Missbrauch im Kloster Fischingen: Opfer wollen Geld

Fischingen TG, 5.8.14 (Kipa) Vertreter der Benediktinerklöster Engelberg und Fischingen sowie des Vereins Kloster Fischingen hatten die Opfer sexuellen Missbrauchs im ehemaligen Kinderheim St. Iddazell in Fischingen TG im Mai um Entschuldigung gebeten und 250.000 Franken für den «Fonds für Soforthilfe» zugesagt. 27 Betroffene haben sich nun beim Kloster gemeldet, sieben von ihnen wollen eine finanzielle Entschädigung. Werner Ibig, Direktor des Vereins Kloster Fischingen, bestätigte am Dienstag, 5. August, gegenüber der Presseagentur Kipa einen entsprechenden Bericht des Regionaljournals Ostschweiz von Schweizer Radio SRF.

Die Rückmeldungen der Opfer reichten von erneuter Erhebung von Vorwürfen über das Erzählen der eigenen Geschichte, den Rückblick auf Positives im Kinderheim bis hin zu Lob und Anerkennung für das Vorgehen des Klosters, so Werner Ibig, Direktor des Vereins Kloster Fischingen, am Dienstag gegenüber Kipa. Nach der Präsentation des Berichts im Mai 2014 hätten sich in den vergangenen drei Monaten nun 27 Personen gemeldet, «davon beabsichtigen sieben, eine finanzielle Unterstützung aus dem Fonds für Soforthilfe für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen in Anspruch zu nehmen».

Die Verteilung des Geldes erfolge durch die Glückskette im Auftrag des Runden Tisches. «Menschen, die sich bei uns melden, weisen wir weiter, beziehungsweise sind wir ihnen behilflich, wenn sie ein Gesuch stellen wollen», so Ibig. Man verteile das Geld nicht selbst. Das Kloster Fischingen hat 250.000 Franken in den «Fonds für Soforthilfe» einbezahlt, weitere Geldgeber sind die katholische Landeskirche des Kantons Thurgau und andere Klöster, wie das Regionaljournal meldet.

Keine Gedenktafel für die Opfer

Eine Gedenktafel für die Opfer, wie sie vom Verein «Netzwerk verdingt» gefordert wurde, wird es nun doch nicht geben. «Wir haben einen anderen Weg gewählt, wir wollen, dass die Opfer finanziell entschädigt werden», so Ibig im Bericht. Der Verein «Netzwerk verdingt» hatte einen entsprechenden Einzelvorstoss seiner Präsidentin unterstützt und dem Kloster zur Prüfung vorgelegt.

Das 1876 gegründete Kinderheim war eine der grössten Erziehungsanstalten der Schweiz. Zum Heim gehörte auch eine Sekundarschule, die 1978 aufgehoben wurde. Nach Angaben des Berichts haben in den Bestandsjahren rund 6.500 Kinder und Jugendliche im Kinderheim St. Iddazell gelebt. Der Heimalltag sei stark religiös geprägt gewesen. Vernachlässigung, fehlende Zuneigung, Abwertung, Demütigung oder Ablehnung hätten zu Ohnmacht und Hilflosigkeit geführt, heisst es im Bericht, von Tatzen und Ohrfeigen bis zu stundenlangem Hinknien, vom Essensentzug bis hin zur Züchtigung mit Gürteln und Knüppeln, vom Kahlscheren des Kopfes bis zur Dunkelhaft habe die Bandbreite der Bestrafungen gereicht.

Schweizweit gehen Missbrauchsmeldungen zurück

Ibig hatte vor zwei Jahren dem Staatsarchiv des Kantons Thurgau die Akten des Kinderheimarchivs übergeben, die Aufarbeitung der Vergangenheit war durch die Beratungsstelle für Landesgeschichte in Zürich erfolgt.

Schweizweit hat die Zahl der den katholischen Bistümern gemeldeten Fälle in den Jahren 2010 bis 2012 von 146 Opfern und 125 Tätern auf je 9 Opfer und Täter abgenommen. In dieser Statistik nicht erfasst sind sexuelle Übergriffe in Institutionen von religiösen Gemeinschaften. Die Klöster Fischingen TG, Einsiedeln SZ und Ingenbohl SZ haben die Fälle von sexuellen Übergriffen in je eigenen Berichten aufgearbeitet. (kipa/arch/ami/job)

5. August 2014 | 11:55
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