RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch
Schweiz

Paprika, Parolin, Prophetie: Daniel Kosch über 21 Jahre als RKZ-Generalsekretär

Als RKZ-Generalsekretär hat Daniel Kosch drei Päpste erlebt. Im Gespräch mit kath.ch kommentiert er die wichtigsten Fotos seiner Amtszeit und erklärt auch die legendäre Abkürzung «Paprika»: Pastorale Prioritäten Katholische Kirche. Über Monika Schmid sagt er: «Sie ist nicht die erste Kirchen-Frau, die aneckt.»

Protokoll: Raphael Rauch

Der Evangelist Lukas: Was hat’s mit Lk 16,16 auf sich?

Daniel Koschs Twitter-Handle heisst @Lk1616.
Daniel Koschs Twitter-Handle heisst @Lk1616.

«Mein Twitter-Account @Lk1616 hat mit meiner Diplom-Arbeit zu tun. Ich befasste mich mit einem Jesus-Wort, das im Lukas-Evangelium so lautet: ‹Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes verkündet und jeder drängt sich mit Gewalt hinein’ (Lk 16,16).

Mich interessiert an dieser Bibelstelle der Kontrast. Es geht um das Reich Gottes, das wir uns oft als Ort der Harmonie vorstellen. Was bedeutet es, dass Jesus sagt, Menschen wollten mit Gewalt in diesen Friedensort eindringen?

Friedenstaube.
Friedenstaube.

Der Umgang mit Widersprüchen ist ein Lebensthema geblieben. Ich finde es reizvoll, von Jesus aus zu überlegen, was Gottesherrschaft bedeutet. Jesus geht es nicht um eine Theokratie, das Papsttum oder um mächtige Bischofskonferenzen. Jesus sprengt viele konventionelle Deutungsmuster und tritt für eine «herrschaftsfreie Gottesherrschaft ein.» Aber gleichzeitig erinnert er daran: Der Einsatz für das Reich Gottes erfordert Entschiedenheit und muss Widerstände überwinden.»

Die Expo 2002: Ein akustischer Ausdruck von Synodalität

Bischof Amédée Grab an der Expo.02.
Bischof Amédée Grab an der Expo.02.

«Die Präsenz der Kirchen an der Expo 02 war ökumenisch. Unser Auftritt hatte etwas Verspieltes, Künstlerisches, Unkonventionelles, passte zu den Arteplages in der Drei-Seen-Region. Zudem kam am Tag der Chöre «Kirchentags-Feeling» auf. Unzählige Kirchenchöre waren da und sangen religiöse Lieder. Von Bach bis Gospel war das ein vielstimmiges Erlebnis von Kirche-Sein. Ein akustischer Ausdruck von Synodalität.»

Renata Asal-Steger

RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.
RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.

«Mit Renata Asal-Steger präsidiert seit 2020 erst zum zweiten Mal in ihrer Geschichte eine Frau die RKZ und sie ist das erste und einzige weibliche Mitglied des Kooperationsrates. Schon das zeigt, dass wir als Kirche in Sachen Gleichstellung weiterhin Nachholbedarf haben. Die Forderung nach einer geschwisterlichen Kirche ist für sie zentral. Freundlich, aber bestimmt tritt sie dafür ein, dass die Kirche den Klerikalismus überwindet und dass pastorale und staatskirchenrechtliche Instanzen auf Augenhöhe partnerschaftlich zusammenarbeiten.»

Franziska Driessen-Reding

Die Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding auf der Pride in Zürich.
Die Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding auf der Pride in Zürich.

«Auch Franziska Driessen-Reding ist ein Beispiel dafür, wie sehr sich die katholische Kirche in der Schweiz verändert hat. Früher war auch bei der RKZ alles in Männerhand. Heute steht der grössten Kantonalkirche mit dem meisten Geld eine Frau vor, die deutlich und wahrnehmbar für einen anderen Umgang mit der Vielfalt der Geschlechter und der Lebensentwürfe eintritt. Diskriminierung und die zögerliche Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs sind ihr zu Recht ein Gräuel.»

Monika Schmid

Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.
Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.

«Monika Schmid kenne ich persönlich nicht gut. Ich nehme sie als Frau in der Kirche wahr, die Mystik und Widerstand gegen klerikale Strukturen, soziales Engagement und Spiritualität, Bodenständigkeit und tiefe Theologie verbindet. Und sie hat den Mut, Transparenz herzustellen. 

Wenn sie kirchenrechtliche Grenzen auslotet oder überschreitet, tut sie dies in der Überzeugung, dass Gott es so will. Und da auch ich mir nicht vorstellen kann, dass der Gott, den Jesus verkündigte, ein Problem damit hat, dass Frauen zu seinem Gedächtnis Brot und Wein teilen, erkenne ich in ihrem pastoralen Wirken etwas Prophetisches: Sie deckt den Willen Gottes für unsere Zeit auf. Sie ist nicht die erste Kirchen-Frau, die damit aneckt.»

Priorin Irene Gassmann

Priorin Irene Gassmann und Daniel Kosch.
Priorin Irene Gassmann und Daniel Kosch.

«Für mich ist das Kloster Fahr das «Kloster am Rand der Stadt». Erst kürzlich ist mir wieder bewusst geworden, wie nahe es bei Zürich liegt, trotz der ländlichen Umgebung. Für Priorin Irene habe ich grossen Respekt. Sie ist eine glaubwürdige Vorreiterin in der Frauenfrage und positioniert das Kloster nicht nur als Rückzugsort, sondern auch als Ausgangspunkt, von dem aus sie benediktinische Spiritualität in die Grossstadt trägt.»

Urs Brosi

RKZ-Generalsekretär Urs Brosi ist Kirchenrechtler.
RKZ-Generalsekretär Urs Brosi ist Kirchenrechtler.

«Über die Wahl von Urs Brosi zu meinem Nachfolger habe ich mich sehr gefreut. Urs Brosi kennt wie nur wenige das duale System in der Schweiz. Er hat als Kirchenrechtler Konflikte wie den Fall Röschenz eng begleitet. Und er bringt Verwaltungserfahrung mit. Soziologisch betrachtet stelle ich allerdings fest: Wir gehören trotz gut zehn Jahren Alternsunterschied derselben Generation an. Wir haben als Kinder noch volle Kirchen erlebt und müssen jetzt den Umbruch gestalten. Die RKZ sucht derzeit eine Stellvertretung für ihn, um das Generalsekretariat etwas breiter aufzustellen. Ich habe mit dem Bewerbungsverfahren nichts zu tun, würde mich aber sehr freuen, es käme eine Frau aus der nächsten Generation zum Zug.»

Kritischer Blick beim synodalen Prozess

Daniel Kosch, RKZ-Generalsekretär
Daniel Kosch, RKZ-Generalsekretär

«Ich habe kein Pokerface. Man sieht mir oft von Weitem an, was ich denke und fühle. Was vielleicht zu meinem kritischen Blick geführt hat, ist der Eindruck: Wir sind zwar synodal unterwegs – aber eigentlich nur an synodalen Events. Echte Synodalität wird aber jeden Tag gelebt, braucht Strukturen und Prozesse, die auf Dauer angelegt sind, in denen Zeiten des Redens, des Schreibens, des Schweigens, des Feierns und der erneuten Diskussion aufeinander folgen. 

Alle zitieren Papst Franziskus› «Unterscheidung der Geister». Aber wo sind die Phasen, in denen wir das wirklich machen? Und wo bleiben die Entscheidungen? Es besteht die Gefahr, dass wir in der Kirche zu viele guten Ideen auf bunten Zetteln sammeln und Punkte verteilen – und am Ende passiert dann doch nichts, weil beim nächsten synodalen Anlass nicht angeknüpft und weitergearbeitet wird, sondern alles wieder von vorn beginnt.»

Zoom-Konferenzen

Daniel Kosch (rechts unten) bei einer Video-Konferenz von "Voices of Faith".
Daniel Kosch (rechts unten) bei einer Video-Konferenz von "Voices of Faith".

«Sitzungen auf nationaler Ebene sind aufwändig. Wenn Menschen aus St. Gallen, Genf und Lugano anreisen, geht viel Zeit verloren. Eine positive Erfahrung aus der Corona-Zeit sind die Zoom-Sitzungen. Ich bin erstaunt, wie intensiv und effektiv ein Austausch im digitalen Raum sein kann. 

Ich finde es gut, dass das Katholische Medienzentrum im Bereich digitale Glaubenskommunikation vorwärts macht. Wir müssen aufpassen, dass wir als Kirche nicht stehenbleiben und uns mit Livestreams begnügen. Wir müssen neue Formate entwickeln und ausprobieren.»

Synodaler Prozess

Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".
Synodaler Prozess: Der Basler Bischof Felix Gmür bei der Eröffnung der Kampagne "Wir sind Ohr".

«Ich habe mich 2018 dafür stark gemacht, dass die katholische Kirche in der Schweiz sich auf einen synodalen Prozess einlässt, für den SBK und RKZ gemeinsam Ziele, Themen, Strukturen und die Arbeitsweise festlegen und die erforderlichen Ressourcen bereitstellen. Damals wussten wir noch nicht, dass es eine Bischofssynode über Synodalität und einen weltkirchlichen synodalen Prozess geben würde. Doch ein solches Vorhaben kam nicht zustande.

Gegen gesamtschweizerische Vorhaben werden immer die Vielsprachigkeit, die unterschiedlichen pastoralen Realitäten, die staatskirchenrechtliche Vielfalt und die Eigenständigkeit der Diözesen, kantonalkirchlichen Organisationen und Kirchgemeinden ins Feld geführt. Aber in einer synodalen Kirche schliessen sich Vielfalt und gemeinsames Vorangehen nicht aus.

Messe in Einsiedeln zu Beginn des synodalen Prozesses auf nationaler Ebene.
Messe in Einsiedeln zu Beginn des synodalen Prozesses auf nationaler Ebene.

Vielmehr wird die Vielfalt als Reichtum und werden Gegensätze und sogar Konflikte als Lernchancen wahrgenommen. Wir könnten diese durch die migrantische Prägung unserer Kirche noch verstärkte Vielfalt auch anders deuten und sagen: In der Schweiz kristallisiert sich die Vielstimmigkeit der Weltkirche.

Erfreulich ist, was die Events in Einsiedeln und Luzern zum synodalen Prozess gezeigt haben: Wir haben überall in der Schweiz ähnliche Probleme. Aber die Art und Weise, wie wir darüber sprechen und was wir anpacken wollen, ist sehr verschieden.

Ivo Fürer an der Synode 72 (5. v.l.)
Ivo Fürer an der Synode 72 (5. v.l.)

Dieses Jahr haben wir uns daran erinnert, dass vor 50 Jahren die Synode 72 begann. In der Folge übernahm die Schweizer Kirche weltweit die Rolle einer Vorreiterin, was Partizipation und die Rolle von Laiinnen und Laien in der Gemeindeleitung betrifft. Dasselbe gilt für ihre Beauftragung zu taufen, zu predigen und bei Trauungen zu assistieren.

Es wäre nicht nur in meinem Sinn, sondern im Sinn sehr vieler engagierter Kirchenmitglieder, wenn die Bischöfe in diesen Fragen ihre rechtlichen Spielräume voll ausnutzen und sich dazu bekennen würden, dass sie in der Frage der Zulassungsbedingungen zum Weiheamt eine Weiterentwicklung und Öffnung der kirchlichen Lehre für möglich und dringend halten.»

Parolin-Besuch in der Schweiz

Abt Urban Federer, Bischof Felix Gmür, Kardinal Pietro Parolin, Bundesrat Ignazio Cassis, Renate Asal-Steger, Erwin Tanner und Daniel Kosch.
Abt Urban Federer, Bischof Felix Gmür, Kardinal Pietro Parolin, Bundesrat Ignazio Cassis, Renate Asal-Steger, Erwin Tanner und Daniel Kosch.

«Ich hatte den Eindruck, für die Reformierten war der Parolin-Besuch wichtiger als für mich. Die Sehnsucht der Reformierten nach einem Pendant zum Nuntius kann ich nur bedingt nachvollziehen, weil ich nicht den Eindruck habe, dass sich der Nuntius für die Schweizer Belange sonderlich interessiert. Er vertritt die Interessen Roms.

Was dieses Bild aber schön zum Ausdruck bringt: Das Volk Gottes ist nicht nur durch die Bischöfe vertreten, sondern auch durch demokratisch legitimierte Vertreterinnen und Vertreter. Vielleicht deutet das Bild ja die Zukunft der Kirche an.

Kardinal Karl-Josef Rauber im April 2021. Früher war er Nuntius in Bern.
Kardinal Karl-Josef Rauber im April 2021. Früher war er Nuntius in Bern.

Die RKZ hat mit jenen Nuntien, die dazu bereit sind, immer das Gespräch gesucht. Es war ihnen wichtig, dass diese das duale System als Chance für die Kirche wahrnehmen und das auch so in Rom berichten.

Was die vom Nuntius gepflegten Beziehungen zum Bund betrifft, würde ich mir wünschen, dass die kirchlichen Instanzen, namentlich EKS, SBK und RKZ, diese Beziehungen vermehrt gemeinsam pflegen. Der bekannte Soziologe Hartmut Rosa hat kürzlich ein Buch unter dem Titel «Demokratie braucht Religion» veröffentlicht. Das könnte das Leitmotiv eines verstärkten Dialogs zwischen den Kirchen und Bundesbern sein. Denn unsere Demokratie ist in Zeiten von Krisen, Populismus und Polarisierung auf Kräfte angewiesen, die für den Zusammenhalt und für selbstloses Engagement eintreten.»

Papst Franziskus

Papst Franzikus trägt einen Helm während seines Besuches in L'Aquila (Italien) am 28. August 2022.
Papst Franzikus trägt einen Helm während seines Besuches in L'Aquila (Italien) am 28. August 2022.

«Ich habe 2001 als RKZ-Generalsekretär angefangen. Ich hatte also vier Jahre mit Papst Johannes Paul II., knapp acht Jahre mit Papst Benedikt XVI. und knapp zehn Jahre mit Papst Franziskus. Natürlich kann ich mit Papst Franziskus am meisten anfangen. 

Franziskus geht es um Themen wie materielle und religiöse Not, Schuld, Gerechtigkeits- und Überlebensfragen. Und das alles sind für ihn nicht nur technische Fragen, die Banken und Hilfswerke lösen sollen, sondern zutiefst spirituelle Herausforderungen.

Papst Franziskus 2016 auf Lesbos: Zusammen mit Bartholomaios I. gedenkt er Ertrunkenen.
Papst Franziskus 2016 auf Lesbos: Zusammen mit Bartholomaios I. gedenkt er Ertrunkenen.

Für Papst Franziskus sind das Soziale und das Spirituelle zwei Seiten derselben Medaille. Leider ist ihm zu wenig bewusst, dass eine synodale Kirche nicht ohne Mitentscheidungsrechte zu haben ist. Und dass sein Frauenbild heute in weiten Kreisen nicht mehr vermittelbar und auch aus theologischen Gründen problematisch ist. 

Gleichzeitig beeindruckt mich die Sprache von Papst Franziskus. Er beschränkt sich nicht auf eine fromme Kirchensprache, sondern er zitiert Weltliteratur und zeitgenössische Theologie – von Hölderlin über Dostojewski bis zu Michel de Certeau.

Papst Franziskus.
Papst Franziskus.

Leider lässt er sich aber immer wieder zu unbedarften, spontanen Äusserungen hinreissen, die manchmal grob und verletzend sind. Insgesamt aber habe ich den Eindruck, dass Franziskus eine bilderreiche, biblisch verwurzelte und lebensnahe Theologie hat und die Botschaft des Evangeliums mutig mit unserer heutigen Situation in Beziehung setzt. Dabei spart er Krisen und Katastrophen nicht aus, verfällt aber nicht in Panik-Mache, sondern hält an der Hoffnung fest.»

Vielfalt im Bischofsrat

Flurina Cavegn-Tomaschett vertritt im Churer Bischofsrat das diözesane Pastoralentwicklungsteam.
Flurina Cavegn-Tomaschett vertritt im Churer Bischofsrat das diözesane Pastoralentwicklungsteam.

«Meines Erachtens könnten die Schweizer Bischöfe trotz der Blockade in der Weihefrage mehr für die Geschlechtergleichheit tun. Bereits jetzt könnte ein Bischof sagen: Ich teile meine Leitung de facto mit einem kleinen Team, dem gleich viele Frauen wie Männer angehören. Wir treten gleichberechtigt auf. Wenn der Bischof kommt, dann wenn nötig mit Stab und Mitra. Aber wenn seine Vertreterin kommt, dann wird sie als hochrangige Vertretung des Bischofs wahrgenommen. Nicht als Assistentin, sondern als seine Kollegin. Und ich trete im Fernsehen bewusst mit einer Frau im Duo auf, besonders wenn es um Themen geht, die Frauen stark betreffen.»

RKZ-Fokus

Ein Ort zum Netzwerken: Der RKZ-Fokus im Jahr 2021.
Ein Ort zum Netzwerken: Der RKZ-Fokus im Jahr 2021.

«Als RKZ haben wir mit vielen Gruppierungen, Vereinen, Akteurinnen und Akteuren zu tun. Hinzu kommen die kantonalkirchlichen Behörden, die auch über die RKZ-Beiträge befinden. Vielfach kennen die Personen sich aber nicht persönlich und haben wenig Einblick in die gesamtschweizerische Kirchenwirklichkeit. 

Brainstorming zur Synodalität beim RKZ-Fokus in Bern im Jahr 2021.
Brainstorming zur Synodalität beim RKZ-Fokus in Bern im Jahr 2021.

Deshalb haben wir den RKZ-Fokus in Bern etabliert – als Netzwerk-Anlass, wo es inhaltliche Impulse und Raum für den informellen Austausch gibt. Das gibt der RKZ die Möglichkeit, ihre Aufgabe als Netzwerkerin auf schweizerischer Ebene wahrzunehmen, thematische Akzente zu setzen und erst noch interessanten Persönlichkeiten eine Plattform zu bieten.»

Synodaler Weg in Frankfurt

Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland.
Daniel Kosch beobachtet den Synodalen Weg in Deutschland.

«Der Synodale Weg in Frankfurt gehört zu den Highlights meiner Zeit als Generalsekretär. Mich beeindruckt das theologische Niveau, mit dem hier gearbeitet wird. Es entstehen aber keine langweiligen Dissertationen, sondern konkrete Texte mit Praxis-Relevanz. Die führen zwar nicht zu Beschlüssen mit Rechtskraft, aber doch zu sehr verbindlichen Absichtserklärungen. Der Synodale Weg wird Kirchengeschichte schreiben.»

Jesuiten-Generaloberer Arturo Sosa

Daniel Kosch (links) und Felix Gmür (Mitte) hören 2019 Arturo Sosa zu, dem Generaloberen der Jesuiten. Die Jesuiten stehen in sportlicher Konkurrenz zum Opus Dei.
Daniel Kosch (links) und Felix Gmür (Mitte) hören 2019 Arturo Sosa zu, dem Generaloberen der Jesuiten. Die Jesuiten stehen in sportlicher Konkurrenz zum Opus Dei.

«Das war eine spannende Diskussion! Der Jesuiten-General hat über das Schöne, über das Harmonische, die Weisheit gesprochen. Wenn wir uns auf diesen Strang der religiösen Tradition einlassen, gewinnen wir eine neue Kraft. Dann können wir uns den Sachen stellen, die uns beschäftigen. Das Foto erweckt den Eindruck einer Podiumsdiskussion. Für mich war das aber mehr Erbauung als Diskussion. Dieser Jesuit hat mich sehr beeindruckt.»

Auftakt zur Missbrauchsstudie in Lausanne

Medienkonferenz in Lausanne: Vier Forschende untersuchen die sexuellen Übergriffe im Umfeld der katholischen Kirche.
Medienkonferenz in Lausanne: Vier Forschende untersuchen die sexuellen Übergriffe im Umfeld der katholischen Kirche.

«Ich verstehe, dass manche kritisieren, dass die historische Studie zur Aufarbeitung des Schweizer Missbrauchskomplexes zu spät kommt. Wichtiger ist aber, dass sie nun auf gutem Weg ist. Ich sehe auch einen Vorteil gegenüber den Studien in Deutschland: Es gibt nicht viele diözesane Einzelstudien, sondern eine nationale Studie, die vermehrt Einblick in grössere, systemische Zusammenhänge geben wird.

Passiert da etwas im Versteckten? - Licht fällt auf den Beichtstuhl.
Passiert da etwas im Versteckten? - Licht fällt auf den Beichtstuhl.

Ich finde es immer heikel, wenn kirchliche Akteurinnen und Akteure darauf hinweisen, dass die meisten Missbrauchsfälle in Familien stattfinden – und nicht im kirchlichen Bereich. Das wirkt wie ein Ablenkungsmanöver. Gleichzeitig denke ich, dass wir neben der Aufarbeitung des Missbrauchs im unmittelbaren kirchlichen Kontext auch einen gesellschaftlichen Auftrag haben.

Workshop am Quellentag der Junia-Initiative.
Workshop am Quellentag der Junia-Initiative.

Wie können wir dazu beitragen, dass Kinder stark genug sind, um Nein zu sagen, wo Grenzen verletzt werden? Wie können wir Männer, die Grenzen verletzt haben, dazu ermutigen, sich trotz aller Scham, die damit verbunden ist, das zu gestehen und sich professionelle Hilfe zu holen? Wie können wir immer noch zu oft machtförmige Gottes- und Vaterbilder so umprägen, dass Respekt und Sorgfalt im Zentrum stehen?»

Hans Lichtsteiner

Hans Lichtsteiner
Hans Lichtsteiner

«Ich habe von Hans Lichtsteiner viel gelernt und mit ihm den Basis-Lehrgang Kirchenmanagement entwickelt. War früher klar, was Kirche ist und was sie macht, steht sie heute vor der Aufgabe, professionell zu klären, für welche Zielgruppen sie mit welchen Mitteln Angebote macht, um das Evangelium erfahrbar zu machen und für dessen Werte einzutreten. Diesbezüglich kann sie vom Management in Non-Profit-Organisationen viel lernen. «Sich durchwursteln» ist heute angesichts der Wichtigkeit der Aufgabe und der Beschränktheit der Mittel keine Option.

Ein teurer Flop: Der YouTube-Kanal "URBN.K" von "Katholisch Stadt Zürich". Nach MeToo-Vorwürfen wurde der Kanal eingestellt.
Ein teurer Flop: Der YouTube-Kanal "URBN.K" von "Katholisch Stadt Zürich". Nach MeToo-Vorwürfen wurde der Kanal eingestellt.

Ein Beispiel: Eine Pfarrei hat eine engagierte Jugendarbeiterin, die den Instagram-Account hochzieht. Der Account wird gehegt und gepflegt, ist richtig erfolgreich. Doch dann wechselt die Jugendarbeiterin die Stelle und alles schläft ein. Die Kirche überlässt auch auf Leitungsebene zu viel dem Zufall und bemüht sich zu wenig um strategische Organisationsentwicklung. 

Bischof Felix Gmür und Generalvikar Markus Thürig: Führungskräfte müssen ihre Rolle zur Seelsorge abgrenzen.
Bischof Felix Gmür und Generalvikar Markus Thürig: Führungskräfte müssen ihre Rolle zur Seelsorge abgrenzen.

Zur Professionalität gehört auch die Rollenklarheit: Wer kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führt, ist nicht deren Seelsorgerin oder Seelsorger, sondern hat eine Führungsfunktion. Das erfordert klare Erwartungen, Zielvorgaben und Grenzen, was mit christlicher Barmherzigkeit keineswegs unvereinbar ist.»

Zusammenarbeit mit der Bischofskonferenz

Medienkonferenz von Schweizer Bischofskonferenz und RKZ im Juni 2021.
Medienkonferenz von Schweizer Bischofskonferenz und RKZ im Juni 2021.

«Vieles hängt am Vertrauensverhältnis zwischen einzelnen Personen. Wenn das Verhältnis zum Gegenüber unkompliziert ist, man schnell den Hörer in die Hand nimmt und E-Mails rasch hin- und hergehen oder ich mal einen Tipp bekomme nach dem Motto «Das könnte dich interessieren» oder «Das könnte zum Problem werden», ist das eine andere Form der Zusammenarbeit, als wenn man alles nur über offizielle Sitzungen regeln will. 

Urs Brosi (links), der künftige RKZ-Generalsekretär, und Davide Pesenti, der neue SBK-Generalsekretär.
Urs Brosi (links), der künftige RKZ-Generalsekretär, und Davide Pesenti, der neue SBK-Generalsekretär.

Es gibt aber Muster, die sich wiederholen, auch wenn die Personen wechseln. Das deutet auf systemische Probleme hin. Eines davon ist, dass manche Bischöfe und bischöfliche Instanzen fast selbstverständlich davon ausgehen, allein darüber befinden zu können, was, wann und wie entschieden oder kommuniziert wird. Das mag ihrem Rollenverständnis entsprechen, missachtet aber, wie stark alles mit allem zusammenhängt.» 

Zukunft als Rentner

Gehen fast zeitgleich in Pension: Daniel Kosch (links) und Aschi Rutz, Sprecher der Zürcher Kantonalkirche.
Gehen fast zeitgleich in Pension: Daniel Kosch (links) und Aschi Rutz, Sprecher der Zürcher Kantonalkirche.

«Ich habe noch Mühe, mich an den Begriff Rentner zu gewöhnen. Aber natürlich habe ich eine To-do-Liste. Ich bin nach wie vor RKZ-Vertreter beim Synodalen Weg in Deutschland und habe noch ein paar Sitzungstermine für Projekte, die weiterzugeben jetzt nicht der richtige Moment ist. Zudem habe ich ein paar Vorträge und Aufsätze versprochen. 

Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, und Daniel Kosch beim Synodalen Weg.
Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, und Daniel Kosch beim Synodalen Weg.

Zugleich freue ich mich darauf, künftig gesünder zu leben: also mehr Zeit draussen in der Natur zu verbringen, weniger zu arbeiten und offen zu sein für das, was auf mich zukommt. Die Pensionierung macht mir aber auch bewusst: Ich werde älter. Früher oder später werde ich Vieles loslassen müssen. Nach einem Arbeitsleben, in dem ich stets weit vorausplanen musste, möchte ich lernen, gleichzeitig im Hier und Jetzt zu leben, das Leben mit all seinen Facetten zu lieben und mich gleichzeitig nicht festzuklammern.»

Zusammenarbeitsvereinbarung mit den Bischöfen

Ein wichtiger Tag für Daniel Kosch (rechts): SBK und RKZ unterzeichnen 2015 eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit.
Ein wichtiger Tag für Daniel Kosch (rechts): SBK und RKZ unterzeichnen 2015 eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit.

«Als ich 2001 mein Amt antrat, gab es vom Mitfinanzierungsvertrag abgesehen keinerlei institutionelle Verbindung zwischen RKZ und Bischofskonferenz, sondern nur informelle Kontakte. Die Bischöfe haben sich lange Zeit nur am Rand für die RKZ interessiert. 

Eine erste Wende trat ein, als es darum ging, angesichts rückläufiger finanzieller Mittel pastorale Prioritäten zu setzen. Die Arbeitsgruppe mit dem legendären Kürzel «Paprika» (Pastorale Prioritäten Katholische Kirche) war das erste paritätische, das heisst fifty-fifty zusammengesetzte Gremium. Es war der Versuch, pastorale Prioritäten und finanzielle Realitäten aufeinander abzustimmen.

Vertreter von Bischofskonferenz und der   Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz.
Vertreter von Bischofskonferenz und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz.

Seitens der RKZ war immer der Wunsch da, die Zusammenarbeit mit den Bischöfen zu verstärken und auch andere Themen zu diskutieren: Wie gehen wir mit den Kirchenaustritten um? Wie positionieren wir die Kirche auch auf nationaler Ebene als gestaltende Kraft im Dienst des gesellschaftlichen Zusammenhalts? Wie reagieren wir auf den Wandel in der Religionslandschaft? 

Zunehmend wurde deutlich: Nur wenn die Bischofskonferenz eine starke Rolle spielt, können wir als Partner ebenfalls Stärke und Wirkung entfalten. Die RKZ kann das Vakuum nicht füllen, das eine schwache Bischofskonferenz hinterlässt. Wir sind nur gemeinsam stark.

In Traunstein geht es auch um sein Erbe: Papst Benedikt XVI.
In Traunstein geht es auch um sein Erbe: Papst Benedikt XVI.

Witzigerweise hat Papst Benedikt XVI. dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen Bischofskonferenz und RKZ zu verbessern. Nach einem Ad-limina-Besuch kam von Rom der Auftrag, das Verhältnis von Kirche und Staat und die Rolle der staatskirchenrechtlichen Körperschaften zu klären. Das führte zum Dokument «Vademecum», das die Bischofskonferenz ohne Einbezug der RKZ veröffentlicht hat – mit Empfehlungen zum Thema «Katholische Kirche und Staat in der Schweiz». 

Mit dem «Vademecum» waren wir nicht einverstanden, denn es reduzierte die Aufgaben staatskirchenrechtlichen Körperschaften aufs Finanzielle und sah sie in einer bloss zudienenden Funktion. Ihre Mitverantwortung und die Chancen demokratischer Strukturen samt der damit verbundenen Gleichstellung der Geschlechter würdigte es mit keinem Wort.

Versammlung der Schweizer Bischofskonferenz
Versammlung der Schweizer Bischofskonferenz

Aber das Vademecum enthielt die Forderung, die Zusammenarbeit im dualen System vertraglich zu vereinbaren. Das war der Anknüpfungspunkt für Verhandlungen, die Ende 2015 zu einer Zusammenarbeitsvereinbarung führten. Zum Vertragsinhalt gehört die Einrichtung eines Kooperationsrates. Dieser tagt dreimal im Jahr und stellt den Austausch zwischen den Präsidien von SBK und RKZ sicher.»

Ausstieg des Fastenopfers aus der Mitfinanzierung

Anne-Marie Holenstein, Direktorin des Fastenopfers, mit Bischof Ivo Fürer im Jahr 2000.
Anne-Marie Holenstein, Direktorin des Fastenopfers, mit Bischof Ivo Fürer im Jahr 2000.

«Seit der Gründung der RKZ im Jahr 1971 waren das Hilfswerk Fastenopfer mit Spendengeldern und die RKZ mit Kirchensteuermitteln für die Finanzierung gesamtschweizerischer Aufgaben der katholischen Kirche zuständig. Gemeinsam mit der Bischofskonferenz sorgten wir für die sogenannte Mitfinanzierung. 

Im Laufe der Zeit fokussierte sich Fastenopfer stärker auf sein Engagement für die Ärmsten in den Ländern des Südens. Gleichzeitig erstarkten die Kantonalkirchen. Fastenopfer hatte den Wunsch, von den Inland-Aufgaben entlastet zu werden, leistete aber weiterhin erhebliche Beiträge für die Inlandmitfinanzierung.

Bischof Felix Gmür auf Pastoralbesuch in Kolumbien in einem Gebiet, das durch eine Mine verschmutzt wurde.
Bischof Felix Gmür auf Pastoralbesuch in Kolumbien in einem Gebiet, das durch eine Mine verschmutzt wurde.

Aber es wurde immer klarer, dass es unglaubwürdig und ein Reputationsrisiko ist, in der Fastenzeit Geld für arme Menschen in den Ländern des Südens zu sammeln – wohlwissend, dass am Ende viel Geld für kirchliche Institutionen in der Schweiz bleibt. So reifte der Entschluss zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die Inlandfinanzierung.

Die Mitglieder der RKZ erhöhten ihre Beiträge. Und aus dem trilateralen System – Fastenopfer, RKZ und SBK – wurde auch auf nationaler Ebene ein duales System. So kann Fastenaktion sich heute auf seine Süd-Projekte konzentrieren und beschränkt sich im Inland auf bescheidene Beiträge, die einen Bezug zum Auftrag des Hilfswerkes haben.

Aus Fastenopfer wird Fastenaktion.
Aus Fastenopfer wird Fastenaktion.

Es freut mich, dass ich zu dieser Entwicklung beitragen konnte. Für mich ging es dabei nicht nur um das Geld, sondern auch um Glaubwürdigkeit und Verantwortungsübernahme seitens der RKZ und ihrer Mitglieder.»


RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch | © Christian Merz
30. November 2022 | 10:10
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