Janis Vanags, evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, spricht während der ökumenischen Begegnung mit Papst Franziskus.
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Papst mahnt Kirchen in Lettland zu öffentlichem Engagement

Riga, 24.9.18 (kath.ch) Papst Franziskus hat in Lettland die christlichen Kirchen vor einem Rückzug in die eigene Vergangenheit gewarnt. Das Evangelium müsse in der Öffentlichkeit, an den Arbeitsplätzen, in der Politik und der Wirtschaft hörbar werden, sagte er bei einem ökumenischen Gebet am Montag im lutherischen Dom zu Riga.

Wenn Christen sich in ihrer Geschichte und Gotteshäusern verschlössen, vergässen sie darüber «das gemeinsame Haus», das alle angehe, sagte der Papst. Die Rede des Katholikenoberhaupts war bislang die längste während seiner am Samstag begonnenen Baltikumreise.

Zu Gast im lutherischen Dom

An der ökumenischen Feier in Rigas gotischem Dom, der grössten baltischen Kirche, nahmen neben dem lutherischen Erzbischof Janis Vanags als Gastgeber auch der russisch-orthodoxe Metropolit Alexander Kudryashov und der katholische Erzbischof Zbignevs Stankecics teil.

Lettland ist protestantisch geprägt, während die Katholiken laut Vatikanangaben eine Minderheit von 21 Prozent bilden. Die drittgrösste Konfession stellen aufgrund des russischen Bevölkerungsanteils die Orthodoxen.

Für die Würde jedes Menschen kämpfen

«Wenn die Musik des Evangeliums nicht mehr in unserem Leben gespielt wird und zu einer schönen Partitur der Vergangenheit wird, wird sie nicht mehr die Monotonie durchbrechen können, welche die Hoffnung erstickt und all unsere Bemühungen steril werden lässt», sagte der Papst.

Als «eines der schlimmsten Übel unserer Tage» bezeichnete er Einsamkeit und Isolation. Dabei verwies er auf alleingelassene Ältere wie auf junge Menschen ohne Orientierung und Zukunftsperspektiven. Die Kirchen seien herausgefordert, «für die Würde jedes Mannes und jeder Frau ungeachtet ihrer Herkunft zu kämpfen», sagte der Papst.

Aufruf zum missionarischen Handeln

Christen sollten «die Betrachtung der Wunden der Vergangenheit und jedes selbstbezogene Verhalten aufgeben» und missionarischer werden. Der «einzig mögliche Weg jeder Ökumene» liege «im Kreuz des Leidens zahlloser junger und alter Menschen, zahlloser Kinder, die oft der Ausbeutung, Sinnlosigkeit, einem Mangel an Chancen und der Einsamkeit ausgesetzt sind».

Zuvor hatte Franziskus gemeinsam mit Staatspräsident Raimonds Vejonis am Freiheitsdenkmal in der Rigaer Innenstadt Blumen niedergelegt. Das 1935 eingeweihte Monument erinnert an die Gefallenen des lettischen Unabhängigkeitskriegs (1918-1920) und gehört zu den üblichen Stationen ausländischer Staatsgäste. (cic)

Janis Vanags, evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, spricht während der ökumenischen Begegnung mit Papst Franziskus. | © KNA
24. September 2018 | 12:55
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Religion und katholische Kirche in Lettland

Von den rund 1,98 Millionen Letten bekannten sich Ende 2016 nach der neuesten Statistik des Justizministeriums in Riga 423’000 zur katholischen Kirche; das sind rund 21,4 Prozent. 2015 hatte die Kirche 415’000 Mitglieder gemeldet.

Die evangelisch-lutherische Kirche meldete rund 700’000 Mitglieder, was einem Anteil von etwa 35 Prozent entspricht. Der orthodoxen Kirche gehörten 370’000 Letten an (18,7 Prozent). Der Anteil der Juden, Muslime und Angehörigen anderer Religionen lag unter 2 Prozent; knapp jeder vierte gehörte keiner Religion an.

Die im Osten des Landes gelegene Region Lettgallen ist mehrheitlich römisch-katholisch geprägt, da es historisch mit Litauen und Polen verbunden ist. Das Statistische Jahrbuch des Vatikan verzeichnete 2016 insgesamt 263 Pfarrgemeinden, aufgeteilt auf vier Bistümer, 8 Bischöfe, 169 Priester und 99 Ordensfrauen.

Erzbischof von Riga ist seit 2010 Zbignevs Stankevics (63); Vorsitzender der Bischofskonferenz ist Bischof Janis Bulis (68) von Rezekne-Aglona. In seinem Bistum liegt der bedeutendste und meistbesuchte Wallfahrtsort Lettlands, die Basilika Mariä Himmelfahrt in Aglona. Einer von zwei baltischen Kardinälen ist der Rigaer Emeritus Janis Pujats (87). (kna)