Kardinal Kurt Koch
Schweiz

Kardinal Koch: Westen tut zu wenig für Christen in Nahost

Zürich, 5.4.15 (kath.ch) Ostern enthält die frohe Botschaft, dass das Leben stärker ist als der Tod und die Liebe stärker als der Hass. «Das ist eine wichtige Botschaft zumal in der mörderischen Welt, in der wir heute leben.» Dies betonte der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch gegenüber der Sonntagszeitung vom 5. April.

Die Gewalt in Nahost hat grosse Flüchtlingsströme ausgelöst. Eine grosszügige Aufnahme von Flüchtlingen sei das eine, sagte der Kardinale. In erster Linie geht es aber darum, die Situation in den betreffenden Ländern zu ändern, damit nicht mehr so viele Menschen flüchten müssen. «Ich habe nicht den Eindruck, dass der Nahe Osten in der europäischen Politik jene Aufmerksamkeit findet, die er verdient», beklagte der «Ökumene-Minister» des Vatikan.

Angesichts der Lage der bedrohten Christen sei es wichtig, die «dramatische Situation» öffentlich anzuklagen und verfolgte Christen «mit unserem Gebet unterstützen». Es sei wichtig, dass «die verfolgten Christen wissen, dass wir sie nicht vergessen haben».

Keine Erklärung für Jihad-Tourismus

Dort, wo im Namen der Religion Gewalt angewendet werde, werde Religion pervertiert. «In diesem Zusammenhang beschäftigt mich vor allem die Frage, warum so viele Menschen aus Europa in den Irak oder nach Syrien gehen, um sich den mörderischen Truppen anzuschliessen.» Der Kardinal bezeichnete das Phänomen als so absurd, dass es schwer zu begreifen sei, was in den Menschen vorgehe, die sich vom IS angezogen fühlten.

«Ich befürchte, dass jede rationale Erklärung bereits eine Verharmlosung wäre.» Dass sich so viele Menschen aus Europa den IS-Truppen anschlössen, bedeute im Klartext, «dass wir nicht wenige Terroristen unter uns haben». Und wenn diese Personen aus dem Nahen Osten zurückkommen, werden sie viele Probleme mitbringen.

In Europa lebten Mitglieder von immer mehr Religionen zusammen. Dies sorge immer wieder für Konflikte. Der Kardinal schlussfolgert: «Religionen können nur lernen zusammenzuleben, wenn die Religion ein öffentliches Thema ist.»

Kein Franziskus-Effekt in der Schweiz

In Westeuropa gebe es viele Kirchenaustritte. Weltweit gesehen sei die Kirche jedoch im Wachsen begriffen, sagte Koch. Mit Papst Franziskus gebe es insofern einen Aufbruch, als dieser sehr positiv wirke und auch so wahrgenommen werde. «Ich habe aber nicht den Eindruck, dass man in der Kirche in der Schweiz wirklich von einem sogenannten Franziskus-Effekt sprechen kann.»

Die Kirche müsse den gesellschaftlichen Wandel ernst nehmen und sich mit ihm auseinandersetzen. Sie müsse aber ebenso klar prüfen, was mit dem christlichen Glauben kompatibel sei und was nicht. Nicht alle Entwicklungen in der heutigen Gesellschaft seien bereits deshalb gut, weil sie stattfinden, so der Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Noch andere Themen als Homosexualität

Bezüglich homosexuell orientierten Menschen erklärte der Kardinal, dass ihnen die Kirche mit dem gleichen Respekt begegnen müsse wie anders orientierten Menschen. So verlange es der Katechismus der katholischen Kirche. Bei der Bischofssynode über Ehe und Familie im Herbst sehe sich die Kirche jedoch dem «zentralen Problem» gegenüber, dass für den katholischen Glauben «die Ehe zwischen einer Frau und einem Mann besteht und ein Sakrament ist und deshalb eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht der Ehe gleichgestellt werden kann». Das Thema der Homosexualität sei zwar wichtig. Die Synode müsse sich jedoch auch den grossen Problemen der Armut und der grossen Not von so vielen Familien stellen, die auf der Flucht sind. (gs)

Kardinal Kurt Koch |© kath.ch
5. April 2015 | 16:44
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