Sakristan und Gemeinde im Gottesdienst
Schweiz

Orthodoxe Dreikönigsfeier – ein Rausch für alle Sinne

St. Gallen, 7.1.18 (kath.ch) Das Dreikönigsfest feierten die griechisch-orthodoxen Christen in St. Gallen in ihrer Kirche am Sonntag mit mehreren hundert Gläubigen mit einem mehrstündigen Gottesdienst, der alle Sinne berauschte.

Vera Rüttimann

Am Sonntagmorgen steht Pfarrer Ignatios Papadellis in seinem mit goldverzierten Priestergewand in der griechisch-orthodoxen Kirche an der Feldlistrasse in St. Gallen. Wer zur Tür eintritt, den überwältigt ein Glimmen und Glitzern. Das Auge weiss nicht, wohin schauen.

Die Wände sind mit grossflächigen Ikonenmalereien ausgestaltet, an den Decken hängen edle Kristallleuchter und über dem Altarraum thront ein rot leuchtendes Kreuz. Süsslicher Weihrauch steigt dem Besucher sofort in die Nase. Während sich am Eingang alle eine Kerze greifen und eine Ikone küssen, füllen sich nach und nach die Kirchenbänke.

Mit dem Rücken zu den Gläubigen

Cyril Deicha | © Vera Rüttimann

Besucht ein Christ römisch-katholischer Prägung einen solchen Gottesdienst, fallen diverse Unterschiede auf: Zuerst beginnt alles mit einem Morgenlob, das Frauen vorne im Chor vortragen. Es zieht sich lange hin. Der Priester feiert den Gottesdienst mit dem Rücken zum Volk. «Orthodoxe stören sich kaum daran», sagt Cyril Deicha, Vertreter der griechisch-orthodoxen Kirche der Sektion Lichtenstein.

Weiter gibt es mit der Ikonostase eine Art hölzerne Trennwand vor dem Altar, die Priester und Gottesdienstbesucher teilt. Die Kirche ist dreiteilig: Die Ikonostase, das Kirchenschiff und der Eingangsbereich, wo sich die ungetauften Besucher aufhalten. Die Weihe des Wassers, die eine ganze Zeit lang dauert, vollzieht der Priester in der Mitte des Kirchenschiffes.

Es ist ein Kommen und Gehen

Die Feier wird bei den griechisch-orthodoxen Christen Theophanie, Erscheinung Gottes, genannt. Wichtig ist den Orthodoxen dabei die Atmosphäre. So wird hier akzeptiert, dass jeder seinem eigenen Gebetsrhythmus nachgehen kann. So herrscht bei solchen Gottesdiensten auch ein stetes Kommen und Gehen. «Darum dauert der Gottesdienst bei uns so lange, weil jeder in seine Stimmung kommen muss», lacht Cyril Deicha.

Kleantis Zoumbos | © Vera Rüttimann

Die griechisch-orthodoxen Christen haben seit 1985 in der Kirche in St. Gallen ihre Heimat. Sie erhielten das Gebäude, in der zuvor die Abdankungshalle der evangelischen Kirche war, durch die Stadt St. Gallen übertragen. «Wir sind dafür sehr dankbar», sagt Kleantis Zoumbos. Er ist ehemaliger Präsident des griechisch-orthodoxen Zentrums der Ostschweiz und des Fürstentums Lichtensteins. «Vorher mussten wir alle Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen in katholischen und evangelischen Kirchen abhalten.»

Die Religion, betont Kleantis Zoumbos,  spielt bei den in hier lebenden Griechen eine wichtige Rolle. In den Bänken sieht der Besucher dieses Gottesdienstes bemerkenswert viele junge Leute, die teils auch mit ihren Kindern zur Feier gekommen sind.

Gebetshaus und Sozialzentrum in einem

Nach der Messe lädt Pfarrer Ignatios Papadellis zu Kaffee und griechischem Süssgebäck im Gemeinschaftsraum, der sich direkt in der Kirche befindet. Frauen der Gemeinde stellen griechische Spinatbrote auf den Tisch. Bald herrscht ein einziges fröhliches Palaver.

Der Pfarrer bezeichnet sich als «Mann für alle Fälle».

Ignatios Papadellis begrüsst jeden Einzelnen persönlich. Immer wieder entdeckt er neue Gesichter. Der Grieche, der seine Stelle als Pfarrer in St. Gallen vor 35 Jahren angetreten hat, bezeichnet sich selbst als «Mann für alle Fälle». Der quirlige Mann sagt von sich: «Ich bin von früh bis abends spät mit Beichtabnahmen, Taufen, Trauungen und Schulunterricht beschäftigt.»

Die Lage in der Heimat beschäftigt

Natürlich werde er an jedem Gottesdienst auch mit der Griechenland-Krise konfrontiert. Nicht selten werden derei oft schweren Schicksalen in den Gebeten während des Gottesdienstes gedacht.

Und der Zustrom der Neuankömmlinge aus Griechenland hat auch diese Gemeinde in kürzester Zeit vergrössert. Papadellis weiss: «Die neuen Gemeindeglieder sind meist gut ausgebildet und arbeiten als Ärzte oder Ingenieure. In der Schweiz finden sie schnell Arbeit.»

Die Kirche ist auch Zentrum für Lebenshilfe.

Seine Kirche hier in St. Gallen nehme denselben Stellenwert ein wie in seiner Heimat. Sie sei nicht nur Gebetshaus, sondern auch Zentrum für Lebenshilfe. Ignatios Papadellis hilft als Pfarrer auch bei der Jobsuche oder beim Ausfüllen von Formularen für Amtsstellen.

In gutem Kontakt mit dem katholischen Bischof

Die unterschiedlichen orthodoxen Kirchen sind in der Schweiz nicht als Landeskirchen anerkannt. Sie können sich somit nicht über Kirchensteuern finanzieren. Die Finanzierung erfolgt deshalb zu einem grossen Teil aus Spendenbeiträgen der Gemeindemitglieder und der Metropolie, der griechisch-orthodoxe Diözese.

Papadellis sagt dazu: «Wir sind leider noch keine staatlich anerkannte Landeskirche. Mit Bischof Markus Büchel aber und mit der katholischen Kirche in St. Gallen überhaupt haben wir einen sehr guten Kontakt.»

Sakristan und Gemeinde im Gottesdienst | © Vera Rüttimann
7. Januar 2018 | 20:32
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Orthodoxe Kirche

Als orthodoxe oder Ostkirche wird die aus dem byzantinischen (Oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet, zu der heute 14 selbstständige («autokephale») Kirchen zählen. «Orthodox» war dabei zunächst keine eigene Konfessionsbezeichnung, sondern bedeutet «rechtgläubig».

Von ihrer Tradition, ihrem Bekenntnis und der Liturgie versteht sich die Orthodoxie ungeachtet ihrer nationalen und politischen Differenzierung als eine einzige Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. (77).

Die weltweit mehr als 220 Millionen orthodoxen Christen bilden nach Katholiken und Protestanten die drittgrösste christliche Konfession. Von ihnen gehören die meisten (rund 165 Millionen) zur russisch-orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat).

Mit der westlichen Kirche verbinden die Orthodoxie die sieben ökumenischen Konzilien des ersten Jahrtausends; das letzte von ihnen fand 787 statt. In den folgenden Jahrhunderten kam es zu einer Entfremdung zwischen Ost und West.

Den Bruch markierte das Jahr 1054, als der römische Legat des Papstes den Patriarchen von Konstantinopel exkommunizierte, was als Exkommunikation der gesamten griechischen Kirche gedeutet wurde. Die gegenseitigen Bannsprüche wurden erst 1965 offiziell aufgehoben.

Zu den Haupthindernissen für eine Kirchengemeinschaft zwischen Orthodoxie und katholischer Kirche zählt der Primatsanspruch des römischen Papstes. (kna)