Hugo Fasel
Schweiz

«Parteien behandeln das Thema Migration zunehmend zurückhaltender»

Interview mit Hugo Fasel, Direktor Caritas Schweiz

Zürich, 9.1.2015 (kath.ch) Die Caritas setzt mit dem Sozialalmanach 2015 einmal mehr einen thematisch starken Fokus auf die Zuwanderung in die Schweiz. Caritas-Direktor Hugo Fasel stellt gegenüber kath.ch allerdings fest, dass – trotz landesweit starker Debatte – sich immer mehr Organisationen zu diesem Thema in Schweigen hüllen.

Von Martin Spilker

Die Caritas ruft zum Thema Migration «Herein!». Sie sagen umgekehrt, dass in der Schweiz zunehmend weniger und weniger sachlich über Migration gesprochen wird. Wie und wo nehmen Sie das wahr?
Hugo Fasel: Ich stelle fest, dass beispielsweise Parteien – auch neue Parteien – das Thema sehr zurückhaltend behandeln. Es fehlt ebenfalls von Seiten von Institutionen und Organisationen zunehmend die Bereitschaft, hier Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv an dieser Debatte zu beteiligen. Ganz besonders erwarte ich dies von Organisationen, welche den Begriff «liberal» im Namen tragen.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Fasel: Vielleicht, weil damit angeblich keine Wahlen oder Sympathien zu gewinnen sind …? Sicher gibt es auch individuelle Komponenten. Die Reaktionen aus der Öffentlichkeit zu kontroversen Themen sind in den letzten Jahren sehr viel aggressiver geworden. Es scheint spürbar weniger Hemmungen mehr zu geben. Und so kommt es auch immer wieder zu offen formulierten Drohungen und Anschwärzungen. Diese richten sich jeweils gegen Personen, die im Auftrag einer Institution die Botschaft vertreten. Wo es um den Schutz der persönlichen Integrität geht, kann ich einen solchen Rückzug allerdings auch verstehen.
Was erwarten Sie von Parteien, Institutionen und Organisationen?
Fasel: Ich erwarte hier eine offensivere Einmischung zum Thema Migration. Ich erwarte, dass die Führungspersonen aus ihrer Haltung heraus, auf der Grundlage der Werte, für die ihre Organisation steht, Position beziehen. Heute wird je länger, desto mehr nur noch aus der Defensive heraus argumentiert. In Fragen wie der Zuwanderung braucht es keine Rechtfertigung! Wir müssen dem reaktionären Trommelwirbel eine Haltung, eine direkte Sprache entgegenhalten.
Wie beurteilen Sie die Position der katholischen Kirche in dieser Frage?
Fasel: Hier stelle ich ein sehr grosses Engagement fest. Die Aussagen von Bischof Markus Büchel als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz sind klar und deutlich, der für Migrationsfragen zuständige Bischof Charles Morerod vertritt eine klare Haltung, und die Worte des Papstes in Lampedusa lassen in ihrer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Eine weitere Aussage von Papst Franziskus scheint mir in diesem Punkt auch sehr bedeutend: Für Katholiken gibt es keine Grenzen, weil es für ihre Kirche keine Grenzen gibt. Ich ergänze für unsere Debatte: Für die Würde des Menschen gibt es keine Grenze. (kath.ch/Bild Martin Spilker)

Hugo Fasel | © Martin Spilker
10. Januar 2015 | 10:00
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