Woelki konnte es sich nicht leisten, auf die Verjährung zu pochen: Der Imageverlust wäre nicht wieder gut zu machen.
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Kardinal Woelki wird immer mehr zu Kardinal Meisner

«In Köln machte Woelki zunächst Schlagzeilen, weil er sich in der Flüchtlingskrise 2015 so radikal wie kein anderer Bischof auf die Seite der Geflüchteten stellte. Er feierte Gottesdienst an einem zum Altar umgebauten Wrack eines Flüchtlingsbootes, er ertrug die Wut und auch die Morddrohungen aus den rechten Blasen. «Nos sumus testes», «Wir sind Zeugen», steht auf Woelkis Bischofswappen. Zeugnis geben – das galt für ihn, wenn er für die Flüchtlinge eintrat – das galt für ihn aber auch, wenn er gegen das Frauenpriestertum argumentierte, die Öffnung des Pflichtzölibats, die Reformdebatten auf dem Synodalen Weg, den er nur unter Protest mitträgt. (…)

Ein Gegner des Synodalen Wegs

Inzwischen hat diese Grundhaltung sich verhärtet, verschärft, zugespitzt – aus Weltfremdheit ist Weltmisstrauen geworden. Sie hat Woelki in der Bischofskonferenz zunehmend in Isolation geführt, seine Klagen in Rom gegen verschiedene Reformvorhaben der Konferenzmehrheit ärgern viele Mitbrüder sehr. Im Januar, als die Vollversammlung des Synodalen Weges noch live in Frankfurt tagte, sass er ziemlich allein zwischen all den diskutierenden Frauen und Männern.

Seit Kardinal Meisner tot ist, sei das so, sagen Menschen aus dem Bistum, die ihn gut kennen – Meisner starb im Juli 2017. Seit Woelki das klerikale Erbe des Mentors und Übervaters habe antreten müssen, sei er auch zunehmend in die Meisner-Rolle geraten, allerdings ohne dessen zweifelsfreie Selbstsicherheit zu haben, auf dem richtigen Weg zu sein. Wenn das so stimmt, und einiges spricht dafür, dann waren Woelkis Berliner Jahre drei kurze Sommer der Freiheit, ehe er sich verpflichtet sah, eine Rolle zu übernehmen, die weder zu ihm noch in die Zeit passt, die in die Selbstisolation führt. (…)

Woelki hat Vertraute in Rom

Bis März soll nun ein neues Gutachten des Strafrechtsprofessors Björn Gercke über das Leitungsverhalten des Erzbistums bei Missbrauchsfällen fertig sein; Gercke hat angekündigt, es werde noch unangenehmer für die Verantwortlichen werden als das umstrittene WSW-Gutachten. Wenn das so ist, könne es eine Befreiung werden für Woelki. Von den kirchenrechtlichen Prüfungen in Rom und Münster dürfte ihm wenig Ungemach drohen: Das Kirchenrecht bot bis 2019 einigen Spielraum im Umgang mit Missbrauchsfällen, und die Konservativen im Vatikan dürften ihre Hand schützend über ihrem wichtigsten Vertreter in Deutschland halten.

Das Vertrauen im Bistum aber dürfte nur schwer wiederherzustellen sein. «Ich weiss nicht, wie das zu kitten ist», sagt ein Insider.»

Matthias Drobinski in der «Süddeutschen Zeitung» über den Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki. Dieser steht unter Druck, weil er einen Missbrauchstäter geschützt und den Fall nicht nach Rom gemeldet hat. (rr)


Woelki konnte es sich nicht leisten, auf die Verjährung zu pochen: Der Imageverlust wäre nicht wieder gut zu machen. | © KNA
19. Dezember 2020 | 07:22
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