Mariano Tschuor war der letzte Präsident der Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
Schweiz

Mariano Tschuor: «Fürs Glühbirnen-Wechseln braucht's keinen geistlichen Überbau»

Das Kloster Mariastein steckt mitten in einem Transformationsprozess. Materielle und technische Fragen lassen sich eher beantworten als die Erneuerung und Neuausrichtung der Klostergemeinschaft. Das sagt Mariano Tschuor, Projektleiter «Mariastein 2025».

Regula Pfeifer

Wo stehen Sie mit dem Projekt Mariastein 2025? Was haben Sie erreicht?

Mariano Tschuor*: An der heutigen Tagung in Luzern habe ich versucht, die beiden Seiten derselben Medaille des Projektes darzustellen: «Aufbruch ins Weite» und «Mariastein 2025». Die geistliche Dimension und die handfeste, materielle und prozessuale. Das sind zwei unterschiedliche Kulturen, die sich finden müssen. Das braucht Zeit. Gewisse Arbeiten im Bereich Infrastruktur konnten vorangetrieben werden, wie etwa das Vorprojekt für die Neugestaltung des Klosterplatzes oder der Umbau der Klosterbibliothek.

Woran arbeiten Sie sonst?

Tschuor: An vielen unterschiedlichen Fronten: Kommunikation und Information, Mittelbeschaffung, Recherche und Meinungsbildung über die geeignetste Rechtsform für eine neue Trägerschaft für den Platz Mariastein.

Mariano Tschuor an der Tagung über die Zukunft der Klöster in Luzern am 16. September 2022.
Mariano Tschuor an der Tagung über die Zukunft der Klöster in Luzern am 16. September 2022.

Eine neue Trägerschaft zu finden, ist offenbar schwierig, weshalb?

Tschuor: Die Trägerschaft ist erst einmal eine Frage der Rechtsform. Jetzt ist das Kloster eine öffentlich-rechtliche Körperschaft nach altem Recht des Kantons Solothurn. Es existierte ja bereits vor der Einführung des Zivilgesetzbuches. Amtsinhaber und Rechtsträger ist allein der Abt.

«Die beiden Pole – Zivilrecht und Kirchenrecht – müssen wir irgendwie zusammenbringen.»

Künftig könnte die Trägerschaft breiter abgestützt sein – je nachdem wie sich die Gemeinschaft entwickelt. Das Zivilrecht kennt verschiedene Formen: wie etwa die Stiftung, den Verein, die Genossenschaft, die Aktiengesellschaft oder die einfache Gesellschaft. Nun kommt noch das Kirchenrecht ins Spiel. Da sind die Vorgaben streng, was die Frage im Umgang mit dem kirchlichen Vermögen eines Klosters angeht. Das sogenannte Stammvermögen muss weiterhin dem Apostolat des Klosters zur Verfügung stehen, also für die vier Grundvollzüge der katholischen Kirche: Verkündigung, Liturgie, Diakonie und Gemeinschaft. Diese beiden Pole – Zivilrecht und Kirchenrecht – müssen wir irgendwie zusammenbringen.

Was ist daran so schwierig, dass Sie da bereits drei Jahre dran sind? Bremsen die Mönche?

Tschuor: Was heisst «bereits»? Ich würde eher sagen «erst drei Jahre». Wir sind mitten in den Überlegungen, in welche Richtung die jetzige Klostergemeinschaft gehen will. Vergessen Sie bitte nicht: Die Materie ist hochkomplex, das Kloster Mariastein-Beinwil gibt es seit dem Jahre 1100 und in Mariastein sind die Mönche seit der Mitte des 17. Jahrhunderts tätig. Diese Wurzeln sind sehr stark und lassen sich nicht von heute auf morgen bewegen.

«Mit Blick auf das Alter und die Kraft der Klostergemeinschaft haben wir nicht unendlich Zeit.»

Über Jahrhunderte ist eine enge Symbiose zwischen Klostergemeinschaft, Liturgie, Wallfahrt und Gastfreundschaft entstanden. Da fragt man sich: Wollen wir das so belassen? Oder entflechten und je separate Trägerschaften bilden? Die Meinungsbildung ist intensiv. Aber ja, mit Blick auf das Alter und die Kraft der Klostergemeinschaft haben wir nicht unendlich Zeit. Es sei denn, die jetzige Klostergemeinschaft entscheidet sich, diese Frage nach ihrer irdischen Zeit jemanden anders beantworten zu lassen. Auch dieser Weg wäre möglich, wenn wir nicht bald zu keiner Lösung kommen.

Mariano Tschuor unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung über die Zukunft der Klöster.
Mariano Tschuor unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung über die Zukunft der Klöster.

Sind Sie diesbezüglich im Gespräch mit der Mönchsgemeinschaft?

Tschuor: Selbstverständlich. Das ist, wie alle Teile des Gesamtprojektes überhaupt, Gemeinschaftsarbeit. Wir haben verschiedene Arbeitsgruppen, die einzelne Bereiche diskutieren und Vorlagen für die Meinungs- und Entscheidungsfindung in der Klostergemeinschaft erarbeiten: Rechtsform, Infrastruktur, Neuausrichtung Wallfahrt und andere.

«Abt Peter hat einen tollen spirituellen Brief an den Konvent und seine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschrieben.»

Sie haben von der Öffnung der Gemeinschaft gesprochen und dabei Abt Peter von Sury direkt angesprochen.

Tschuor: Abt Peter hat im März 2022 einen tollen spirituellen Brief an den Konvent und seine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dem Titel «Neue Hoffnung schöpfen» geschrieben. Darin hat er den von Papst Franziskus initiierten synodalen Prozess thematisiert. Er schlug vor zu überlegen: Was heisst dieser synodale Weg für das Kloster Mariastein? Gäbe es die Möglichkeit einer neuen Weggemeinschaft? Und wie könnte die aussehen?

Wie fanden Sie das?

Tschuor: Ich sagte ihm: Ich finde das sehr gut, Du hast die Reflexionsarbeit und die Kontextualisierung gemacht. Du hast den geistlichen Boden gelegt. Jetzt musst Du es auch umsetzen. Das war heute mein Wink. Jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht und wie er den Inhalt seines Briefes konkret umzusetzen gedenkt.

«Simple Sachfragen erhalten eine geistige Dimension.»

Sie haben im Vortrag gewitzelt: Es brauche nicht für jedes Wechseln einer Glühbirne einen geistlichen Überbau. Was wollten Sie damit sagen?

Tschuor: In Ordensgemeinschaften allgemein und bei den Benediktinern insbesondere sind das Stundengebet und der Gottesdienst zentral und nehmen viel Zeit ein – etwa drei oder vier Stunden pro Tag. Hinzu kommen das persönliche Gebet, die lectio divina, und die geistliche Nahrung, die die Mönche bei Tisch erhalten. Das alles nimmt den Einzelnen hinein in eine Welt, in der fast alles vergeistigt und vergeistlicht ist. Das birgt eine Gefahr in sich, dass simple Sachfragen eine geistliche Dimension erhalten, die gar nicht nötig ist und ihre Lösung behindern kann.

Das hat wunderbar funktioniert, solange die Brüder und Schwestern unter sich waren und alles selbst machten. Jetzt sind die Gemeinschaften neu gemischt. Sie enthalten auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die durchaus – nicht alle – teilweise spirituell unterwegs und religiös geprägt sind. Sie sind verpflichtet, ihre Aufgaben erledigen zu können und gehen – selbstverständlich – mit Alltagsfragen viel rationaler um – etwa mit dem Glühbirnenwechsel.

Abt Peter von Sury und Mariano Tschuor
Abt Peter von Sury und Mariano Tschuor

Fordern Sie die Ordensleute also auf, loszulassen?

Tschuor: Ich bitte sie, die Sachen manchmal einfach anzuschauen als das, was sie tatsächlich sind. Aber ja, loslassen ist ein Schlüsselbegriff. Andere Menschen befähigen, ihre Arbeit weiterzuführen. Da kommt mir das Bild der Bauernfamilie in den Sinn. Die alte Bäuerin und der alte Bauer tun sich auch heute noch schwer, ins Stöckli rüber zu ziehen und den Bauernhof den Jungen zu überlassen.

«Ich bin einen anderen Arbeitsrhythmus gewohnt.»

Ich habe bei Ihnen eine gewisse Ungeduld gespürt.

Tschuor: Das hat mit mir persönlich zu tun. Ich bin ein ungeduldiger Mensch.

Sind Ihnen die Mönche manchmal einfach zu langsam?

Tschuor: Ja, aus meiner Perspektive schon. Aber das hat mit meiner Persönlichkeit zu tun, nicht mit ihnen. Ich bin ungeduldig.

Das heisst nicht, dass Sie in Mariastein den Bettel hinwerfen?

Tschuor: Nein, warum auch? Ich bin einen anderen Arbeitsrhythmus gewohnt. Ich komme aus der Medienbranche. Da musste zur geplanten Zeit die Sendung stehen, sonst hätte es hie und da im Fernsehen einfach nur noch geflimmert und im Radio gerauscht.

*Mariano Tschuor (1958) hat Anfang 2019 die Projektleitung von «Aufbruch ins Weite – Mariastein 2025» im gleichnamigen Kloster im Solothurnischen übernommen. Zuvor war er Journalist und Kadermann bei der SRG SSR.

Kommunikation in der Kloster-Transformation

Die Kommunikation sei gerade in einem Transformationsprozess sehr wichtig, sagte Mariano Tschuor an seinem Vortrag «Aufbruch ins Weite – Mariastein 2025. Transformation und Neuausrichtung» an der Tagung «Zukunft der Klöster» an der Universität Luzern. Organisiert hatten diese die Inländische Mission und die Theologische Fakultät. Die Kommunikation und der Austausch innerhalb des Klosters müssten subtil und verständnisvoll geschehen, sagte Mariano Tschuor. Dabei könnten die benediktinische Kultur des Abwartens und Sich-Abfindens auf die zivile Kultur der Auseinandersetzungen und Diskussionen prallen. Die Kommunikation gegen aussen hingegen müsse erklärend und einordnend geschehen. Den Menschen müssten die Haltungen und Überzeugungen von Mönchsgemeinschaften verständlich vermittelt werden. (rp)


Mariano Tschuor war der letzte Präsident der Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. | © Vera Rüttimann
17. September 2022 | 12:32
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