"Elements of Rock" geht über drei Tage mit zwei Gottesdiensten und verschiedenen Bands
Konstruktiv

Mit Heavy Metal Jesus feiern

Am Elements of Rock Festival in Uster feierten hunderte Menschen ihren Glauben mit harter Metal-Musik. Besuch in einer wenig bekannten Subkultur, welche die Boxen fast zum Explodieren bringt. «Man möchte darin anders sein als alle anderen», sagt Bassist Adriano Troiano.

Sabine Zgraggen

Sie nennen sich Signum Regis (im Zeichen des Königs), Death Therapy (Therapie gegen den Tod), Distant Past (ferne Vergangenheit) oder Slechtvalk (Wanderfalke), die Bands vom Festival Elements of Rock.

Die Band Distant Past nach ihrem Auftritt Songwriter Adriano Toiano Mitte hinten
Die Band Distant Past nach ihrem Auftritt Songwriter Adriano Toiano Mitte hinten

Menschen wie aus Wikinger-Filmen

Wer den Theatersaal von Uster an diesem Wochenende Mitte März betritt, trifft auf lauter schwarz gekleidete Menschen. Männer mit Bärten und Tattoos wie aus Wikinger-Filmen, Frauen mit Piercings und bunten Haaren. Doch zum «Dark-Look» der Erwachsenen rennen teilweise auch Kinder mit Kopfhörern herum.

«Es sind hier Christen aus allen verschiedenen Ecken da, einfach ein gutes Miteinander!»

Johanna (34)

Johanna (34) ist mit ihrem behinderten Bruder Fabio (32) ans Festival gekommen. Seit ihrer Jugendzeit hören die beiden gerne Metal-Musik.

Festival Besucher Johanna mit ihrem behinderten Bruder Fabian
Festival Besucher Johanna mit ihrem behinderten Bruder Fabian

Und bei ihrer Konvertierung zum katholischen Glauben vor ein paar Jahren hat sie im Gebet erfahren, dass Gott ihr ihre Musikrichtung nicht austreiben will. Sie findet hier die Atmosphäre einfach wunderbar, ebenso ihr Bruder, der fleissig mitwippt. «Es sind hier Christen aus allen verschiedenen Ecken da, einfach ein gutes Miteinander!»

Derweil macht sich die erste Band parat. Distant-Past-Bassist, Songwriter und Texter Adriano Troiano (46) gibt Auskunft, um was es ihm geht. Er ist seit den 1980er-Jahren mit klassischer Metal-Musik aufgewachsen. Zunächst hat er mit seiner Bass-Gitarre Songs nachgespielt.

Anders sein als andere

Für ihn ist Heavy-Metal ein Lebensstil, «man möchte darin anders sein als alle anderen», gibt er freimütig zu. Die Musik gebe ihm zudem die Kraft, den Alltag hinter sich zu lassen und Aggressionen auf eine «gesunde Weise» umzuwandeln. Besonders wichtig sind ihm die Geschichten hinter den Songs, «seien es historische oder fantastische».

Eine Metal-Bibel mit Glaubenszeugnissen bekannter Hardrock Bands
Eine Metal-Bibel mit Glaubenszeugnissen bekannter Hardrock Bands

Auch Botschaften wie «Gib nie auf!», « Zusammen sind wir stark», die man mitsingen kann, bedeuten ihm viel. Eine Textprobe aus einem seiner vielen selbst geschriebenen Song, die gut zur Karwoche passen könnte:

Heros die (Helden sterben) – von Distant Past

Warum muss mein Held sterben?
Ich scheine den Himmel nicht mehr erreichen zu können
Ich halte die Erinnerung an dich in Ehren
Wachst du über mich?
Lebe wohl, mein Retter, dein Geist bleibt

Dieser blaue Planet hat dich nicht mehr
Werden wir uns wieder sehen, wenn meine Zeit gekommen ist?
Aber, wie kann ich ohne dich stark sein?
Segne mich!

Von Raphi (37), der mit einer auffälligen Jacke mit Teufelsmotiv dasteht, erfahre ich, dass es an diesen Festivals Gottesdienste am Morgen gibt: «Samstag und Sonntagmorgen geht es jeweils damit los». Da wirkt auch die Band der Metalchurch mit.

"Elements of Rock" dauert über drei Tage mit zwei Gottesdiensten und verschiedenen Bands
"Elements of Rock" dauert über drei Tage mit zwei Gottesdiensten und verschiedenen Bands

Ob er selbst gläubig sei, will ich wissen: «Im Moment eher nicht», sagt er. «Früher war ich freikirchlich dabei, doch die Begeisterung für die Musik ist geblieben». Er verweist mich auf «Flo». Flo sei heute hier, um die Bands vor ihren Auftritten zu segnen.

Bärtiger Diakon bittet zum Gebet

Flo (33) ist gross, bärtig und schaut mich gütig an. Auch er gibt bereitwillig Auskunft. Heute sei er nur aushilfsweise hier. Seine Aufgabe ist es, auf die Bands zuzugehen und sie zu fragen, ob sie vor dem Auftritt noch beten möchten. Er bittet dann gemeinsam mit ihnen um einen guten Auftritt, und dass sie sich hier angenommen fühlen.

"Flo" geht auf die Bands zu und fragt sie, ob sie vor dem Auftritt noch beten möchten.
"Flo" geht auf die Bands zu und fragt sie, ob sie vor dem Auftritt noch beten möchten.

«Und dann frage ich sie: Willst du gesegnet werden?», sagt er. Man mag es kaum vermuten, hinter seinem Outfit verbirgt sich ein Katechet, der im Solothurnischen und in Bern drei Konfirmationsklassen leitet. Nicht ohne Stolz fügt er an: «Ich bin auch Sozialdiakon». Lächelnd zieht er weiter.

Schmerzhafte 98 Dezibel und Nebel

Derweil gehen die Dezibel auf schmerzhafte 98 hoch. Der dunkle Saal füllt sich, Nebel und Bühnenlicht schaffen Atmosphäre. Die Fans sind relaxt, die Kinder rennen weiterhin herum, ein Mann mit Blindenstock sucht einen sicheren Eckplatz. Am Rande des Saals verkaufen die Bands ihre schwarzen T-Shirts, CDs und Metal-Bibeln. Ja, richtig gelesen. Es gibt im Taschenformat Metal-Bibel-Ausgaben. Darin legen die härtesten Typen ihr Zeugnis für Christus ab.

Fetzige Heavy-Metal-Musik
Fetzige Heavy-Metal-Musik

Die Songtexte üben aber auch Gesellschaftskritik. Der Kampf zwischen Gut und Böse wird zelebriert.

The Power of Evil (Die Macht des Bösen) – von Distant Past

Die Welt wird vom Teufel und seinesgleichen regiert
Diese Welt gehört längst den abartigen Unternehmen
Wie kann es also sein, dass du ihnen blind folgst?
Jeder tappt einfach ahnungslos in ihre Falle
Und jetzt naht die Versuchung
Deine Sinne sind bereit, zu jagen und zu gewinnen.
Welches Hindernis auch immer im Weg steht
Du hältst dir den Rücken frei, um reinen Gewinn zu erzielen
Die Konzerne brauchen keine Luft zum Atmen
Sie steuern dich in die Hölle, kommst du noch über die Runden?

Die Gesellschaft will deine Seele stehlen.
Oh, siehst du nicht das Böse, das Menschen tun?

Die meisten, die hier dabei sind, kommen immer wieder. Auch Luise (27). Sie erzählt, was diese Art von Heavy Metal besonders macht: «Christian-Metal gibt Inspiration und ist absolut unterstützenswert. Die schwarze Szene bewegt sich auf einem Scheideweg. Es gibt böse und gute Musik. Auf die Haltung kommt es an. Nur auf dem ersten Blick hat man denselben Style. Wer genauer hinschaut, kann erfahren und spüren: Die Herzen sind hier anders.»

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Distant Past

Die Band Distant Past wurde 2002 als Studioprojekt gegründet und besteht seit 2019 als Liveband mit 5 Mitgliedern: Adriano Troiano (Text/Bass), Remo Herrmann (Schlagzeug), Ben Sollberger (Gitarre), Lorenz Laederach (Gitarre), Jvo Julmy (Gesang) und hat seit 2010 bereits vier Alben herausgebracht. Ein fünftes erscheint im November.

Der Bandname «Distant Past» bedeutet gemäss Adriano Troiano, «dass die Wahrheit in unserer Vergangenheit liegt. Wie beim Anblick der Pyramiden, die als stumme Zeugen immer noch die Geheimnisse der alten Kulturen bewahren, so ist auch die Bibel ein solcher Zeuge. Hier finden sich viele Stellen, die heute scheinbar keinen Sinn mehr ergeben und vieles hineininterpretiert wird, ohne genau zu wissen, wie es damals wirklich war.» (sz)


«Elements of Rock» geht über drei Tage mit zwei Gottesdiensten und verschiedenen Bands | © Sabine Zgraggen
20. März 2024 | 06:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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