Paul Martone ist Mediensprecher des Bistums Sitten.
Schweiz

Paul Martone: «Emil Paul Tscherrig ist sowohl konservativ als auch progressiv»

Emil Paul Tscherrig wird im September zum Kardinal ernannt. Für die Schweiz ist die Kardinalsernennung eines zweiten Schweizers neben Kurt Koch eine grosse Ehre. Erzbischof Tscherrig lasse sich nicht «von der einen oder anderen Seite vor den Karren spannen», sagt Paul Martone. Obwohl der Walliser an vielen Orten der Welt gelebt hat, habe er nie seine Wurzeln vergessen.

Jacqueline Straub

Erzbischof Emil Paul Tscherrig wird im September zum Kardinal ernannt. Wie würden Sie Emil Tscherrig charakterisieren?

Paul Martone*: Emil Paul Tscherrig ist ein waschechter Walliser, der nie vergessen hat, wo seine Wurzeln sind. Ihn hat es in seinenFerien immer wieder in seinen Heimatort Unterems zurückgezogen. Er ist immer Walliser geblieben, und das obwohl er durch seine verschiedenen Dienste im Auftrag des Papstes in der ganzen Welt herumgekommen ist.

«Hinter dem Haus standen Kanonen, die Tag und Nacht schossen.»

An welchen Orten war er schon tätig?

Martone: Nach seinem Studium an der Päpstlichen Diplomatenschule in Rom und gleichzeitig an der päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom zwischen 1974 und 1978, die er mit dem Dr. iur. can. verliess, war er von 1978 bis 1981 als Sekretär in der Nuntiatur in Kampala in Uganda tätig.

In dieser Zeit herrschte Idi Amin in Uganda.

Martone: Ja, er liess zahlreiche Regimegegner ins Gefängnis werfen, foltern und töten. Tscherrig erzählte von dieser Zeit, dass damals Kanonen hinter dem Haus standen, die Tag und Nacht schossen.

Der Walliser Emil Paul Tscherrig ist unter den neuen Kardinälen.
Der Walliser Emil Paul Tscherrig ist unter den neuen Kardinälen.

Welche Station folgte nach Uganda?

Martone: Emil Tscherrig war von 1981 bis 1984 in der Nuntiatur in Seoul in Süd-Korea und 1984/85 in der Nuntiatur in Dhaka in Bangladesch. 1985 kehrte er in den Vatikan zurück, wo er als Hauptaufgabe zusammen mit dem späteren Kardinal, Pater Roberto Tucci SJ und Alberto Gasbarri, Vizedirektor von Radio Vatikan, die Organisation der Reisen bearbeitete, die Papst Johannes Paul II. ausserhalb Italiens unternahm. Dazu musste er mit den weltlichen und kirchlichen Behörden des zu besuchenden Landes Kontakt aufnehmen. Er tat dies jeweils mit Begeisterung, denn er war überzeugt davon, dass die verschiedenen Papstbesuche Bewegung in die Länder brachten und zahlreiche positive Auswirkungen zeigten – denken wir nur an die Länder Osteuropas, in denen die Papstbesuche auch die politische Wende bestärkten. 1996 erfolgte seine Ernennung zum Titularerzbischof von Voli durch Papst Johannes Paul II.

«Er sei ein Optimist, sonst wäre er vielleicht auch nicht Priester geworden.»

Erzbischof Emil Paul Tscherrig wurde dann Nuntius in Burundi. Dort wütete ein erbarmungsloser Bürgerkrieg. Wie blickte er damals auf seine bevorstehende Mission?

Martone: Angesprochen auf die vor ihm liegende schwere Aufgabe hat Erzbischof Tscherrig nach seiner Bischofsweihe gesagt, dass das Bischofsamt auch die Stärksten das Fürchten lehre. Er habe sich gefragt, ob er dieser Aufgabe wohl gewachsen sei und dem Druck der Arbeit standhalten werde. Er sei jedoch, seinem Naturell entsprechend, ein Optimist, sonst wäre er vielleicht auch nicht Priester geworden. Optimist sei für ihn aber nicht einfach eine menschliche Eigenschaft, sondern er sei es, weil er an einen gütigen und gerechten Gott glaube, der ihm nahe sei und sein Leben teile.

Das Konzil von Trient tagte von 1545-1563
Das Konzil von Trient tagte von 1545-1563

Wo würden Sie ihn kirchenpolitisch einordnen?

Martone: Ich würde dem neuen Kardinal nicht gerecht, wollte ich ihn nun in eine bestimmte Richtung schubladisieren. Er ist weder konservativ noch progressiv und er kann daher auch nicht von der einen oder anderen Seite vor den Karren gespannt werden. Vielmehr ist er katholisch, das heisst, dass er sich durch seine weltweite Tätigkeit im Dienst des Heiligen Stuhls eine theologische Offenheit angeeignet hat, die über die engen Grenzen schaut. Er ist sowohl konservativ als auch progressiv. Beides im besten Sinne des Wortes.

«Tscherrig war es immer ein Anliegen Türen zu öffnen.»

Wie würden Sie die theologische Richtung von Emil Paul Tscherrig beschreiben?

Martone: Da kann ich seine Doktorarbeit empfehlen. Sie trägt den Titel «Das Wesen des Ökumenischen Konzils». In dieser umfassenden Arbeit legte er dar, wie die Theologen und Kirchenrechtler seit dem Konzil von Trient bis in die neuere Zeit Sinn, Wesen und Aufgabe des Konzils sahen. Tscherrig war es immer ein Anliegen Türen zu öffnen, Menschen zusammenzubringen, um zum Frieden beizutragen.

Wie etwa im Jahr 2016 als er Nuntius in Venezuela war?

Martone: Genau. Dort suchte er im Streit zwischen der Regierung von Nicolas Maduro und der Opposition zu vermittelten, doch war Maduros Machthunger grösser als die Friedenssehnsucht des venezolanischen Volkes.

Holocaust-Leugner Richard Williamson
Holocaust-Leugner Richard Williamson

Welche Rolle spielte Erzbischof Emil Paul Tscherrig bei der Piusbruderschaft?

Martone: Tscherrig war ab 2008 Nuntius in Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen und Island. Papst Benedikt XVI. hat im Jahr 2009 die Exkommunikation der vier unerlaubt geweihten Bischöfe der Priesterbruderschaft Pius X. aufgehoben. Sein Ziel war es eine Friedensgeste zu setzen, die aber nicht nur in der medialen Öffentlichkeit, sondern auch innerhalb des gläubigen Volkes Gottes und der Bischöfe Unruhe stiftete. Dies betraf vor allem auch die Einbeziehung von Bischof Richard Williamson, der ein notorischer Holocaustleugner war und dies in einem Interview im schwedischen Fernsehen kurz vor der Veröffentlichung des päpstlichen Dekretes erneut verkündete.

«Scheinbar wurden diese Informationen innerhalb der Kurie jedoch nicht weitergeleitet.»

Nach einem Sturm der Entrüstung, der den guten Willen des Papstes zunichte machte, liess der Vatikan verlauten, dass die betreffenden Dienststellen der Kurie von diesem Interview keine Kenntnis hatten. Nuntius Tscherrig liess dann aber ausrichten, dass er unmittelbar nach Erhalt der Informationen mehrere Personen im Vatikan kontaktiert und informiert habe. Dazu habe auch der für die Kontakte zu den Traditionalisten zuständige Kardinal Dario Castrillon Hoyos gehört. Scheinbar wurden diese Informationen innerhalb der Kurie jedoch nicht weitergeleitet, sodass es zu dieser peinlichen Panne kommen konnte.

Sie kennen sich aus Argentinien und nun macht er ihn zum Kardinal: Papst Franziskus und der Walliser Emil Paul Tscherrig.
Sie kennen sich aus Argentinien und nun macht er ihn zum Kardinal: Papst Franziskus und der Walliser Emil Paul Tscherrig.

2012 wurde Emil Tscherrig nach Argentien geschickt.

Martone: Hier führten ihn seine Wege auch zum Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio. Dieser berief dann 2017 Erzbischof Tscherrig zum Nuntius in Italien und San Marino. Diese Nuntiatur zählt zu den angesehensten päpstlichen Vertretungen der katholischen Kirche.

Was bedeutet es für die Schweiz, einen weiteren Kardinal zu haben?

Martone: Für ein kleines Land wie die Schweiz ist die Kardinalsernennung eines zweiten Schweizers eine grosse Ehre, denn sie ist ja mit Kardinal Kurt Koch schon würdig im Kardinalskollegium vertreten. Für das Bistum Sitten ist die Ernennung ihres Diözesanpriesters Emil Paul Tscherrig eine umso grössere Ehrung als das Bistum mit dem 2021 verstorbenen Bischof von Sitten, Heinrich Schwery bereits einen Kardinal hatte. Wenn man bedenkt, dass wir auf der Suche nach dem Kardinal, der vor Heinrich Schwery Bischof von Sitten war, bis zu Matthäus Schiner im Jahr 1511 zurückgehen müssen, so ist die erneute Ernennung eines Wallisers sicher umso bedeutender.

Das Wappen des Kardinals mit den Insignien des Bistums, des Kantons, seines Dorfes und seiner Familie.
Das Wappen des Kardinals mit den Insignien des Bistums, des Kantons, seines Dorfes und seiner Familie.

Was hat Erzbischof Emil Paul Tscherrig durch seine Arbeit als Nuntius bewirkt?

Martone: Seit Jahrzehnten hat er den Heiligen Stuhl in zahlreichen Ländern der Erde würdig vertreten und durch seine menschenfreundliche Art, durch sein bescheidenes Auftreten, seine Liebenswürdigkeit und seine Bodenständigkeit, aber auch durch sein diplomatisches Geschick viel zum Ansehen der Kirche beigetragen.

Was wünschen Sie Erzbischof Emil Paul Tscherrig für seine Aufgaben als Kardinal?

Martone: Was kann man einem Kardinal Besseres wünschen als Gottes reichsten Segen, viel Kraft für die kommenden Aufgaben und der Wunsch, dass ihn die Hoffnung, die Christus ist (so sein Wappenspruch), auf allen künftigen Wegen begleiten möge.

* Paul Martone ist Domherr des Bistums Sitten. Er hat das Interview schriftlich aus seinen Ferien beantwortet.


Paul Martone ist Mediensprecher des Bistums Sitten. | © Oliver Sittel
10. Juli 2023 | 17:02
Lesezeit: ca. 5 Min.
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