Kardinal Kurt Koch an einem Gottesdienst 2021 in Rom.
Vatikan

Kurienkardinal Koch vor dem Weltkirchenrat-Treffen: «Krieg ist ein falscher Weg»

Ende August trifft sich der weltweite Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK)* in Karlsruhe zur 11. Vollversammlung. Kurienkardinal Kurt Koch wird die vatikanische Delegation anführen. Er hofft auf weiterführende Gespräche zum Ukrainekrieg und im Nahost-Konflikt.

Severina Bartonitschek

Kardinal Koch, welche Erwartungen haben Sie an die ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe?

Kardinal Kurt Koch: Ich hoffe, dass das Thema dieser Vollversammlung «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt» wirklich zeigen kann, was diese Liebe in unserer Welt und auch unter uns Christen bewegen kann. Ich hoffe, dass das in verschiedenen Aspekten deutlich wird.

«Im Nahen Osten muss eine Zwei-Staaten-Lösung angestrebt werden.»

Pro-Palästina-Demo in Basel, 2021
Pro-Palästina-Demo in Basel, 2021

Ein Aspekt wird sicherlich die geplante gemeinsame Stellungnahme zum Nahostkonflikt sein. Kann das, gerade mit Blick auf die aktuelle Situation, zu Konflikten führen und wird es am Ende zu einer Erklärung kommen?

Koch: Ich hoffe, dass es eine sinnvolle Perspektive geben wird. Auch hier ist wieder das Motto, dass die Liebe Christi versöhnt, eine wichtige Botschaft. Der Heilige Stuhl hat ja immer wieder betont, dass eine Zwei-Staaten-Lösung angestrebt werden muss. An ihr vorbei kann es kaum Frieden und Versöhnung geben. Ich hoffe, dass das wieder in Erinnerung gerufen wird und Wege aufgezeigt werden können, wie dieser schwere Konflikt gelöst werden kann. Beide, Israel und Palästina, haben das Recht zu existieren.

«Deutschland hat mit seiner Geschichte eine besondere Verantwortung.»

Natürlich ist dies eine ganz besondere Herausforderung, weil die Vollversammlung in Deutschland stattfindet und Deutschland mit seiner Geschichte, der gewollten Auslöschung des Judentums, hier eine besondere Verantwortung hat.

Ein weiterer Aspekt könnte der Ukrainekrieg sein. Es sollen Delegierte sowohl aus Russland als auch aus der Ukraine kommen. Glauben Sie, dass es dort fruchtbare Gespräche geben könnte?

Koch: Es gab im Vorfeld die Diskussion, ob die Delegation des russisch-orthodoxen Patriarchats ausgeladen werden soll. Aber der Weltkirchenrat hat entschieden, dass das keine Lösung ist. Die Dialoge, Gespräche und Beziehungen müssen aufrechterhalten werden, sonst kann man gar nichts erreichen.

«Ich hoffe, dass es zu weiterführenden Gesprächen über den Krieg kommt.»

Also ich denke schon, dass dieses Thema präsent sein wird und hoffe, dass es zu weiterführenden Gesprächen über diese schreckliche Wirklichkeit des Krieges in der Ukraine kommt.

«Kyrill hat grosse Spannungen innerhalb der Orthodoxie ausgelöst.»

Es gab zur ÖRK-Vollversammlung auch eine orthodoxe Vorversammlung auf Zypern. Einer Ihrer Mitarbeiter hat daran teilgenommen. Wie war die Stimmung dort?

Koch: Pater Destivelle hat im Ganzen eine positive Erfahrung machen können. Es sei möglich gewesen, offen miteinander zu reden, obwohl es natürlich eine sehr schwierige Situation gewesen ist. Die Position des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill hat auch grosse Spannungen innerhalb der Orthodoxie ausgelöst. Die Orthodoxen versuchen, ihre verschiedenen Positionen klarzumachen, aber trotzdem miteinander im Gespräch zu bleiben.

Papst Franziskus bei seiner Ankunft in Portugal, 2017.
Papst Franziskus bei seiner Ankunft in Portugal, 2017.

Im September reist Papst Franziskus zu einem interreligiösen Kongress nach Kasachstan. Auch Patriarch Kyrill I. hat seine Teilnahme zugesagt. Wird es ein Zusammentreffen der beiden dort geben?

Koch: Ich weiss es nicht. Eine grosse Herausforderung wird sein – das ist die andere Seite, die man respektieren muss –, dass es in der Ukraine als sehr schwierig empfunden werden würde, wenn der Papst zunächst den russisch-orthodoxen Patriarchen trifft, bevor er die Ukraine besucht hat.

Halten Sie denn eine Begegnung zwischen Franziskus und Kyrill grundsätzlich für sinnvoll?

Koch: Ich denke, sie wäre dann sinnvoll, wenn es zu einer gemeinsamen klaren Stellungnahme kommen könnte, dass dieser sinnlose und grausame Krieg endlich beendet würde.

«Wir haben momentan keinen theologischen Dialog mit Moskau.»

Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland.
Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland.

Wie geht es überhaupt weiter mit dem Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche? Kann Kyrill noch Gesprächspartner sein?

Koch: Die orthodoxen Kirchen haben entschieden, dass der theologische Dialog zwischen ihnen und der katholischen Kirche nur multilateral, nicht bilateral geführt wird. An diesem internationalen Dialog nimmt das russisch-orthodoxe Patriarchat nicht mehr teil, seit der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. die Autokephalie, die kirchenrechtliche Unabhängigkeit der orthodoxen Kirche in der Ukraine, erklärt hat. Das betrifft auch unsere Kommission. Deswegen haben wir momentan keinen theologischen Dialog mit Moskau.

«Die Beziehung zur russisch-orthodoxen Kirche ist durch die Position von Patriarch Kyrill getrübt.»

Und über den theologischen Dialog hinaus?

Koch: Wir haben eine bilaterale Beziehung, wie wir sie auch mit anderen orthodoxen Kirchen haben. Diese ist jetzt durch die Position von Patriarch Kyrill zum Krieg in der Ukraine getrübt. Die Positionen sind sehr verschieden, weil für unsere katholische Kirche völlig klar ist, dass ein Krieg niemals eine Lösung ist.

Krieg schafft nur noch grössere Probleme, gerade mit dieser hohen Zahl an Opfern, den vielen Flüchtlingen, den Konsequenzen für die weitere Verschmutzung der Schöpfung und den Hunger in der Welt. Da ist die Position des Heiligen Stuhls klar: Krieg ist ein falscher Weg.

Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kirill I., rechts Kardinal Kurt Koch, 2016.
Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kirill I., rechts Kardinal Kurt Koch, 2016.

«Wir müssen im Dialog bleiben.»

Patriarch Kyrill ist der Überzeugung, dass dieser Weg beschritten werden muss. Da sind die Differenzen einfach sehr gross. Aber wenn wir Wege zur weiteren Verständigung suchen wollen, dann müssen wir im Dialog bleiben. (cic)

* Im ÖRK sind vor allem evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirchen vertreten. Die katholische Kirche hat Gaststatus, sieht sich aber als enger Partner.


Kardinal Kurt Koch an einem Gottesdienst 2021 in Rom. | © KNA
11. August 2022 | 11:40
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