Kardinal Rainer Maria Woelki.
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Kirchenrechtler: Kardinal Woelki betreibt «Aufarbeitungssabotage»

Hat ein Priester jemals frei? Banal scheint die Frage, doch in Köln könnte sie über 850’000 Euro Schmerzensgeld entscheiden. Kirchenrechtler Lüdeke hat dazu eine klare Meinung – und warnt vor einem Präzedenzfall.

Im derzeit laufenden Schmerzensgeld-Prozess gegen das Erzbistum Köln hat der Kirchenrechtler Norbert Lüdeke dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki eine «Irreführung des Gerichts» vorgeworfen. Die Argumentation, dass der beschuldigte Priester U. die Missbrauchstaten an seiner damaligen Pflegetochter in seinem Privatleben und nicht in Zusammenhang mit seinen Dienstpflichten als Priester begangen habe, sei «Aufarbeitungssabotage erster Güte», sagte Lüdeke im Interview dem «Kölner Stadt-Anzeiger».

Auch privat ein Geweihter

Der frühere Bonner Universitätsprofessor verwies dabei auf das katholische Verständnis der Berufung eines Priesters. Demnach ende dessen Dienstzeit nicht, auch seine privaten Tätigkeiten verrichte er als Geweihter.

Norbert Lüdecke, Professor für Kirchenrecht in seinem Büro in Königswinter.
Norbert Lüdecke, Professor für Kirchenrecht in seinem Büro in Königswinter.

«Als Kleriker und vorgängig zu irgendeinem konkreten Kirchenamt übernimmt der Priester unwiderruflich, unteilbar und ununterbrochen bestimmte Standespflichten, die ihn umfänglich binden, rund um die Uhr, ausnahmslos», führte Lüdeke aus. Da die Kirche in Deutschland das Recht habe, über die Ausgestaltung ihrer Ämter selbst zu bestimmen, könne auch das Gericht keinen anderen Massstab über das Amt ansetzen.

Prozess als Präzendenzfall

Dennoch warnte Lüdeke gleichzeitig davor, welche Auswirkungen der Prozess als Präzedenzfall haben könnte. Sollte das Gericht doch der Argumentation des Erzbistums Köln folgen und dieses kein Schmerzensgeld zahlen müssen, «dann war’s das für alle. Dann werden sich sämtliche Bischöfe auf Köln berufen und weiteren Betroffenen ebenfalls Entschädigungen verweigern», erklärte der Kirchenrechtler.

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«Damit wird vor den Schranken der weltlichen Justiz die Flucht der Kirche vor ihrer Verantwortung im Missbrauchsskandal fortgesetzt.» Der Prozess vor dem Kölner Landgericht wird am 2. Juli stattfinden.

Erzbistum weist Schmerzensgeldanspruch zurück

Die heute 57-jährige Klägerin, die Pflegetochter des 2022 wegen mehrfachen Missbrauchs zu zwölf Jahren Haft verurteilten Priesters U. war, fordert im Zuge der Amtshaftung vom Erzbistum Köln 850’000 Euro Entschädigung. Das Erzbistum weist den Schmerzensgeldanspruch zurück mit Verweis darauf, dass die Taten in U.s Wohnung begangen worden seien und ein Zusammenhang mit Dienstpflichten als Priester nicht ersichtlich sei. (kna)


Kardinal Rainer Maria Woelki. | © Raphael Rauch
26. April 2024 | 14:00
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