Universität Luzern
Schweiz

Luzern: Protest gegen Auslagerung von Priesterausbildung nach Deutschland

Luzern, 15.4.16 (kath.ch) Das Bistum Basel will laut Theologie-Professoren künftig seine Priesteramtskandidaten in Freiburg i.Br. ausbilden lassen. Stephan Leimgruber, Spiritual des Bistums, und Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte in Luzern, reagieren mit Unverständnis. Sie befürchten eine Schwächung der Theologischen Fakultäten in der Deutschschweiz und bedauern, dass keine einheitliche Deutschschweizer Lösung für die Priesterausbildung gefunden werden könne. Eine Stellungnahme des Bistums Basel zur Sachlage steht noch aus.

Georges Scherrer

Offenbar ist es gemäss Ries und Leimgruber nicht möglich, die Deutschschweizer Priesteramtskandidaten in einem gemeinsamen Priesterseminar auszubilden, das von den Bistümern St. Gallen, Chur, Basel und den deutschsprachigen Teilen von Freiburg und dem Wallis getragen wird. «Man hat es versucht, aber es gibt interdiözesane Kommunikationsbarrieren und verschiedene Vorstellungen über die Zukunft der Kirche», sagte Stephan Leimgruber, emeritierter Professor in Paderborn und München, heute geistlicher Begleiter der Theologiestudierenden im Bistum Basel, gegenüber kath.ch

Der Entscheid für Freiburg im Breisgau basiere auf bisherigen Kooperationen zwischen den Diözesen Strassburg, Freiburg und Basel. Leimgruber weist darauf hin, dass es bereits eine Zusammenarbeit  mit Freiburg i. Br. gibt.

Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte in Luzern, meint, dass die Bistümer unterschiedlich aufgestellt seien: In Chur, Freiburg und Luzern gebe es je eine Theologische Fakultät, nicht aber in Sitten und in St. Gallen.

Röstigraben auch in der Kirche

Die Theologie-Professoren haben den Vorschlag für ein gesamtschweizerisches, sprachüberregionales Priesterseminar eingebracht, an dem sich alle Bistümer beteiligen, um der sinkenden Zahl der Priesteramtskandidaten bei der Priesterausbildung gerecht zu werden. Dies läge eigentlich auf der Hand, sagt Leimgruber. «Das ist unser Vorschlag, aber vor uns haben das auch schon andere gedacht.» Für eine derartige Lösung brauche aber die katholische Kirche Schweiz «eine bessere interdiözesane Kommunikationskultur und Kooperation».

An einer gesamtschweizerischen Lösung werde schon seit langem überlegt. Gründe für die Inkompatibilität würden in den verschiedenen Sprachen und Kulturen liegen, erklärt Leimgruber. Die italienische Schweiz orientiert sich eher nach Italien, die französischsprechende Schweiz eher nach Frankreich und die deutsche Schweiz eher nach Deutschland. «Es gibt offenbar auch in den Kirchen einen Röstigraben.» Die grössten Hindernisse für eine Zusammenlegung entstehen aus der Sicht von Ries aus den ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Bistümer ihre Seelsorgenden gewinnen müssen.

Einwurzelung in Kirche Schweiz ginge verloren

Mit der Auslagerung der Priesterausbildung nach Freiburg i. Br. gehe vor allem die Einwurzelung der Kirche in der Schweiz verloren. Leimgruber: «Es gibt ein sentire cum ecclesia (Fühlen mit der Kirche, die Red.), das kontextbedingt ist.» Die Kirche Schweiz verfüge über gute Seelsorger aus Nigeria und Kerala, doch die kulturellen Konnotationen differieren deutlich.

«Das ist einfach unverantwortlich»

«Wenn ich in China predigen würde, käme das nicht besonders gut heraus. Ich spüre die Nöte, Sorgen und Sehnsüchte dieser Menschen zu wenig», meint der Spiritual des Bistums Basel. Die «Ausweisung der Alumnen» schade zunächst diesen selbst und benachteilige sie, erklärt Ries. Mit einem solchen Vorgehen schwäche man die Priesterausbildung und beschädige das geistliche Amt. «Und das ist einfach unverantwortlich.»

Kompetenzorientierter Lernprozess in Frage gestellt

Die spezielle Form der Kirche Schweiz mit ihrem dualen System mache bei einer Ausbildung im Ausland zusätzliche Kurse hierzulande nötig. Gemäss Leimgruber haben dies die Bischöfe «selbst gewünscht». Ries differenziert: Man könne sich im Deutschen Freiburg genauso gut wissenschaftlich mit dem Schweizer Staatskirchenrecht auseinandersetzen. «Aber wer in der Schweiz studiert, kann es auch erfahren und erleben – und das ist im Blick auf einen aktuell verstandenen, kompetenzorientierten Lernprozess nochmals etwas ganz anders. Es wäre bedenklich, diese Chance allen künftigen Seelsorgenden zu gewähren, aber ausgerechnet die Priesteramtskandidaten davon auszuschliessen.»

Schaden für gesamte Kirche Schweiz

In der Schweiz geraten die Theologischen Fakultäten aufgrund ihrer Grösse und teilweise geringen Studierendenzahlen immer wieder unter Beschuss. Die Auslagerung der Priesterausbildung gibt jenen «ganz klar» Munition, so Leimgruber, welche den Stätten des Theologiestudiums an den Kragen wollen. Die vom Bistum Basel geplante Massnahme schwächt laut Ries «die Kirche in der Schweiz und damit natürlich auch die Theologischen Fakultäten in der Schweiz». Die «Vertreibung der künftigen Priester» dürfte die Schweizer Identität aber genauso wenig beeinträchtigen wie seinerzeit die Vertreibung der Jesuiten.

In Luzern studieren Laientheologen, Laientheologinnen und Priesteramtskandidaten in Tuchfühlung zueinander. «Gemeinsame Studienzeit fördert die spätere Zusammenarbeit in der Pastoral, gegenseitige Abschottung hingegen ist sicher nicht produktiv», warnt der Kirchenhistoriker Ries. Leimgruber sagt dazu: «Nach meinen Erfahrungen tragen Kooperationen aus der Studienzeit und Freundschaften aus diesen Jahren für das ganze Leben. Diese würden weniger.»

60 Priesteramtskandidaten

In Luzern wären gemäss Leimgruber drei Priesteramtsanwärter vom Wegzug nach Freiburg i. Br. betroffen. Priesteramtsanwärter gebe es gesamthaft im Bistum Basel zurzeit zwölf. In der Schweiz würden heute gesamthaft rund sechzig Priesteramtskandidaten gezählt. Das gäbe eine «eine ideale Lerngruppe» für die Schweiz. Das Tessin wird gemäss dem Spiritual viel zu wenig einbezogen, obwohl dort die meisten Priesteramtskandidaten sind.

«Andernfalls drohen sie uns in Luzern als Studierende verloren zu gehen»

In Luzern gibt es Theologiestudenten, die sich auf den Weiheempfang vorbereiten. «Daneben kenne ich einige, deren Entscheidungsprozess erst im Laufe des Studiums zum Abschluss kommt», erklärt Ries. «Wir müssen sie auch künftig nach Kräften auf diesem Weg bestärken, gleichzeitig aber dafür sorgen, dass ihre Berufsabsichten nicht bekannt werden – andernfalls drohen sie uns in Luzern als Studierende verloren zu gehen.»

Es sei Sache des Bistums Basel, wo es seine Priesteramtskandidaten ausbildet, und nicht der Schweizer Bischofskonferenz, sagte deren Sprecher Walter Müller am Freitag, 15. April, auf Anfrage. Leimgruber und Ries werden gemäss eigenen Angaben in der kommenden Woche in der «Schweizerischen Kirchenzeitung» mit einer Protestnote auf die Entwicklung im Bistum Basel hinweisen. Eine Stellungnahme des Bistums Basel zur Sachlage steht noch aus. (gs)

Wohnt ein Medizinstudent im Priesterseminar

Universität Luzern | © Georges Scherrer
15. April 2016 | 14:21
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