Neue und alte Domherren des Bistums Chur.
Kommentar

«Noch nie so viele Priester ausserhalb von Rom gesehen»: Diaspora-Katholikin über die Installation der Churer Domherren

Pompös, pompöser, Churer Domkapitel – und ein lächelnder, spontaner und gastfreundlicher Bischof: Diesen Eindruck hat Magdalena Thiele von der Installation der Churer Domherren. Zurzeit macht die Berliner Diaspora-Katholikin ein Praktikum bei kath.ch – und freut sich über einen opulenten Katholizismus, den sie aus ihrer Heimat so nicht kennt.

Magdalena Thiele

Der Organist spielt auf. Rund 80 Menschen erheben sich am Sonntag von den Bänken in der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt in Chur. 23 Priester ziehen durch den Mittelgang hinein in das opulente Kirchenschiff aus dem zwölften Jahrhundert.

Vier neue Domherren

Für eine Katholikin aus der nüchternen preussischen Diaspora bildet das Ganze eine beeindruckende Kulisse. Im Zentrum stehen die vier neuen Domherren, die Bischof Joseph Maria Bonnemain installieren wird.

Die neuen Domherren: von links Ernst Fuchs, Josef Zwyssig, Matthias Horat und Gregor Barmet. Rechts: Domdekan Daniel Krieg.
Die neuen Domherren: von links Ernst Fuchs, Josef Zwyssig, Matthias Horat und Gregor Barmet. Rechts: Domdekan Daniel Krieg.

Rund 40’000 Menschen leben in Chur. Beschaulich liegt die Kantonshauptstadt eingebettet in die alpine Bergkulisse. Der Weg vom Bahnhof zur Kathedrale führt durch Gassen und vorbei an Weinreben. Schon zu Beginn des 15-minütigen Anstiegs höre ich die Kirchenglocken läuten.

Mehr Geistliche als Publikum

Alles wirkt beschaulich – bis zum Beginn der Messe. Leider ist diese nicht gut besetzt. Die hintere Hälfte der Bankreihen ist nur sehr sporadisch besetzt. «Der Organist hat wohl mit mehr Publikum gerechnet», schiesst es mir durch den Kopf. «Wenn er die ganze Messe so laut orgelt, wird man niemanden singen hören.»

23 Priester ziehen durch die Kirche.
23 Priester ziehen durch die Kirche.

Da weiss ich allerdings noch nicht, dass der Klerus die Zahl der Anwesenden gleich deutlich nach oben treiben würde. 23 Geistliche. Mit dabei: zehn Ministranten. Später wird sich der Regens des hiesigen Priesterseminars, Daniel Krieg, extra bei ihnen bedanken. Die Jungs waren ihres Priesters Gregor Bamert zuliebe heute in die Kathedrale gekommen. Sonst ministrieren hier nur Priesteramtskandidaten.

Weihrauch in der Luft

Schon wegen seines breiten Grinsens sticht Bischof Joseph Maria Bonnemain aus der Masse hervor, auch wenn er wohl der kleinste unter den Priestern ist. Weihrauch schwängert die Luft. Ich bin froh, hier zu sein. Froh, dass ich mich an diesem bis eben trüben Sonntagnachmittag auf den Weg von Zürich nach Chur gemacht habe, obwohl ich eigentlich dringend Schlaf aus der vergangenen Woche nachholen müsste.

Bischof Joseph Bonnemain.
Bischof Joseph Bonnemain.

«Das hat sich gelohnt», denke ich mir, noch nicht ahnend, dass mich der Bischof später spontan zum gemeinsamen Abendessen einladen wird. Ich habe lange nicht so einen feierlichen Gottesdienst gefeiert. Und ich habe noch nie so viele Priester auf einmal gesehen – ausserhalb von Rom.

Berliner Bischof uninteressant

In Berlin interessiert sich praktisch niemand für den Bischof. Erst recht nicht für die Berliner Domherren. Ausgerechnet im grossen Berlin funktioniert das katholische Leben kleiner und bescheidener. Wer Kirchenglocken hören will, muss sehr genau darauf achten. Zumeist geht ihr Ton unter im Lärm der Grossstadt.

Installation der neuen Domherren in der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt in Chur.
Installation der neuen Domherren in der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt in Chur.

Ein Impuls aus Chur, der in Berlin sicher Gehör fände: Der Appell von Bischof Joseph Maria Bonnemain für eine diakonische Kirche. «Im synodalen Prozess brauchen wir die Stimme der Obdachlosen, der Flüchtlinge, der Migranten, der Nackten, der Hungrigen und Durstigen, der Kranken, der Gefangenen und all jenen, die üblicherweise keine Stimme haben», sagte Bonnemain.

Ich werde sehen, ob der Bischof seinen Worten Taten folgen lassen wird. Der diakonische Auftrag ist sicher mit der wichtigste, den die Kirche in der Welt von heute hat. Egal ob in Chur oder in der Diaspora.


Neue und alte Domherren des Bistums Chur. | © Christian Merz
1. Februar 2023 | 15:53
Lesezeit: ca. 2 Min.
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