Kritik an EU-Flüchtlingspolitik – «Gipfel der Schande»

 

Berlin/Brüssel, 24.4.15 (kath.ch) Die Ergebnisse des EU-Flüchtlingsgipfels stossen mehrheitlich auf Kritik. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Ende der Beratungen am Donnerstagabend, 24. April, betonte, dass «unser Hauptpunkt war, erst einmal Menschenleben zu retten», sprach die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, am Freitag von einem denkbar mageren Ergebnis.

Neben einer Aufstockung der Mittel für «Triton» verständigten sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel darauf, gegen Schleuserbanden vorzugehen und die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten der Flüchtlinge auszubauen. Außerdem soll die Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedstaaten besser koordiniert werden. Die Bundesregierung bot an, zwei Schiffe der Bundeswehr für die von der EU-Grenzschutzagentur Frontex koordinierte «Triton»-Mission zur Verfügung zu stellen.

Enttäuscht zeigte sich Özogus vor allem darüber, dass es nicht gelungen sei «eine ordentliche Seenotrettung auf die Beine zu stellen». Ähnlich äußerte sich die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, in einem SWR-Interview. Der Sprecher für humanitäre Hilfe der SPD-Fraktion, Frank Schwabe, sagte: «Mit den EU-Beschlüssen ist die nächste Katastrophe vorprogrammiert.» Unions-Fraktionsvize Thomas Strob sprach hingegen von einer «richtigen Antwort Europas».

Misereor: «Geist von Abwehr»

Der Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Martin Bröckelmann-Simon, sagte, die Beschlüsse atmeten weiterhin einen «Geist von Abwehr, der den Ursachen von Flucht und Migration nicht gerecht wird». Andere Hilfsorganisationen wie «Ärzte ohne Grenzen» und «terre des hommes» warfen den Verantwortlichen in der EU vor, sie konzentrierten sich zu sehr auf den Kampf gegen Schleuser und zu wenig auf die Rettung von Flüchtlingen.

Pro Asyl nannte das Spitzentreffen in Brüssel einen «Gipfel der Schande». Amnesty International sprach von einer verpassten Chance, «die tödlichen Fehler der Vergangenheit grundlegend zu korrigieren».

Die evangelische Diakonie mahnte Verbesserungen in der Asylpolitik an. «Wir tragen mit unserem unmenschlichen EU-Visaregime zum Sterben auf dem Mittelmeer bei, wenn wir nicht eine gefahrenfreie Einreise für Schutzbedürftige ermöglichen», erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.

Der Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, warnte in der «Bild»-Zeitung (Freitag) davor, Schleuserbanden als alleinige Ursache für die Flüchtlingskatastrophen auf dem Mittelmeer verantwortlich zu machen. Der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Guy Ryder, sprach von einem ersten Schritt der EU, forderte aber dauerhafte und rechtsstaatliche Lösungen im Sinne der Migranten.

Der katholische Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, sagte, Europa dürfe nicht blind werden «für die Not der Ertrinkenden». (kna)

24. April 2015 | 16:06
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