Kardinal Emil Paul Tscherrig
Schweiz

Kardinal Emil Tscherrig: «Wir dürfen Laien nicht in Kleriker verwandeln»

Kardinal Emil Paul Tscherrig ist seit ein paar Tagen pensioniert, dennoch arbeitet er noch in verschiedenen Gremien im Vatikan. Er hofft, dass der synodale Prozess eine «Art Revolution» für die Kirche wird. Nun wird er erst einmal länger in die Schweiz zurückkehren. «Leider habe ich die Kindheit meiner Nichten und Neffen verpasst.»

Jacqueline Straub

Sie sind jetzt seit einem halben Jahr Kardinal. Wie blicken Sie auf die Zeit?

Kardinal Emil Paul Tscherrig*: Im Moment geniesse ich meine Zeit in Rom. Seit wenigen Tagen bin ich pensioniert. Auch habe ich meine Wohnung gewechselt.

Emil Paul Tscherrig wurde von Papst Franziskus Ende September 2023 zum Kardinal ernannt
Emil Paul Tscherrig wurde von Papst Franziskus Ende September 2023 zum Kardinal ernannt

Nach der Kardinalsernennung hat Papst Franziskus Sie zum Mitglied im obersten Kirchengericht ernannt. Werden Sie die Tätigkeit trotz Pensionierung fortführen?

Tscherrig: Bis jetzt habe ich noch wenig auf diesem Gebiet gearbeitet. Ich wurde auch in die Kardinalskommission der Vatikanbank ernannt. Unsere Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass die ethischen Richtlinien befolgt werden. Ich bin zudem auch Mitglied des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse geworden. Diese Arbeit ist sehr interessant. Da ist alles verbunden: Theologie, Geschichte, Kirchenrecht. Meine Ernennungen sind aber keine Vollzeitstellen.

Welchen zeitlichen Umfang haben Ihre Aufgaben?

Tscherrig: Das ist ganz unterschiedlich. Meistens treffen wir uns zweimal im Monat. Die Zeit dazwischen dient zur Vorbereitung und dem Studium der Dokumente.

Blick auf den Vatikan
Blick auf den Vatikan

Bald reisen Sie in die Schweiz. Wie lange werden Sie Heimaturlaub machen?

Tscherrig: Ende Mai werde ich in die Schweiz zurückkehren. Ich war 50 Jahre lang im Ausland unterwegs und immer nur für eine kurze Zeit pro Jahr in der Heimat. Ich freue mich darauf, nun länger mit meiner Familie verbringen zu können. Leider habe ich in all den Jahren der Abwesenheit die Kindheit meiner Nichten und Neffen verpasst. Das ist schade. Jetzt sind sie schon alle erwachsen und ich freue mich immer wieder sie zu treffen.

«Papst Franziskus ist immer voll im Einsatz.»

Papst Franziskus ist oft krank. Denken Sie, dass bald ein Konklave einberufen werden muss?

Tscherrig: Das hoffe ich nicht. Der Heilige Vater schafft jeden Tag ein Vollpensum, obwohl einige physische Probleme seine Bewegungsfreiheit hemmen. Er ist immer voll im Einsatz und unternimmt auch apostolische Reisen ins Ausland. Seine Tage sind voll von Begegnungen und Audienzen.

Weltsynode mit Papst Franziskus im Vatikan.
Weltsynode mit Papst Franziskus im Vatikan.

Wie blicken Sie auf den synodalen Prozess der Weltkirche?

Tscherrig: Ich hoffe, dass der Synodalprozess uns zu grösserer Zusammenarbeit innerhalb der Kirche führt. Dies gilt für Bischöfe, Priester und Laien. Diese müssen vermehrt in die Pastoralarbeit und die Administration einbezogen werden. Wir brauchen Laien nicht nur einfach, weil sie uns Priester stützen sollten, sondern weil sie als Getaufte in eigener Verantwortung an der Mission der Kirch teilhaben. Ich denke etwa an die ausserordentlichen Minister der Eucharistie, die überall eine grosse Hilfe sein können, vor allem aber dort, wo der Priester nicht ständig anwesend sein kann. Eine effiziente Zusammenarbeit in diesem Sinn wäre in der Tat eine Art «Revolution» im Leben vieler Kirchen.

«Die Hierarchie kann und soll nicht alles tun.»

Was genau machen Minister der Eucharistie?

Tscherrig: Das sind Laien, die vom Bischof ernannt und ausgebildet werden. Sie bringen unter andrem Kranken und betagten Menschen die Heilige Kommunion, können die Gläubigen zur eucharistischen Anbetung oder dem Rosenkranzgebet einladen. Solange die Gläubigen «zusammengerufen» werden, auch wenn kein Priester, Diakon oder Pastoralassistent vor Ort ist, lebt die Kirche. Wir brauchen auch Menschen, die sich dafür hergeben, andere im Glauben zu unterrichten. Ich hoffe, dass die Synode dieses Bewusstsein stärkt. Die Hierarchie kann und soll nicht alles tun.

Sondern?

Tscherrig: Wir müssen uns mehr als Volk Gottes verstehen, indem jeder und jede einzelne seine Berufung und Aufgabe wahrnimmt.

Frauen können einem Gottesdienst vorstehen, jedoch nicht zur Diakonin geweiht werden.
Frauen können einem Gottesdienst vorstehen, jedoch nicht zur Diakonin geweiht werden.

Bei der Weltsynode wurden auch Stimmen laut, die viri probati und das Frauendiakonat fordern. Was sagen Sie dazu?

Tscherrig: Die Frage der «viri probati» ist eine alte Diskussion. Schon heute gibt es jedoch Priester, die aus anderen Konfessionen konvertiert sind und in der katholischen Kirche ihre Aufgabe weiterführen. Es gibt auch Männer, die sich in einem späteren Lebensabschnitt fürs Priesteramt entscheiden. Auf der anderen Seite sind, in der gewärtigen Rechtslage, Frauen vom permanenten Diakonat ausgeschlossen. Es ist möglich, dass diese Frage in der gegenwärtigen Synode wieder Gesprächsthema wird. Ich finde, dass nicht alle in der Kirche alles tun müssen. Und vor allem dürfen wir die Laien in der Kirche nicht in Kleriker verwandeln.

«Die Kirche muss sich ständig mit den Veränderungen in der Welt auseinandersetzen.»

Woran machen Sie das fest?

Tscherrig: In gewissen Teilen der Kirche gibt es Bestrebungen, die ordinierten Priester durch eine Art Laienpriestertum zu ersetzen. Das schafft oft Spannungen. Der Priester hat seine Aufgabe, die Laien die ihre: nur in der Zusammenarbeit und in der Komplementarität dieser beiden Berufungen sind wir Kirche, wie uns das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat. Die Kirche ist ein Volk auf dem Weg und muss sich ständig mit den Veränderungen in der Welt auseinandersetzen. Es ist der Heilige Geist, der uns hilft, dass wir nicht die Richtung verlieren und unserer Mission treu bleiben. 

*Kardinal Emil Paul Tscherrig wurde am 30. September 2023 von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt. Er stammt aus dem Wallis und wurde 1974 im Bistum Sitten zum Priester geweiht. Tscherrig war jahrzehntelang Apostolischer Nuntius in verschiedenen Ländern.

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Kardinal Emil Paul Tscherrig | © Jacqueline Straub
20. Mai 2024 | 17:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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