Manuel Arn hat ALS, gibt das Leben aber nicht auf.
Schweiz

Manuel Arn – «Ich lebe gern und vertraue auf Gottes Kraft»

Jährlich findet am 14. Oktober der Welthospiztag statt. Auch in der Schweiz gibt es verschiedene Anlässe dazu. In Brugg AG befasste sich eine vom Verein Palliative Aargau und dem Hospiz Aargau organisierte Veranstaltung mit der chronischen Nervenkrankheit ALS. An diesem Podium nahm auch der ALS-Betroffene Manuel Arn teil.

Sarah Stutte

Worüber wurde am Podiumsgespräch zum Welthospiztag in Brugg diskutiert?

Manuel Arn*: Wir haben uns zuerst den Spielfilm «Hin und weg» angeschaut. Dieser handelt von einem ALS-Erkrankten, der mittels Sterbehilfe aus dem Leben scheiden will. Er lebt schon längere Zeit mit der Diagnose und plant nun, bei einer letzten gemeinsamen Velotour durch Belgien seine Freunde und Lebenspartnerin in sein Vorhaben einzuweihen.

«Man muss lernen, mit der Krankheit umzugehen.»

Im Nachgang haben wir uns über den Film unterhalten. Am Podium nahmen, neben mir als ALS-Betroffener und Vorstandsmitglied des Vereins ALS Schweiz noch zwei Personen teil, die ihnen nahestehende, an ALS erkrankte Personen, begleitet haben. Diese Menschen sind mit EXIT aus dem Leben geschieden. Auch eine professionelle ALS-Pflegerin gab als Fachfrau Auskunft.

Was ist ALS für eine Krankheit und wie ist der Verlauf?

Arn: Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine chronische, schwere Erkrankung des Nervensystems. Es werden dabei zunehmend vor allem motorische Nervenzellen geschädigt – also Nervenzellen, die für die Kontrolle und Steuerung von Muskeln und Bewegungen zuständig sind. Die Krankheit ist unheilbar und nicht therapierbar. Damit muss man lernen, umzugehen.

Manuel Arn lebt nun bewusster als vorher, sagt er.
Manuel Arn lebt nun bewusster als vorher, sagt er.

Im Verlauf der Krankheit gibt es Lähmungen im ganzen Körper. Bei einigen Patientinnen und Patienten kann ALS die Atemwege stärker beeinträchtigen. Die Krankheit führt oftmals innerhalb weniger Jahre zum Tod. Es gibt seltene Fälle, die einen sehr langsamen Verlauf zeigen. Ich lebe schon fast zehn Jahre mit dieser Erkrankung.

Wie hat sich bei Ihnen die Krankheit bemerkbar gemacht und wann?

Arn: Erste Symptome haben sich bei mir 2013 gezeigt, im linken Fuss. Ich hatte einige Stürze, die unerklärlich waren. Erst dann bin ich zum Arzt gegangen. Zuerst wurde eine Abklärung wegen Multiple Sklerose gemacht, das Ergebnis war negativ. Darauf folgten weitere neurologische Tests.

«Ich bin in einen Tiefschlaf gefallen.»

In dieser Zeit nahmen die Symptome bei mir zu, die sich in Form einer grossen Müdigkeit und Erschöpfung zeigten. Ich war Maschinenmechaniker und bin oft im Bus nach der Arbeit nach Hause gefahren und während dieser Fahrt in einen Tiefschlaf gefallen. Im September 2014 bekam ich dann die Diagnose ALS.

Wie gehen Sie persönlich mit Ihrer Krankheit um?

Arn: Am Podium wurde ich gefragt, ob ich selbst auch schon einmal über den Freitod nachgedacht habe. Aber ich muss sagen, dass ich für mich andere Wege gefunden habe, mit der Krankheit umzugehen. Im Moment kommt es für mich nicht infrage, so aus dem Leben scheiden zu wollen. Ich lebe gern. Ich konnte für mich eine gute Lebensqualität schaffen, die mir viel Freude und Frieden schenkt.

Machen Sie sich denn Gedanken über den Tod?

Arn: Ich habe bisher keine Erfahrungen mit dem Tod, dem Sterben und der Trauerarbeit machen müssen. Von meinem Charakter her bin ich nicht jemand, der seine Gefühle nach aussen trägt. Ich war äusserlich gefasst, als ich die Diagnose bekam. Aber innerlich habe ich einen starken Frust und eine grosse Trauer sowie eine Angst vor dem Sterben verspürt.

"Ich konnte für mich eine gute Lebensqualität schaffen, die mir viel Freude und Frieden schenkt", so Manuel Arn.
"Ich konnte für mich eine gute Lebensqualität schaffen, die mir viel Freude und Frieden schenkt", so Manuel Arn.

Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich früher die Chance des Lebens nicht gut genutzt habe. Das ist heute anders. Heute bin ich mir dem Sterben bewusst, widme mich aber dem Leben. Ich fühle mich sehr verbunden mit Gott und geführt durch Gottes Hand. Ich vertraue seiner Kraft und das gibt mir eine Ruhe zum Leben.

Gab es einen bestimmten Moment, der dieses Umdenken bewirkt hat?

Arn: Ja, den gab es. 2017 hatte ich eine starke Lungenentzündung und kam zur Behandlung ins Spital. Eine Lungenentzündung ist sehr schlimm für einen ALS-Patienten und kann auch zum Tod führen. Ich hatte also eine ganz schwierige Zeit im Spital und Angst vor dem Sterben.

«Ich verurteile nicht, aber befürworte auch nicht.»

Dann habe ich aber plötzlich das Gefühl bekommen eines inneren Aufrichtens. Das war wie eine Erlösung von der Todesangst. Ich war mir auf einmal sicher, dass mir nichts Schlimmes passieren kann.

Können Sie verstehen, dass jemand den Weg des selbstbestimmten Tods wählt?

Arn:  Die Kunst im Leben ist, jeden Menschen und seinen Willen zu verstehen. Ich verurteile nicht, aber befürworte auch nicht. Ich kann also nicht beurteilen, ob dieser Weg der richtige ist. Für mich persönlich ist er es bis jetzt nicht. Ich möchte gerne meinen Weg weitergehen und schauen, was kommt. Am Schluss muss das jede und jeder für sich selbst herausfinden. Wir können diese Entscheidung nicht für andere treffen.

Manuel Arn vertraut auf Gottes Kraft, sagt er.
Manuel Arn vertraut auf Gottes Kraft, sagt er.

Welche Bedeutung hat der Welthospiztag für Sie?

Arn: Hospize sind wichtig für Menschen, die diese benötigen. Sie werden mit mehr Personal geführt, als in einem Spital, mit sehr viel Nähe und Offenheit. Die Stadt Biel, in der ich lebe, sucht derzeit auch eine geeignete Liegenschaft für ein Hospiz. Es ist wertvoll, dass diese Hospize in vielen Regionen der Schweiz realisiert werden können.

*Manuel Arn (52) ist ALS-Betroffener. Er engagiert sich im Vorstand des Vereins ALS Schweiz, ist Vater zweier Söhne und wohnt in Biel.


Manuel Arn hat ALS, gibt das Leben aber nicht auf. | © YouTube
15. Oktober 2023 | 18:00
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