizeipräsenz vor der Kathedrale: Bischöfe feiern in Ruhe Gottesdienst

Wegen eines anonymen Drohschreibens zeigte die Stadtpolizei St. Gallen Präsenz vor der Kathedrale. Doch alles blieb ruhig – auch im Gottesdienst, den die Schweizer Bischöfe anlässlich ihrer Vollversammlung hielten. Mit wenigen Worten sprachen Bischof Markus Büchel und Abt Urban Federer die Missbrauchsproblematik an.

Regula Pfeifer

Gut eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst brausten rund ein Dutzend Polizei-Töffs in den Stiftsbezirk, ein Polizeiauto wurde direkt vor einen Kathedrale-Eingang platziert, ein anderes weiter hinten beim Haupteingang. Nur dieser war offen für die Gottesdienstbesuchenden.

Droh-Mail rief Polizei auf den Plan

Das Aufgebot war einem Droh-Mail geschuldet, das wenige Tage zuvor bei der Schweizer Bischofskonferenz eingegangen war. Um es vorwegzunehmen: Es kam zu keinen Zwischenfällen, wie die Kommunikation der Stadtpolizei auf Anfrage mitteilte. Das Spezialaufgebot sei auch einem gleichzeitig stattfindenden Gerichtsprozess und dem tagenden Kantonsparlament geschuldet gewesen, relativierte der Polizeisprecher.

Ein Polizei-Auto direkt vor dem Seiteneingang der Kathedrale
Ein Polizei-Auto direkt vor dem Seiteneingang der Kathedrale

Die Messe der Bischöfe rief auch die Medien auf den Plan. Medienschaffende von Blick, Keystone, SRF-Rundschau und dem regionalen Fernsehsender TVO waren vor Ort. Die Kameraleute durften allerdings nur von weit hinten her fotografieren und filmen. Immerhin. Tags zuvor hiess es seitens der Kommunikation der Bischöfe, die Medien hätten Zutrittsverbot. Erst um 11 Uhr – also eine Stunde vor Gottesdienstbeginn wurde kommuniziert, dass nun doch am Gottesdienst teilgenommen werden kann.

Medienleute sind in den Hintergrund verbannt.
Medienleute sind in den Hintergrund verbannt.

Der Gottesdienst war mit knapp 50 Teilnehmenden eher schwach besetzt und verlief auf übliche Art – abgesehen vom Einzug und der Präsenz der Bischöfe. Im Gottesdienst war die Aufregung der Woche herauszuhören – über das Ausmass des Missbrauchs in der katholischen Kirche, für das eine Vorstudie erste Zahlen präsentiert hatte.

Am klarsten äusserte sich Gastgeber Bischof Markus Büchel dazu. «Es ist ein schwieriger Moment», sagte er. «Wir Bischöfe sind sehr betroffen». Er versicherte, dass an der Vollversammlung nicht nur die Missbrauchsthematik besprochen werde, sondern: «Wir wollen die Betroffenen in den Vordergrund stellen.»

Bibel fordert «unbescholtene Diakone»

In der Lesung kam die Frage der Personalauswahl zur Sprache. Die Lektorin zitierte aus dem 1. Timotheusbrief, in dem es heisst: «Ebenso sollen die Diakone sein: achtbar, nicht doppelzüngig, nicht dem Wein ergeben und nicht gewinnsüchtig; sie sollen mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten. Auch sie soll man vorher prüfen, und nur wenn sie unbescholten sind, sollen sie ihren Dienst ausüben.»

Bischöfe im Kreis um den Altar
Bischöfe im Kreis um den Altar

Es folgte das Psalmenlied 606 im Kirchgesangbuch. Auch da ist vom Bösen die Rede. «Nicht auf Schädliches richte ich mein Auge. Ich hasse es, Unrechtes zu tun.» Dann aber kam ein Satz, der beim genaueren Hinhören eher irritierte: «Ich will das Böse nicht kennen.» 

Jesus erweckt einen toten Mann

In der Predigt las Abt Urban Federer aus dem Evangelium nach Lukas. Die Geschichte scheint aufs Erste nichts mit der aktuellen Situation zu tun zu haben. Sie handelt von Jesus, der mit seinen Jüngern in eine Stadt ging, wobei ihnen ein Trauerzug entgegenkam. Ein junger Mann war gestorben, seine Mutter aufgelöst. Jesus hatte Mitleid mit ihr, bat sie aber, nicht zu weinen. Er ging zur Bahre, berührte den Toten und forderte ihn zum Aufstehen auf. Das tat dieser tatsächlich und ging zu seiner Mutter.

Der Einsiedler Abt deutete die Stelle: Da treffe ein Trauerzug auf den Zug von Jesus und seinen Jüngern – den Zug der Erlösung. Jesus verlasse seinen Zug, gehe zum Trauerzug und mache etwas damals Sündiges: Er berühre einen Toten. «Jesus macht sich schmutzig, um einem Menschen das Leben zu schenken», so Urban Federer.

Bischöfe sollen die Bahre des Leids anfassen

In der Kirche habe sich aktuell ein Zug des Leides aufgetan. «Das ist gut so», betonte Federer. «Nur so können wir den Betroffenen helfen.» Nun gehe es darum, dass die Bischöfe – in der Nachfolge des Zuges der Erlösung – «die Bahre des Leides anfassen». Die Schweizer Bischofskonferenz solle also den Zug des Leides nicht vorüberziehen lassen, sondern das Leid anfassen. Und dann schauen, «wie wir den Zug des Leids mit dem Zug der Erlösung in Verbindung bringen können», so Urban Federer. Was die Bischöfe in dieser Situation bräuchten, sei vor allem Demut.

Schweizer Bischöfe: der Einsiedler Abt Urban Federer (l.), der Basler Bischof Felix Gmür und der St. Galler Bischof Markus Büchel
Schweizer Bischöfe: der Einsiedler Abt Urban Federer (l.), der Basler Bischof Felix Gmür und der St. Galler Bischof Markus Büchel

«Die Studie ist Ausdruck davon, dass die Kirche hinschaut. Dass sie für die Verletzten da sein will, die alleingelassen wurden», so der Abt.

Fürbitte «Für alle, die in ihrer Würde und Integrität verletzt worden sind»

Die Fürbitten las Dompfarrer Beat Grögli. Auch da wurde der Missbrauch angesprochen, ohne das Wort zu nennen. «Für alle, die in ihrer Würde und Integrität verletzt worden sind.» Oder auch: «Für alle, die in ihrer Verantwortung besonders herausgefordert sind, bitten wir Gott um seinen Zuspruch.»

Die Eucharistie feierte Bischof Markus Büchel gemeinsam mit Bischof Felix Gmür und Abt Urban Federer am Altar. Die Kommunion verteilte aber keiner der Bischöfe. Zwei Frauen und Pfarrer Grögli übernahmen diesen direkten Kontakt zu den Gläubigen. 

Dompfarrer Beat Grögli.
Dompfarrer Beat Grögli.

Nach einem Orgellied, das wie von einem Donnergrollen unterlegt war, dankte Bischof Büchel den Anwesenden für ihr Kommen. Er bat sie, die Bischöfe mit ihrem Gebet zu begleiten. Und er äusserte seine Hoffnung, dass die Betroffenen Menschen fänden, denen sie sich anvertrauen könnten. «Nur mit grosser Offenheit und grosser Transparenz können wir die Sache angehen», versprach er.

Ehemalige Pfarrhaushälterin äussert sich

«Die Bischöfe sind gut aufgetreten», meinte eine Gottesdienstbesucherin draussen vor der Kathedrale. «Sie nehmen es ernst.» Dass Bischof Büchel seinen Fehler im Umgang mit einem fehlbaren Priester zugegeben hat, schätzt sie.

Die Frau wollte anonym bleiben. Sie habe vor 20 Jahren als Pfarrhaushälterin gearbeitet und einiges gesehen und miterlebt, erzählte sie. Keine Belästigung durch einen Priester, sondern durch einen anderen Gläubigen. Und der habe alles abgeleugnet. (geändert, 21.9.23)


Der Einsiedler Abt Urban Federer, St. Galler Bischof Markus Buechel und Basler Bischof Felix Gmuer, von links, im Gottesdienst im Rahmen der Bischofskonferenz in St. Gallen. | © KEYSTONE/Gian Ehrenzeller
19. September 2023 | 17:49
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