Karin Iten stellt den Verhaltenskodex des Bistums Chur vor.
Zitat

Karin Iten: Entspannt euch, Churer Priesterkreis!

«In jedem Veränderungsprozess gibt es Ungleichzeitigkeiten – das ist normal. Das war in allen Zeiträumen der Kirchengeschichte so und gehört zu jenen Widersprüchen, die in jedem Wandel auszuhalten sind. 

Der Verhaltenskodex geht mutig vor. Die aktuelle kirchliche Sexualmoral des Lehramts ist nicht in Stein gemeisselt und war es nie. Sie ist im Vergleich der Menschheitsgeschichte ein neueres kulturelles Produkt, neuer auch kirchengeschichtlich gesehen. Somit kann sie sich auch heute verändern. 

Chur hat bereits den Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht eingeführt.
Chur hat bereits den Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht eingeführt.

Vielen Dank also, Churer Priesterkreis, dass ihr öffentlich auf diese Diskrepanz und den Reformbedarf der katholischen Sexualmoral des Lehramts aufmerksam macht! Auch Ehedokumente lassen sich anpassen.

Also: Entspannt euch, Churer Priesterkreis! Gemeinsame christliche Kernbotschaften sind nach wie vor auch mit dem Kodex möglich. Die gemeinsame katholische Lehre reduziert sich ja nicht auf Sexualmoral. 

Schwergewichte verschieben sich – und zwar weg von diskriminierender Sexualmoral hin zum ‘Menschen im Zentrum’ in einer angstfreien Kirche. Weshalb an einer menschenfeindlichen Sexualmoral festbeissen, die viel Leid schafft und Missbrauch befördert, wenn die christliche Lehre andere Schätze zu bieten hat? 

Bischof Joseph Bonnemain unterschreibt den neuen Verhaltenskodex am 5. April 2022.
Bischof Joseph Bonnemain unterschreibt den neuen Verhaltenskodex am 5. April 2022.

Der Verhaltenskodex setzt die sexuelle Würde aller Menschen ins Zentrum. Die Würde homosexueller Menschen wurde lange im katholischen System verletzt – meist verknüpft mit massiver spiritueller Manipulation. Es ist Aufgabe der Prävention, diese Manipulation zu erschweren und zu verhindern. 

Falls ihr im Churer Priesterkreis Gewissensbisse habt, weil Diskriminierung nun wegzulassen ist, dann unterstützen wir euch, über diesen – euren eigenen – Schatten zu springen.

Das Festfrieren einer 300 Jahre jungen Sexualmoral ist, lieber Churer Priesterkreis, reine Ideologie. Antidiskriminierung dagegen ist keine LGTB-Ideologie – sie bedeutet gelebte Gerechtigkeit und Nächstenliebe. Die Churer Bistumsleitung bewegt sich in die richtige Richtung und ist also voll auf der Spur – ganz im Sinne der Mehrheit der Katholik*innen im Bistum Chur und mit bunten Katholik*innen in ihrer Mitte.

Monika Rebhan Blättler (rechts) unterschreibt den neuen Verhaltenskodex – zusammen mit Franziska Driessen-Reding (Mitte) und Generalvikar Peter Camenzind. Ganz links: Kanzlerin Donata Bricci.
Monika Rebhan Blättler (rechts) unterschreibt den neuen Verhaltenskodex – zusammen mit Franziska Driessen-Reding (Mitte) und Generalvikar Peter Camenzind. Ganz links: Kanzlerin Donata Bricci.

Dass der Kodex an eurem Rand im Bistum Chur herausfordert, ist keine Überraschung. Haltungen lassen sich jedoch – im Gegensatz zu sexueller Orientierung, und das ist der entscheidende Punkt – verändern und neu gewichten. Also, bewegt und entspannt euch, Churer Priesterkreis. Dies trägt zur Kircheneinheit bei, denn die Kirche – das sind die Menschen vor eurer Haustür im Hier und Jetzt. Andernfalls spaltet ihr euch früher oder später als Sonderfall ab – als Sekte. Aber es steht die Einladung zum Dialog – vom Bischof persönlich.»

Karin Iten, die Präventionsbeauftragte des Bistums Chur, wendet sich in einer Stellungnahme an den Churer Priesterkreis, der den neuen Verhaltenskodex kritisiert. (rr)


Karin Iten stellt den Verhaltenskodex des Bistums Chur vor. | © Christian Merz
30. April 2022 | 15:50
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