Die Päpste der Geschichte
Porträt

Pius VI. – Der grosse Verlierer

Rom im Jahr 1775. Die Päpste sind von der Gunst der katholischen Monarchen abhängig. Pius VI. will das ändern und das Papsttum zu alter Macht führen. Stattdessen verliert er alles – sogar den Kirchenstaat. Die Geschichte eines Endes, das auch ein Neuanfang war.

Annalena Müller

Pius VI. (1775-1799) tritt an, das gebeutelte Papsttum zu neuer Blüte zu führen. Und scheitert. Der Versuch, sich von den mächtigen Habsburgern zu emanzipieren, schlägt fehl. Ab 1789 muss er mitansehen, wie die Kirche in Frankreich entmachtet wird und schliesslich verliert der Papst sogar den Kirchenstaat an Napoleon (1769-1821). Das Porträt eines Mannes, der die vicarii Christi zu alter Macht zurückführen wollte und der am Ende alles verlor.

Ein unendliches Konklave

Die Welt ist kompliziert geworden. Selbst katholische Monarchen lesen aufklärerische Schriften und nutzen sie, um den Machtanspruch des Pontifex zu untergraben. Tatsächlich entscheiden diese Monarchen sogar, wer Papst wird. 1775 sind die Kardinäle nur noch ausführendes Wahlorgan. Oder sie wären es gerne, wenn sich Portugal, Spanien, Neapel, Frankreich und Habsburg irgendwie einigen könnten.

Papst Pius VI.
Papst Pius VI.

Seit fünf Monaten läuft das Konklave. Zeitgenössische Satiriker verspottet die ohnmächtigen Kardinäle. Schliesslich wird ein Aussenseiter gewählt: der 57-jährige Angelo Braschi. An Europas Königshöfen erwartet man von ihm, gefügig zu sein. Braschi aber hat andere Vorstellungen.

Ohnmächtiger Papst vs. mächtigen Kaiser

Er wählt als Papstnamen Pius VI. Damit will er an den grossen und mächtigen Reformer Pius V. (1566-1572) anknüpfen. Den Ursprung allen Übels sieht der neue Papst in der Aufklärung, die er in einer Enzyklika verdammt. Pius VI. zeigt sich auch sonst rückwärtsgewandt. Er will die Macht der Monarchen über die Ortskirchen eindämmen. Dafür legt er sich mit Habsburg an.

In den Habsburger Erblanden schafft Joseph II. (1765-1790) Privilegien der Kirche ab. Er löst kontemplative Orden auf und streicht kirchliche Feiertage. Das dient durchaus dem Ausbau seiner eigenen Macht. Aber es entspricht auch dem aufgeklärten Zeitgeist.

Ihm ist der Papst herzlich egal: der katholische Kaiser Joseph II.
Ihm ist der Papst herzlich egal: der katholische Kaiser Joseph II.

Als Zeichen des Protestes gegen diese Habsburger Kirchenpolitik reist Pius VI. 1782 als «apostolischer Pilger» nach Wien. Kaiser Joseph II. gibt sich unbeeindruckt und setzt seine Politik unbeirrt fort. 1784 informiert der Kaiser den Papst über die Neuordnung der habsburgischen Diözesen. Der Papst wird nicht konsultiert.

Revolution und Napoleon

Falls Pius VI. jetzt denkt, viel schlimmer könne es nicht kommen, wird er bald eines Besseren belehrt. 1789 entmachten die Revolutionäre in Frankreich nicht nur den König, sondern auch die Kirche. Wichtige Einnahmen und riesige Besitztümer gehen der Kirche verloren.

Und er hat schon gar keine Ehrfurcht vor einem Papst: Napoleon Bonaparte.
Und er hat schon gar keine Ehrfurcht vor einem Papst: Napoleon Bonaparte.

Pius wettert in Rom gegen die Aufklärung, als deren Folge er die Revolution ausmacht. Es ändert nichts. Seine weltliche Macht schwindet rasant – im katholischen Habsburg genau wie im revolutionären Frankreich.

Untergang des Kirchenstaats

Und für den Papst kommt es noch schlimmer. Napoleon schont den Papst nicht. 1796 muss Pius VI. im «Frieden von Tolentino» zunächst auf die nördliche Hälfte seines Staates verzichten. Knapp zwei Jahre später folgt der Rest. Am 15. Februar 1798 – der 23. Jahrestag seiner Papstwahl – wird auf dem Kapitol die Römische Republik ausgerufen. Es ist die ultimative Niederlage des politischen Papsttums.

Pius VI. muss Rom verlassen. Er stirbt 1799 in Valence. Aber mit der weltlichen Entmachtung der Kirche steigt ihre spirituelle Aura. Die verfolgte Kirche ist wirkmächtiger als die triumphierende. Binnen weniger Verfolgungsmonate gewinnt das Papsttum viel von dem Prestige zurück, das es in den vorangegangenen Jahrhunderten verspielt hatte. Und die nach-revolutionären Päpste sollten – zumindest kirchenintern – mächtiger sein als ihre Vorgänger.


Die Päpste der Geschichte | © kath.ch
14. August 2023 | 12:00
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