Papst Franziskus
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Luther, Ökumene, Weichspüler und Papst Franziskus

Rom, 25.10.17 (kath.ch) Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, früherer Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, hat sich gegen eine weichgespülte Ökumene gewandt. Was als Reformation Martin Luthers bezeichnet werde, sei in Wirklichkeit eine Revolution und «wider den Heiligen Geist» gewesen, schrieb Müller in einem Beitrag für die Internetseite «La Nuova Bussola Quotidiana».

Der Wunsch nach guten Beziehungen zu Nichtkatholiken könne nur das Ziel haben, zur vollen Gemeinschaft mit der katholischen Hierarchie unter Annahme der «apostolischen Überlieferung gemäss der katholischen Lehre» hinzuführen.

In Luthers Absicht habe keineswegs nur der Kampf gegen einige Missbräuche beim Ablass oder gegen «Sünden der Renaissancekirche» gelegen, so Müller. Aus seinen Schriften werde «absolut klar, dass Luther sämtliche Prinzipien des katholischen Glaubens hinter sich gelassen hat». So habe er die «objektive Wirksamkeit der Sakramente durch einen subjektiven Glauben ersetzt». Die Abschaffung von fünf Sakramenten, die Leugnung der Eucharistie und die Ämterkritik Luthers bedeuteten, dass man die Reformation nicht als «Kirchenreform im katholischen Sinn» bezeichnen könne.

Es werde vielfach «zu enthusiastisch» von Luther gesprochen, schrieb Müller. Grund dafür sei eine Unkenntnis der Theologie Luthers, seiner Polemik und der «desaströsen Folgen dieser Bewegung, die für Millionen Christen die Zerstörung der Einheit mit der katholischen Kirche bedeutete».

Papst Franziskus ist ein «Erbe Luthers»

Der evangelikale Theologe Thomas Schirrmacher hat Papst Franziskus einen «echten Erben Luthers» genannt. «Papst Franziskus ist ein Mann der Bibel. Er schlägt sie auf und liest direkt die Botschaft aus dem Text. Er hat da einen ganz unmittelbaren Zugang.

Das macht ihn zu einem echten Erben Luthers», sagte der stellvertretende Generalsekretär und Cheftheologe der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) der «Zeit»-Beilage «Christ & Welt» von Donnerstag. Bibelkritik sei nicht dieses Papstes Sache, so Schirrmacher. Mit traditionellen Positionen gerate er oft in Konflikt.

Der Theologe ist nach eigenen Angaben mit Franziskus befreundet; man duze sich. «Die wichtigsten Kirchenvertreter haben heute einen heissen Draht zum Papst», sagte er. An diesem Punkt habe Franziskus «sozusagen den Normalzustand» hergestellt. Mit früheren Päpsten sei eine solche Direktheit nicht denkbar gewesen, die sei jedoch «ein Schlüssel für die Ökumene und für das Verhältnis der Religionen miteinander» sei.

Der «sündigste» Ort

Schirrmacher betonte, er bewundere Franziskus, «weil er etwas versucht, was eigentlich nicht funktionieren kann. Er hat die Kurie als den sündigsten und korruptesten Ort der Welt bezeichnet und dabei fast die Worte Martin Luthers vor 500 Jahren gewählt.» Besorgt zeigte sich Schirrmacher über die konservative Kritik am Papst aus den eigenen Reihen und erklärte: «Es wird heute offen darüber debattiert, welche Widerstandsmöglichkeiten es gegen den Papst gibt. Für einen Protestanten wirkt das nicht mehr besonders katholisch. Noch tut der Vatikan so, als sei das eine kleine Minderheit, die auf Konfrontation geht. Das ist aber keine Minderheit mehr.»

Mit dem Dogma der Unfehlbarkeit könne der Papst «überhaupt nichts anfangen», führte Schirrmacher weiter aus. «Er ist wirklich bereit, an die Schmerzgrenzen seiner Kirche zu gehen.» Franziskus habe sich «gewaltige Feinde» im Vatikan gemacht. Laute Stimmen sprächen ihm das Papstsein bereits ab.

Zerreissproben

Angesprochen auf eine mögliche innere Zerreissprobe der katholischen Kirche sagte Schirrmacher: «Ich weiss vom Papst, dass er diese Sorge hat. Bei der Familiensynode vor zwei Jahren ging es zeitweise schon an den Rand einer Spaltung.» Dennoch habe Franziskus sehr breite Unterstützung auf allen Ebenen, um eine solche Entwicklung zu verhindern.

Mit Blick auf das nächste Konklave meinte der evangelische Theologe: «Franziskus weiss, dass er nicht ewig im Amt sein wird, und lebt in dem Bewusstsein, von Gott eine gewisse Zeit bekommen zu haben, die er so gut wie möglich nutzen will. Er baut für den Tag vor, an dem es zu Ende geht. Für sein Alter ist sein Tagespensum enorm. Manchmal pfeift er aus dem letzten Loch.» Falls es demnächst zu einer Papstwahl käme, wären aus Schirrmachers Sicht «ein Viertel der Wahlberechtigten gute Leute», die den derzeitigen «Kurs der ökumenischen Offenheit» weiterverfolgten. (kna)

Papst Franziskus | © Oliver Sittel
25. Oktober 2017 | 14:53
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