Der Jugendarbeiter massierte gerne junge Frauen - Jugendliche und Angestellte.
Story der Woche

Manipulation und Massagen: Jugendarbeiter darf vorerst nicht mehr als Unihockey-Trainer tätig sein

Frauen aus der Schweiz und Deutschland werfen einem katholischen Jugendarbeiter und Unihockey-Trainer Machtmissbrauch vor. Es geht um Massagen, Hamam-Besuche – und fragwürdige BH-Regeln. Frauen aus der Jugendarbeit und eine Sportlerin erstatteten Anzeige. Nun darf er zwei Jahre keine Frauen mehr trainieren.

Jacqueline Straub und Raphael Rauch*

Der Missbrauchskomplex der katholischen Kirche ist voller Abgründe. Er betrifft nicht nur Priester der Vergangenheit, sondern auch Menschen der Gegenwart. Menschen wie Peter. 

Peter, der anders heisst, ist kreativ, charismatisch, sprudelt vor Ideen. Er arbeitet als Jugendarbeiter für die reformierte sowie die katholische Kirche. Als Trainer im Unihockey für Frauen-Mannschaften ist er ebenfalls aktiv. 2021 kündigte er bei der katholischen Kirche Knall auf Fall.

Die Staatsanwaltschaft prüfte Vorwürfe gegen den Jugendarbeiter
Die Staatsanwaltschaft prüfte Vorwürfe gegen den Jugendarbeiter

Recherchen zeigen: Mit diesem Schritt kam er einem Rausschmiss zuvor. Frauen warfen ihm Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch vor. Die Staatsanwaltschaft prüfte Vorwürfe wegen sexueller Handlungen mit Abhängigen – am Ende konnte man ihm strafrechtlich jedoch nichts Relevantes nachweisen. Die Stadtpolizei Zürich hat insgesamt elf Frauen vernommen.

Beschwerde bei Swiss Sport Integrity

Da Peter auch als Unihockey-Trainer tätig war, ging eine Beschwerde bei Swiss Sport Integrity ein. Die Organisation kümmert sich um Fairness im Sport und untersucht Regelverstösse – von Doping bis zu sexueller Belästigung.

Der Jugendarbeiter und Unihockey-Trainer soll eine BH-Regel aufgestellt haben.
Der Jugendarbeiter und Unihockey-Trainer soll eine BH-Regel aufgestellt haben.

Eine Sportlerin sagt gegenüber kath.ch über Peter: «Er verbot uns Sport-BHs zum Hineinschlüpfen. Unsere BHs sollten schnell zu öffnen sein. Damit er uns direkt ausziehen und massieren kann.»

Der Beschuldigte widerspricht gegenüber SonntagsBlick: «An eine Aussage bezüglich Sport-BHs mag ich mich beim besten Willen nicht erinnern und ich kann mir nicht vorstellen, das so gesagt zu haben.» Eine andere Spielerin berichtet, der ehemalige Trainer habe sie aufgefordert, ihn zu massieren. Sie habe mitgemacht, weil sie unbedingt nominiert werden wollte.

Psychologisches Coaching und 3500 Franken

Inzwischen hat Swiss Sport Integrity reagiert. Die Meldestelle bestätigt, eine Einigung mit dem Unihockey-Trainer erzielt zu haben – eine Möglichkeit, um das Verfahren abzukürzen. Details wollte Swiss Sport Integrity nicht kommunizieren. Nach Informationen von kath.ch und «SonntagsBlick» ist Peter nun für zwei Jahre gesperrt: Seit dem 14. September darf er keine weiblichen Personen trainieren oder als deren Teammanager tätig sein. Zudem muss er auf eigene Kosten 25 Lektionen eines psychologischen Coachings absolvieren und 3500 Franken zahlen.

Anrüchige Nachricht: "Du hast heute morgen wie frisch gevögelt ausgesehen."
Anrüchige Nachricht: "Du hast heute morgen wie frisch gevögelt ausgesehen."

Aber auch als kirchlicher Jugendarbeiter soll Peter seine Machtposition ausgenutzt haben. Als er im Februar 2020 mit Jugendlichen nach Spanien und Marokko reiste, soll er eine Jugendliche am nackten Oberkörper massiert haben. Laut einem Dokument der Zürcher Staatsanwaltschaft berichtete die damals 16-Jährige, Peter habe gesagt, «es wäre für die Massage besser, wenn sie ihren BH ablegen würde. (…) Als der Beschuldigte sie massiert habe, habe er eine ihrer Brüste einmal zur Seite gedrückt und ihren Brustkorb neben der Brust massiert.»

Nähe-Distanz-Problem

Peter bewegte sich in einer Grauzone. Er verstiess gegen Nähe-Distanz-Grundsätze, die in der Jugendarbeit gelten. Strafrechtlich blieb sein Verhalten aber ohne Konsequenzen. Laut Staatsanwaltschaft übte er weder Gewalt noch sprach er Drohung aus; daher könne nicht von einer Nötigung ausgegangen werden.

Nachrichten des Jugendarbeiters an eine Angestellte - ihr war das sehr unangenehm
Nachrichten des Jugendarbeiters an eine Angestellte - ihr war das sehr unangenehm

Auch als Jugendarbeiter verhielt sich Peter auffällig. Er massierte Frauen, die ihm unterstellt waren, in den Büroräumlichkeiten. Auch abends schrieb der Jugendarbeiter teilweise Anrüchiges. So fragte er eine Frau auf WhatsApp: «Wo bisch am ume bümsle?» Berufliche Gespräche fanden oft in Bars statt, es floss Alkohol. Bisweilen ging es auch in einen Hamam, ein türkisches Bad.

Bei einer anderen Mitarbeiterin schrieb der Jugendarbeiter viel von Hamam
Bei einer anderen Mitarbeiterin schrieb der Jugendarbeiter viel von Hamam

Und weshalb haben die Frauen sich nicht gewehrt? «Ich wünschte, ich wäre stärker gewesen und hätte Nein gesagt», sagt eine Betroffene gegenüber kath.ch, die später doch noch Anzeige einreichte. Da aber war die Frist verstrichen: Innert drei Monate hätte sie die sexuelle Belästigung bei der Polizei melden müssen. «Ich habe weit mehr als drei Monate gebraucht, um zu realisieren, dass ich ein Opfer seiner Manipulation geworden bin.»

Peter räumt gegenüber SonntagsBlick ein: «Ich habe Fehler gemacht, auch wenn nicht alle Vorwürfe zutreffen. Ich hatte ein Nähe-Distanz-Problem und nehme professionelle Hilfe in Anspruch.» Dann fügt er noch hinzu: «Ich bitte alle, die ich verletzt habe, um Entschuldigung.»

* Die Recherche fand in Zusammenarbeit mit dem «SonntagsBlick» statt.

Anpassung am 9. Oktober 2023, 11.20 Uhr: Der zweitletzte Absatz wurde auf Verlangen des Verbands röm.-kath. Kirchgemeinden (Stadt Zürich) gestrichen. (jas)


Der Jugendarbeiter massierte gerne junge Frauen – Jugendliche und Angestellte. | © Pexels
8. Oktober 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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