Martin Luther Skulptur in Wittenberg.
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Luther ist für den muslimischen Autor Zaimoglu ein Herzensthema

Köln, 11.3.17 (kath.ch) Sachbücher und Romane rund um die Reformation füllen wohl schon jetzt etliche Regalmeter – und zum 500. Jahrestag kommen noch einige hinzu. Auf vielen prangt das Etikett «Luther-Roman» wie ein Gütesiegel. Nun reiht sich ein Roman in diese Liste ein, der zunächst vor allem durch den Autor heraussticht: «Evangelio» von Feridun Zaimoglu. 

Ein renommierter, im protestantischen Kiel lebender Schriftsteller mit muslimischem Hintergrund blickt auf eine Hauptfigur des Protestantismus – und das aus der Erzählperspektive eines katholischen Landsknechts. Diese Grundkonstellation des Buchs weitet die ökumenische Perspektive in einem Buch über den Reformator Martin Luther gewissermaßen zum interreligiösen Dialog.

In der «Seelensprache» gecchrieben

20 Mal habe er Luthers Bibelübersetzung gelesen, sagte Zaimoglu der «Stuttgarter Zeitung». Er schätze daran vor allem «ihr kräftiges, gutes Deutsch». Für ihn selbst, den in der Türkei geborenen Sprachakrobaten, sei Deutsch «eine Seelensprache». Wenn er intensiv und ehrlich schreiben wolle, könne er «nicht anders, als es auf Deutsch zu machen», ergänzte der 52-Jährige kürzlich im Deutschlandfunk. Es ist womöglich kein Zufall, wenn mancher Hörer sich da an den berühmten, Luther zugeschriebenen Ausspruch «hier stehe ich, ich kann nicht anders» erinnert fühlte.

Luther ist für ihn laut eigenem Bekunden ein Herzensthema. Mit zwölf Jahren habe er dessen Bibelübersetzung erstmals gelesen. Verstanden habe er «natürlich weniger als ein Drittel», doch er habe gespürt, dass das Wort hier «auch ein Ausdruck der Heiligkeit des Heilands» sei. Aus Zaimoglus Mund klingt das nicht hochtrabend, sondern geschliffen. Auch in «Evangelio» stellt er seine Wortgewalt unter Beweis.

Wunsch nach inhaltlicher Auseinandersetzung

Zaimoglu schreibt keine Schachtelsätze und benutzt kaum Fremdworte. Seine Sprache zeichnet sich durch prägnante Beschreibungen aus, durch manche Wortneuschöpfung, vor allem aber eine Wiederbelebung von alten deutschen Worten, die selten geworden sind. Dieser einzigartige Stil zieht den Leser in den Sog der Geschichte, zu deren Beginn Luther auf die Wartburg gebracht worden ist. Hier übersetzt er die Bibel, sieht sich aber auch Anfechtungen ausgesetzt – und kämpft gegen seine Teufelsvisionen.

Es gibt nur den schönen Gott, und alles andere ist Blödsinn.

Die Begeisterung für das Thema verleitet den Autor keineswegs zu Lobhudelei. Im Gegenteil: Es gelte, Luther als Menschen seiner Zeit zu sehen und ihn nicht «kritiklos zu einer Heiligenfigur zu erklären», sagte Zaimoglu der Zeitung. Zum Reformationsgedenken wünsche er sich vor allem eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Luther. Auch jenseits des Jubeljahres betont er, was noch zu tun ist: «Wichtig ist, dass wir Muslime uns tatsächlich unseren Brüdern und Schwestern in den Kirchen zuwenden», sagte er einmal der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). «Es gibt nur den schönen Gott, und alles andere ist Blödsinn.»

Sprache und Glaube sind prägende Themen in Zaimoglus Werk. Mit «Kanak Sprak» machte er sich 1995 einen Namen als Underground-Autor. Die titelgebende Wortneuschöpfung wurde zum Fachbegriff für einen bestimmten Jargon unter Migranten: eine umgangssprachliche Mischung aus Türkisch, Deutsch und Englisch. Spätere Romane wie «Leyla» (2006) und «Liebesbrand» (2008) gewannen Literaturpreise; Zaimoglu tritt regelmässig auf der Buchmesse auf und ist ein gefragter Interviewpartner. (kna)

Martin Luther Skulptur in Wittenberg. | © Martin Jehnichen/KNA | © KNA
11. März 2017 | 10:07
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