Eine Heiligsprechung vor dem Petersdom am 15. Mai 2022.
Vatikan

Papst Franziskus ernennt zehn Heilige: «Christliches Leben kann so einfach sein»

«Jeder und jede ist zur Heiligkeit berufen», sagt Papst Franziskus auf dem Petersplatz. Und zwar nicht als Kopie, sondern als je eigenes Original. Am Sonntag spricht er zehn Menschen heilig. Am Ende der Zeremonie kann der Papst sogar wieder laufen.

Roland Juchem

«Das christliche Leben ist so einfach, es ist so einfach! Wir machen es komplizierter, mit so vielen Dingen, aber es ist so einfach.» Nachdem Franziskus mit der liturgischen Formel auf Latein zehn Menschen in die offizielle Heiligen-Liste der katholischen Kirche aufgenommen hat, erklärt er noch einmal, was es mit christlicher Heiligkeit auf sich hat.

«Viel tägliche Liebe»

Die bestehe nicht aus heroischen Gesten, «sondern aus viel täglicher Liebe», so das Kirchenoberhaupt vor mehreren Zehntausend Menschen. Im Evangelium, auf Latein und im griechischen Original vorgetragen, hatte Jesus Christus seinen Jüngern aufgetragen: «Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.» Dies sei das Wesentliche, so Franziskus. Damit könne jeder sein Leben in den Dienst anderer stellen.

Papst Franziskus auf dem Petersplatz.
Papst Franziskus auf dem Petersplatz.

Dieses Vertrauen, so der Papst, war das Lebensfundament der vier Frauen und sechs Männer, die er an diesem Sonntag heiligspricht. Sie stammen aus Italien, Frankreich, Indien und den Niederlanden. Kon Katholiken weltweit können sie nun verehrt und angerufen werden. 

Der Journalist Titus Brandsma wurde im KZ ermordet

Ein bisschen wie beim Eurovision Song Contest abends zuvor in Turin melden sich Pilger aus den jeweiligen Ländern und Diözesen lautstark, wenn der Name ihres Favoriten genannt wird. So trägt der Leiter der Heiligsprechungskongregation, Kardinal Marcello Semeraro, die Kurzbiografien der zu Ernennenden vor, bevor er um deren Heiligsprechung bittet.

Titus Brandsma
Titus Brandsma

Die bekanntesten sind der französische Wüsteneremit Charles de Foucauld (1858-1916) und der im KZ ermordete niederländische Ordensmann und Journalist Titus Brandsma (1881-1942). 

Vier Ordensfrauen werden zu Heiligen

Zudem wurde Lazzaro Devasahayam Pillai (1712-1752), der erste indische Nichtkleriker, zum Heiligen ernannt. Die vier Ordensfrauen, eine aus Frankreich und drei aus Italien, hatten im 18. und 19. Jahrhundert Gemeinschaften gegründet, die sich um die gesellschaftlichen Verlierer der industriellen Revolution kümmerten: Kinder, Frauen, Kranke.

Statue von Devasahayam Pillai in der Kathedrale im südindischen Nagercoil.
Statue von Devasahayam Pillai in der Kathedrale im südindischen Nagercoil.

 «Zum Ruhm des katholischen Glaubens und zur Förderung des christlichen Lebens», «nach reiflicher Überlegung und Anrufung der göttlichen Hilfe, dem Rat vieler unserer Bischofsbrüder folgend, kraft der Autorität unseres Herrn Jesus Christus, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und in der Vollmacht des uns übertragenen Amtes», erklärte der Papst die zehn Seligen zu Heiligen. Damit seien sie in das Verzeichnis jener aufgenommen, die weltweit verehrt werden können.

Warum Königin Máxima nicht nach Rom kam

Als offizielle Staatsgäste nehmen an der Feier Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella, Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sowie aus Algerien, wo Charles de Foucauld starb, der Vorsitzende des Hohen Islamrates, Bouabdellah Ghoulamallah, teil. Aus Indien, wo religiöse Minderheiten es derzeit besonders schwer haben, ist der Minister für Minderheiten, Gingee Mathan, angereist.

Die niederländische Königin Máxima 2017 im Vatikan.
Die niederländische Königin Máxima 2017 im Vatikan.

Für viele niederländische Pilger, die keine Karten mehr für den Petersplatz erhalten hatten, wird die Feier zu Ehren von Titus Brandsma in die Karmelitenkirche Santa Maria in Traspontina, rund 300 Meter vor dem Petersplatz, übertragen. Offizieller Vertreter der Niederlande ist Aussenminister Wopke Hoekstra. Für die Regierung wäre es protokollarisch zu prominent gewesen, wenn Königin Máxima, selber katholisch und aus Argentinien stammend, nach Rom gekommen wäre, meint ein holländischer Journalist.

Titus Brandsma widersetzte sich der NS-Propaganda

Máxima konvertierte nach ihrer Hochzeit mit dem niederländischen Thronfolger, entgegen der Tradition, nicht zum calvinistischen Glauben. Sie musste sich jedoch verpflichten, ihre Kinder protestantisch taufen zu lassen.

Bilder am Petersdom erinnern an die neuen Heiligen.
Bilder am Petersdom erinnern an die neuen Heiligen.

Immerhin prägen die Niederländer die Feier auch auf andere Weise. Wieder haben ihre Blumenhändler den Petersplatz geschmückt. Begonnen hatten sie die sonst zu Ostern gepflegte Tradition 1983, als Johannes Paul II. Titus Brandsma seligsprach. Weil der Ordensmann und Journalist sich vehement für wahrhaftige Berichterstattung und schon in den 1930er-Jahren gegen die NS-Propaganda eingesetzt hatte, baten Medienvertreter aus Niederlande und Belgien Papst Franziskus darum, ihn zum offiziellen Patron der Journalisten zu ernennen.

Plötzlich kann der Papst wieder gut laufen

In seiner Predigt korrigiert der Papst indes einige gängige Vorstellungen von Heiligkeit. Diese sei oft zu einem Ideal stilisiert worden, «das zu sehr auf uns selbst beruht, auf persönlichem Heldentum». Auf diese Weise sei Heiligkeit ein unerreichbares Ziel geworden, losgelöst vom Alltag. Doch genau dort müsse sie gesucht und gelebt werden. «Jeder und jede ist zur Heiligkeit berufen», so Franziskus, nicht als Kopie, sondern als je eigenes Original.

Ordensschwestern bringen Reliquien der der Heiligen.
Ordensschwestern bringen Reliquien der der Heiligen.

Für Heiligsprechungen braucht es ein von der Kirche anerkanntes Wunder, erwirkt auf Fürsprache eines Verstorbenen. Mit Blick auf Franziskus’ Knieleiden kann davon noch keine Rede sein. Zu Beginn war er noch mit einem Auto bis hinter die Altarbühne gefahren worden. Auch hinkte der Papst stark, als er an den Altar trat. Aber den Eucharistieteil der Messe feierte er stehend. Am Ende ging Franziskus nahezu ohne Hilfe zu anwesenden Geistlichen, um sie einzeln zu begrüssen. (cic)


Eine Heiligsprechung vor dem Petersdom am 15. Mai 2022. | © KNA
15. Mai 2022 | 13:45
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