Wallfahrt der Fahrenden nach Rom, 2015
International

Kardinal Marx: Kirche muss ihre Schuld gegenüber Sinti und Roma bekennen

Wie hat sich die katholische Kirche gegenüber den Sinti und Roma verhalten? Diese Frage sollte laut dem Münchner Kardinal Reinhard Marx hält historisch untersucht werden. Er hat sich am Dienstag mit deren Vertreter getroffen.

Ziel der Aufarbeitung müsse ein «öffentliches Schuldbekenntnis der Kirche» sein – wegen ihres versagten Schutzes der Minderheit vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Das sagte Marx nach einem Besuch des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg. «Als Kirche haben wir hier einen Auftrag, den wir bisher nicht eingelöst haben.»

Kardinal Reinhard Marx.
Kardinal Reinhard Marx.

Vorgänger-Kardinal hatte Hilfe verweigert

Marx fügte hinzu, als Nachfolger von Kardinal Michael von Faulhaber sehe er sich dabei in einer besonderen Verantwortung. Der Vater des heutigen Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, hatte am 5. April 1943 unter falschem Namen versucht, bei Faulhaber in München vorzusprechen und die katholische Kirche um Hilfe zu bitten.

Dies geschah wenige Monate nach der Anordnung des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, alle noch im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma ins Vernichtungslager Auschwitz zu deportieren.

Erzbischof wusste um Gefahr

Der Münchner Erzbischof war nicht bereit, Oskar Rose zu empfangen, hielt aber den Besuch in seinem Tagebuch fest: «Bei Sekretär ein Zigeuner, namens Adler, katholisch – Die 14’000 Zigeuner im Reichsgebiet sollen in ein Lager gesammelt und sterilisiert werden, die Kirche soll einschreiten. Will durchaus zu mir. – Nein, kann keine Hilfe in Aussicht stellen.»

Das Konzentrationslager Auschwitz.
Das Konzentrationslager Auschwitz.

Romani Rose sagte, diese Notiz beweise die mutige Initiative seines Vaters. Sie erscheine ihm «wie ein Sinnbild für das moralische Versagen der damaligen Kirchenführung, von der sich die mehrheitlich katholischen Sinti-Familien angesichts der drohenden Vernichtung vergeblich Schutz und Beistand erhofften.

Gedenktafel gewünscht

Wie wir heute wissen, hatten die katholischen Bischöfe zu dieser Zeit genaue Kenntnis von der Dimension der Vernichtung unserer Minderheit.» Rose möchte, dass zur Erinnerung daran eine Gedenktafel am Erzbischöflichen Palais in München angebracht wird.

Marx sagte dazu, er stehe dem offen gegenüber. «Der mutige Versuch von Oskar Rose und die Nichtwahrnehmung und Sprachlosigkeit der Kirche können Ausgangspunkt sein für eine umfassende historische Untersuchung».

Treffen von Kardinal und Roma-Vertreter

Das Treffen von Marx und Rose in Heidelberg fand bereits am Dienstag statt. Am Donnerstag veröffentlichten dazu das Erzbistum München und Freising und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eine gemeinsame Pressemitteilung. Demnach setzen sich Marx und der Zentralrat gemeinsam für ein unabhängiges Forschungsprojekt ein. Mit der Deutschen Bischofskonferenz solle es ausserdem einen «strukturierten Dialog» geben. (kna)


Wallfahrt der Fahrenden nach Rom, 2015 | © zVg
10. Februar 2023 | 15:28
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