Gerald Hochschild vor dem Konvent der Benediktiner in Sarnen OW
Story der Woche

Ex-Benediktiner verklagt Kloster Muri-Gries

Gerald Hochschild (65) war Benediktiner des Klosters Muri-Gries. Nun hat er beim Kantonsgericht Obwalden Zivilklage eingereicht. Er verlangt Nachzahlung. Das Kloster habe keine angemessene Altersvorsorge gewährt, seine Laisierung verhindert und ihn damit wirtschaftlich schwer geschädigt.

Regula Pfeifer

Gerald Hochschild empfängt kath.ch in Sarnen. Nach einem kurzen Spaziergang zeigt er auf die Gebäude des Benediktinerpriorats. Hier habe er jeweils Ferien verbracht, erzählt er mit sanfter Stimme. Das war von 1985 bis 1999, während seiner Zeit als Ordensmann.

Noviz im Kloster Muri-Gries in Bozen

Damals lebte er erst als Noviz im Kloster in Bozen, danach im Priesterseminar in Brixen, wo er Theologie studierte und 1993 zum Priester geweiht wurde. Danach lebte er in Rom, für sein Kirchenrechtsstudium an der Universität Gregoriana.

Vorlesung an der Päpstlichen Universität Gregoriana, in Rom am 12. Juni 2019.
Vorlesung an der Päpstlichen Universität Gregoriana, in Rom am 12. Juni 2019.

Der ehemalige Benediktiner zeigt auf einen versperrten Zugang. Hierdurch führt ein Weg durchs Areal des Kollegiums Sarnen. Gerald Hochschild findet: Das versinnbildliche die Verschlossenheit, die bei den Benediktinern hier vorherrsche.

Heirat und Vaterschaft

Der Konflikt belastet ihn, wie Gerald Hochschild mehrmals sagt. «Ich habe mich für einen anderen Lebensweg entschieden», sagt er später beim Gespräch in einem örtlichen Café. Hochschild hat 2010 geheiratet und betreut nun seinen siebenjährigen Sohn. Seine Frau arbeite Vollzeit, doch das Geld sei sehr knapp, sagt Gerald Hochschild. Deshalb wehrt er sich und meint: «Es ging und geht um meine Existenz und darum, dass ich leben kann.»

Gerald Hochschild vor dem versperrten Zugang zum Kollegium Sarnen
Gerald Hochschild vor dem versperrten Zugang zum Kollegium Sarnen

Minime Altersvorsorge

Bereits zurückerhalten hat er das Elternhaus im Nachbardorf Kerns, das er mit Beginn der Profess abgeben musste. Auch AHV-Beiträge leistete das Kloster, nach Aufforderung durch den Ex-Benediktiner. Doch das ergebe eine unter dem Minimum liegende Rente, heisst es in der Klageschrift, die kath.ch vorliegt. Andere Orden bewiesen eine viel grosszügigere Sorge, sagt Hochschild und nennt die Kapuziner und Jesuiten. Das Kloster Muri-Gries hingegen ging offenbar davon aus, die Angelegenheit Hochschild sei nun erledigt.

Doch der Innerschweizer und sein Anwalt sehen das anders. Denn Gerald Hochschild fand nach seinem Ordensaustritt keine Anstellung – bis zu seiner Pensionierung im letzten November. Auch seine Versuche, sich als Autor oder Heiler selbstständig zu machen, zeitigten keinen wirtschaftlichen Erfolg.

Benno Malfèr (Mitte) war 2016 25 Jahre Abt von Muri-Gries. An der Feier waren auch Abt Christian Meyer (ganz links) und Bischof Felix Gmür (2.v.r)
Benno Malfèr (Mitte) war 2016 25 Jahre Abt von Muri-Gries. An der Feier waren auch Abt Christian Meyer (ganz links) und Bischof Felix Gmür (2.v.r)

Schuld an seiner Erwerbslosigkeit ist – aus Sicht des Betroffenen – das Kloster. Gerald Hochschild stellte 2006 ein Gesuch um Laisierung und Dispens von der Zölibatsverpflichtung. Doch der damalige Abt Benno Malfèr habe dieses jahrelang aufgeschoben, sagt Hochschild. Der nachfolgende Abt, Beda Szucics, habe ebenfalls jeglichen Handlungsbedarf bestritten.

Keine Dispens, kein Job

Infolgedessen habe er keine Anstellung in der Kirche finden können, sagt Hochschild, bis zu seiner Pensionierung im letzten November. Dabei hätte er «beste Ausbildung und beste Referenzen» dafür gehabt, als römisch-katholischer Laienseelsorger oder Gemeindeleiter zu arbeiten, heisst es in der Klageschrift.

Doch für eine Mitarbeit fehlte ihm die offizielle Laisierungsbestätigung. Dabei sei eine Mitarbeit von laisierten Priestern auch ein Anliegen der Kirche, sagt Hochschild. Und er erwähnt, dass die Laisierung auch den Weg für eine kirchliche Eheschliessung öffne.

Die Äbte von Muri-Gries aber blieben untätig und vertrösteten ihn immer wieder. Dabei seien sie für die Einreichung des Gesuchs in Rom kirchenrechtlich zuständig, sagt Kirchenrechtler Hochschild. Deshalb versuchte er es im Oktober 2020 schliesslich auf direktem Weg. Er sandte das Gesuch um Dispens und Laisierung direkt an die zuständige vatikanische Kongregation – mit einem Schreiben an Papst Franziskus und an Kardinal Stella. So kam die Sache in Gang – seit dem 24. Februar 2022 hat Gerald Hochschild die Bestätigung aus Rom: Papst Franziskus gewährt ihm «vollumfänglich Dispens vom Zölibat, den Ordensgelübden als auch von Beugestrafen», so die Klageschrift.

1,8 Millionen Franken Einkommen verpasst

Rund 1,8 Millionen Franken an Einkommen habe Gerald Hochschild verpasst – wegen der Dispens-Verhinderung durch das Kloster, rechnet die Klageschrift vor. Dies aufgrund einer angenommenen Lohnbasis von 112’000 Franken, die Hochschild als Seelsorger hätte erzielen können. Mindestens die Hälfte davon soll das Kloster dem Kläger zahlen. Zusätzlich verlangt die Klageschrift rund 300’000 Franken für den Vorsorgeausfall.

«Nach 20 Jahren unfruchtbarer Vergleichsverhandlungen, deren Korrespondenz zwei Kilogramm wiegt, möchte ich die Sache jetzt einfach abschliessen», sagt Gerald Hochschild. Er hofft, dies mit dem Gerichtsverfahren zu erreichen.

Gerald Hochschild ist enttäuscht von den Benediktinern in Sarnen - hier vor dem Kollegium Sarnen
Gerald Hochschild ist enttäuscht von den Benediktinern in Sarnen - hier vor dem Kollegium Sarnen

Inzwischen verzögert sich die Angelegenheit weiter. Denn der Ökonom des Klosters Muri-Gries, der im Priorat in Sarnen lebende Paul Schneider, bestreitet mittels Anwalt, der richtige Adressat der Klage zu sein. «Die Beklagte existiert unseres Erachtens gar nicht mehr», heisst es darin. Auch dieses Schreiben liegt kath.ch vor. Argumentiert wird mit der Auflösung des Klosters Muri durch den Kanton Aargau im 19. Jahrhundert.

Kloster äussert sich nicht

Zum Konflikt will sich der Klosterökonom Paul Schneider auf Anfrage von kath.ch nicht äussern. «Wir äussern uns nicht zu laufenden Gerichtsfällen», sagt er.

Gerald Hochschild hat schon mehrfach Absagen und Ablehnung seitens des Klosterökonomen erlebt. Das versteht er nicht. Dieser habe doch in seiner Publikation «Ordensarmut und soziale Sicherheit» geschrieben, austretende Ordensleute hätten ein Grundrecht auf Altersvorsorge – und zwar nicht auf eine minimale, sondern auf eine, die ein angemessenes und würdevolles Leben gestatte.

Kloster Muri-Gries in früheren Jahren
Kloster Muri-Gries in früheren Jahren

Dies sieht Gerald Hochschild nicht gegeben. Und er setzt sich für dieses Recht nun eben vor dem Kantonsgericht Obwalden ein. Der Gerichtstermin ist noch nicht festgelegt.

Es gehe nicht an, ausgetretene Ordensleute ihrem Schicksal zu überlassen, findet Gerald Hochschild. «Die christliche Nächstenliebe und Soziallehre machen vor einer Klosterpforte nicht Halt.»

Tipp an junge Klosterinteressierte

Und was würde er jungen Menschen empfehlen, die sich ein Leben im Kloster überlegen? «Ich würde mich auf jeden Fall gut informieren, wie der Orden und das Kloster die wirtschaftlichen Fragen bei einem Klosteraustritt regeln und ob sie umfangreich Sorge dafür tragen», sagt er. Denn: «Über die wirtschaftliche Situation können Macht ausgeübt und Abhängigkeiten geschaffen werden.»

Von Mobbing bis Austritt

Dass Gerald Hochschild aus dem Kloster austreten wollte, kam nicht von ungefähr. Auf acht Seiten beschreibt der ehemalige Mönch seinen Austrittskonflikt mit der Abtei Muri-Gries. Beschrieben sind Szenen, die auf Mobbing hinweisen, was Hochschild auch so benennt. Eine Gruppe Benediktiner im Kloster Muri-Gries habe sich ihm gegenüber wiederholt feindselig verhalten. Diese Gruppe habe dann Benno Malfèr zum Abt portiert. Das habe die Sache verschlimmert, der Abt habe ihn terrorisiert.

Gerald Hochschild zeigt auf ein Fenster im Kollegium in Sarnen. Dort sei er eines Tages vom Abt verbal fertig gemacht worden. Auch einen geistlichen Übergriff beschreibt Gerald Hochschild: Der Novizenmeister habe ihn in einem Kellerraum mit einer Meditation über die Berufung des Samuels konfrontiert. Diese Erlebnisse verletzten den damals jungen Ordensmann und griffen ihn gesundheitlich an.

Schliesslich ersuchte er im Vatikan um vorübergehende Exklaustration. Mit Erlaubnis arbeitete er darauf von 2000 bis 2006 als Kaplan und Pfarrverweser in Pfarreien des Bistums Sitten. 2006 stellte er das Gesuch um Dispens und Laisierung. (rp)


Gerald Hochschild vor dem Konvent der Benediktiner in Sarnen OW | © Regula Pfeifer
3. Februar 2023 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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