Brandrodung an der Transamazonica, einem Strassenprojekt quer durch das Amazonasgebiet
Vatikan

Papst gegen «neue Formen des Kolonialismus» in Amazonien

Mit deutlichen Worten kritisiert der Papst die fortschreitende Umweltzerstörung im Amazonasgebiet. In seinem nachsynodalen Schreiben «Querida Amazonia» ruft er ausserdem zu einer stärkeren Verankerung der christlichen Botschaft in der Kultur der Völker Amazoniens auf.

In seinem am Mittwoch publizierten nachsynodalen Schreiben «Querida Amazonia» stellt Papst Franziskus fest, dass die Region vor einer «ökologischen Katastrophe» stehe. Verantwortlich dafür seien verhängnisvolle Mechanismen einer globalisierten Wirtschaft, die von Konsumismus und Profitstreben bestimmt sei. «Wir dürfen nicht zulassen, dass die Globalisierung zu einer neuen Form des Kolonialismus wird», so das Kirchenoberhaupt.

Amazonien sei schon viel zu lange als ein «enormer leerer Raum» betrachtet worden, den es zu besetzen gelte, als blosse Rohstoffquelle oder als weite Wildnis, die man bändigen müsse. Und die Kolonisierung nehme kein Ende, «sondern verändert, tarnt und verbirgt sich an vielen Orten», so der Papst. An ihrer Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Leben der Armen und der Zerbrechlichkeit der Umwelt habe sich jedoch nichts verändert.

«Ungerechtigkeit und Verbrechen»

Die Praktiken der Unternehmen weltweit, die dem Amazonasgebiet und dessen Bewohnern Schaden zufügten, sollten nach den Worten von Franziskus als das bezeichnet werden, was sie wirklich seien: «Ungerechtigkeit und Verbrechen». Konkret nannte er die Holz-, Öl- und Bergbauindustrie, die viele indigene Völker vertrieben oder an den Rand gedrängt hätten. Solche kolonisatorischen Interessen breiteten sich nach wie vor aus – auf legalem wie auf illegalem Wege. Die Folgen seien Migration, Ausbeutung, Armut und neue Formen der Sklaverei. Wenn Wirtschaftsbeziehungen derartige Formen annähmen, seien sie letztlich nichts anderes als ein «Instrument, das tötet», so der Papst.

Netze der Solidarität knüpfen

Es sei jedoch möglich, das koloniale Denken zu überwinden und «Netze der Solidarität und Entwicklung» zu knüpfen. Diese könnten dabei helfen, die Zerstörung der Erde zu beenden. Unabdingbar sei zudem ein rechtlicher Rahmen, «der die verschiedenen Kulturen und Ökosysteme anerkennt und achtet».

In Liturgie Elemente der Naturerfahrung aufgreifen

Der Papst ruft in seinem Schreiben ausserdem zu einer stärkeren Verankerung der christlichen Botschaft in der Kultur der Völker Amazoniens auf. In «Querida Amazonia» wirbt Franziskus für eine Kirche mit einem «vielgestaltigen Gesicht». So sei es erlaubt, «in der Liturgie Elemente der intensiven Naturerfahrung der Indigenen aufzugreifen». Auch könnten eigene Ausdrucksformen in Liedern, Tänzen, Riten, Gesten und Symbolen gefunden werden.

Bereits das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) habe zu solchen Bemühungen um die Inkulturation der Liturgie bei den indigenen Völkern aufgerufen, so das Kirchenoberhaupt. «Aber es sind mehr als fünfzig Jahre vergangen, und wir sind in dieser Richtung kaum vorangekommen.» Auch Papst Johannes Paul II. habe daran erinnert, «dass ein Glaube, der nicht zur Kultur wird, ein Glaube ist, der nicht vollständig angenommen wird». Darum sei ein Prozess notwendig, der das bereits vorhandene Gute in den Kulturen Amazoniens aufnehme. Dann könne es «im Lichte des Evangeliums zur Vollendung geführt» werden.

Indigene nicht als «unzivilisierte Wilde» betrachten

Mit Nachdruck wendet sich Franziskus gegen eine kulturelle Überheblichkeit gegenüber den Indigenen: «Man muss vermeiden, sie als ‹unzivilisierte Wilde› zu betrachten.» Sie seien einfach Träger anderer Kulturen und anderer Formen der Zivilisation. Jedes Volk, das es geschafft habe, im Amazonasgebiet zu überleben, besitze seine eigene kulturelle Identität und einen einzigartigen Reichtum.

Möglich, sich auf indigene Symbole zu beziehen

Auch übertriebene Berührungsängste seien hinderlich, wenn man sich um eine erfolgreiche Inkulturation bemühen wolle. Nach den Worten des Papstes ist es durchaus möglich, sich auf indigene Symbole zu beziehen, ohne dass man dies zwingend als Götzendienst betrachten müsse. Die authentische Tradition der Kirche sei schliesslich «kein Museumsstück, sondern die Wurzel eines wachsenden Baumes».

Mit seinem 50-seitigen Schreiben in Form einer sogenannten «Apostolischen Exhortation» legt Franziskus seine Folgerungen zu der Synode vor, die vom 6. bis 27. Oktober im Vatikan über aktuelle Herausforderungen im Amazonasgebiet diskutierte. Unter dem Motto «Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie» ging es unter anderem um ökologische und soziale Folgen des Raubbaus in der ressourcenreichen Region, die Stärkung der indigenen Bevölkerung und um neue Wege in der Seelsorge. (cic)

Das nachsynodale Schreiben «Querida Amazonia» in offizieller deutscher Übersetzung.

Hinweis: Dossier zur Amazonas-Synode.

Brandrodung an der Transamazonica, einem Strassenprojekt quer durch das Amazonasgebiet | © Adveniat.de
12. Februar 2020 | 13:07
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