Kardinal Karl-Josef Rauber im Jahr 2021.
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Kardinal Karl-Josef Rauber mit 88 Jahren gestorben

Er war ein Freund der Schweiz. Als sich das Drama um den Churer Bischof Wolfgang Haas zuspitzte, untersuchte Karl-Josef Rauber als damaliger Apostolischer Nuntius die Krise im Bistum Chur und suchte nach einer Lösung. Am Sonntagabend ist der frühere Chef der vatikanischen Diplomatenakademie und spätere Papstbotschafter im Alter von 88 Jahren im deutschen Rottenburg gestorben.

Michael Jacquemain

Er lebte im Hintergrund – und er fand das für einen Diplomaten angemessen. Auch als Karl-Josef Rauber im Jahr 2015 schon im hohen Alter unerwartet von Papst Franziskus mit dem Kardinalstitel geehrt wurde, änderte das im Leben des früheren Vatikan-Botschafters nichts.

Der jahrzehntelang im diplomatischen Dienst stehende Priester blieb der überaus freundliche, zurückhaltende, humorvolle und bescheidene Mann, der er auch vorher war. Am Sonntagabend ist Rauber im Alter von 88 Jahren im deutschen Rottenburg am Neckar gestorben.

Mit Humor und Gelassenheit

«Alles soll bleiben, wie es ist», sagte Rauber damals zu seiner Kardinalswahl. Und keinesfalls wollte er sich regelmässig zu politischen oder kirchenpolitischen Fragen zu Wort melden. Er fühlte sich «zu alt, um die Kirche mitzuregieren». Und er sah sich «weder als Wegweiser noch als drohenden Zeigefinger der Gesellschaft». Seinen Vorsätzen blieb Rauber konsequent treu.

Sie passten zu einem Mann, der sich und anderen riet, «die Dinge mit Humor und Gelassenheit» zu nehmen. Er wohnte öffentlich fast unbeachtet in einem Vorort der württembergischen Bischofsstadt Rottenburg in einem Haus mit rund 100 Schönstattschwestern.

Kardinal Karl-Josef Rauber, 2015 im Vatikan
Kardinal Karl-Josef Rauber, 2015 im Vatikan

Mit ihnen feierte er zusammen Gottesdienste. Rauber lebte bescheiden in zwei Räumen, eine Fünf-Zimmer-Wohnung hatte er abgelehnt. In den ersten Jahren nach der Kardinalsernennung half er in Württemberg noch in der Seelsorge aus und spendete jungen Menschen das Sakrament der Firmung. Doch in den vergangenen Jahren liessen seine Kräfte stark nach; eine Corona-Infektion im Vorjahr verschlechterte seinen Gesamtzustand weiter.

In der Kirche der Schönstattschwestern soll Rauber nun zunächst aufgebahrt werden, damit die Ordensfrauen von ihm Abschied nehmen können. Der Leichnam soll dann nach Rom überführt werden, damit der verstorbene Kardinal auf dem dortigen Friedhof Campo Santo bestattet werden kann. Dort ist auch das Grab seiner Eltern.

Kardinalsehrung als Wiedergutmachung?

Sollte Rauber die späte Kardinalserhebung als Wiedergutmachung verstanden haben – öffentlich anmerken liess er sich das nie. Nicht immer hatte Rauber alles so erledigt, wie es sich Vorgesetzte wünschten. Daraus machte Rom wenig Hehl, und der Diplomat machte aus seinem Herzen auch keine Mördergrube, als er öffentlich erklärte, wer ihn wo anschwärzte.

So wurde viel darüber spekuliert, ob Franziskus bewusst einen Mann ehren wollte, der es mit dem römischen System nicht immer leicht hatte.

Papst Franziskus am 25. September 2022 bei einer Messe im Stadion von Matera (Italien).
Papst Franziskus am 25. September 2022 bei einer Messe im Stadion von Matera (Italien).

Zwist um Wolfgang Haas

1993 wechselte Rauber wieder in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls und wurde Apostolischer Nuntius in der Schweiz und in Liechtenstein. Besonders diese erste Stelle als Botschafter war pikant, denn dort kam es wegen des damaligen Churer Bischofs Wolfgang Haas regelrecht zu Verwerfungen zwischen Staat und Kirche.

Die katholische Kirche in den Kantonen drehten Haas den Geldhahn zu und sabotierten seine Personalentscheidungen. Das Aussenministerium in Bern schaltete sich wiederholt beim Vatikan ein und sah eine Störung des Religionsfriedens.

Vermittelte und wurde versetzt

Auch die Schweizer Bischöfe sahen eine «beinahe ausweglose» Situation. Rauber sollte vermitteln, und er tat es. Der Vatikan aber versetzte ihn anschliessend nach Ungarn, weil er wohl zu viel Verständnis für die rebellischen Schweizer aufgebracht hatte.

Trotzdem wird Rauber der Plan für die heute noch geltende Lösung zugeschrieben, Haas zum Erzbischof von Liechtenstein zu befördern und ihn so aus der Schweizer Schusslinie zu bringen.

Von links Kardinal Rauber, die Weihbischöfe Peter Henrici und Paul Vollmar sowie Generalvikar Josef Annen.
Von links Kardinal Rauber, die Weihbischöfe Peter Henrici und Paul Vollmar sowie Generalvikar Josef Annen.

Rauber stammte aus Nürnberg, hatte in Mainz Theologie studiert und wurde dort 1959 zum Priester geweiht – weshalb er Mainz stets als seine geistige Heimat sah. Nach einer ersten Seelsorgetätigkeit in Nidda ging es für Rauber zum Studium nach Rom, wo er zeitgleich eine Diplomatenausbildung begann und im Staatssekretariat arbeitete.

1983 ernannte ihn Johannes Paul II. zum Bischof, er kam nach Uganda. Drei Jahre leitete Rauber die Päpstliche Diplomaten-Akademie, bevor es dann in die Schweiz ging.

Ein Fan von Franziskus

Sehr erfreut zeigte sich Rauber über «die Öffnung der Kirche zu den Menschen» unter Franziskus. Auch dessen Leitungsstil sagte ihm zu.

Früher seien Briefe aus Rom an den «hochwürdigsten Herrn Erzbischof» geschrieben worden, das Schreiben des Papstes zur Kardinalsernennung habe dem «lieben Mitbruder» gegolten. Eine Zugewandtheit, die Rauber schätzte – und die er selbst praktizierte. (kna)


Kardinal Karl-Josef Rauber im Jahr 2021. | © Raphael Rauch
27. März 2023 | 15:17
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