Abt Christian Meyer beim Einkauf der Nahrungsmittel für die Pfadi.
Schweiz

Kampf gegen Sumoringer, die Küche als Seelsorgeraum: Abt Christian Meyer ist Pfadfinder aus Leidenschaft

Der Abt von Engelberg, Christian Meyer (55), heisst bei der Pfadi «Medix». Er steht gerne in der Pfadi-Küche – und sieht Parallelen mit dem Klosterleben: «Auch die Pfadi hat eine klare Struktur. Und man muss mit verschiedenen Charakteren klarkommen.»

David Meier

Warum fahren Sie nicht ins Wallis zum Pfadi-Bundeslager?

Abt Christian Meyer (rechts) als Indianer in der Pfadi.
Abt Christian Meyer (rechts) als Indianer in der Pfadi.

Abt Christian Meyer*: Ich wuchs in einer Camping-begeisterten Familie auf. Alle Ferien verbrachten wir auf Campingplätzen, häufig auch die Sommer-Wochenenden. Nun bin ich aber in einem Alter, in dem ich nicht mehr im Zelt schlafen möchte und ein Bett bevorzuge.

Ausserdem werde ich mit den «Wölfli» von Engelberg ins Lager fahren. Die jüngsten Kinder in der Pfadi-Abteilung dürfen noch nicht im Zelt schlafen und gehen deshalb jeweils in ein Lagerhaus. In diesen Lagern bin ich, wenn immer sich dies mit meiner Arbeit als Abt vereinbaren lässt, als Koch mit dabei.

Wie kamen Sie zum Job als Pfadi-Koch?

Meyer: Ich war einige Jahre Pfarrer von Engelberg und somit auch Präses der Pfadi. Weil ich sehr gerne koche, bin ich dabei zur Pfadi-Küche gekommen.

«Die Küche ist der Seelsorgeraum der Pfadi.»

Sie haben sinngemäss mal gesagt: Die Küche ist die Kirche der Pfadi. Was meinen Sie damit?

Meyer: Die Küche ist der Seelsorgeraum der Pfadi. Häufig kommen Kinder zu mir und «Ratatouille», mit der ich koche. Sie kommen, weil sie traurig sind, manchmal weinen sie auch. Sie spüren, dass sie sich bei uns anvertrauen können. Heimweh ist dabei natürlich auch immer ein Thema, erstaunlicherweise aber nicht in den letzten drei Jahren. In den letzten drei Jahren war nämlich die Stimmung in allen Gruppen und zwischen den Gruppen ausgesprochen gut. Alle konnten mit allen, es gab keine Ausgeschlossenen. Das war nicht immer so.

Abt Christian Meyer heisst bei der Pfadi "Medix".
Abt Christian Meyer heisst bei der Pfadi "Medix".

Aus Ihren Aussagen ist zu schliessen, dass Sie nicht immer Pfadfinder waren.

Meyer: Ich war «Wölfli», bin aber als Kind nie über diese Stufe hinausgekommen. Ich war viel mehr bei den Ministranten engagiert und integriert und habe dort das Programm mitgemacht. Erst durch die Arbeit in der Pfarrei Engelberg bin ich wieder mit der Pfadi in Berührung gekommen.

«Ich musste aus einem Bachbett einen grossen Plastikfisch rausholen.»

Trotzdem haben Sie einen Pfadi-Namen. Wie lautet er und was bedeutet er?

Meyer: Ich bekam «Medix» als Name. Dies, weil die Kinder, die unter anderem zu mir in den Religionsunterricht kamen, bemerkten, dass ich jemand bin, der mehr macht, als er muss. Das haben sie richtig erkannt und es in den Namen «Medix» einfliessen lassen.

Blauer Teig für den Pfadi-Zopf
Blauer Teig für den Pfadi-Zopf

Wie war Ihre Pfadi-Taufe?

Meyer: Ich musste Aufgaben in allen vier Himmelsrichtungen erfüllen. Im Norden musste ich aus einem Bachbett einen grossen Plastikfisch rausholen. Das war zwar etwas rutschig, aber es ging noch. Im Westen musste ich – als Engelberger – einen als Kalb verkleideten Pfädeler einfangen. Obwohl er viel flinker war als ich, gelang mir auch dies. Im Osten musste ich gegen zwei als Sumoringer verkleidete Pfädeler kämpfen. Im Süden hatte ich ein Gsöff aus allem möglichen zu trinken. Auf dem Grund des Bechers befand sich ein laminierter Zettel, auf dem eben «Medix» stand.

Pfadi-Zopf in blau und rot.
Pfadi-Zopf in blau und rot.

Ist die Pfadi vergleichbar mit dem Klosterleben?

Meyer: Ja, es gibt sogar mehrere Parallelen. Es gibt zwei Dinge, die auf das Klosterleben hinweisen: In der Pfadi hat man, wie im Kloster, auch eine Tagesstruktur. Diese versucht man einzuhalten. (lacht) Es gibt kein Hineinleben in den Tag.

Ausserdem leben verschiedene Charaktere zusammenleben – in der Pfadi wie im Kloster. Man muss lernen, miteinander auszukommen. Man muss den anderen ertragen und erkennen können, dass man manchmal auch selber zur Last für die anderen werden kann.

«Die ‹Wölfli› haben beispielsweise Blätterkunde.»

Lernt man in der Pfadi also was fürs Leben?

Meyer: Ja, das Miteinander ist ein wichtiges Thema. Man versucht, Streit zu schlichten. Man erklärt, wie beide Seiten dazu beitragen können, eine Lösung zu finden. Die Kinder lernen einander zu respektieren. Das Lager ist ein Übungsort, um dies für das Leben zu lernen.

Abt Christian Meyer erholt sich nach der Arbeit in der Pfadi-Küche.
Abt Christian Meyer erholt sich nach der Arbeit in der Pfadi-Küche.

Die Pfadi betont, wie wichtig es sei, zur Natur Sorge zu tragen. Auch Papst Franziskus ist die Bewahrung der Schöpfung ein besonderes Anliegen. Kann die Pfadi hier punkten?

Meyer: Unbedingt! Die «Wölfli» haben beispielsweise Blätterkunde und lernen hier die verschiedenen Baumarten kennen. Sie lernen auch, dass man nicht durch das hohe Gras gehen soll – das will der Bauer ja noch mähen. Sie lernen den Respekt vor der Natur und einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln. Wir zeigen ihnen zum Beispiel, dass man auch aus altem Brot noch etwas machen kann. Bei uns sollen sie auch nur so viel schöpfen, wie sie essen mögen. Dabei geht es auch darum, das eigene Mass kennenzulernen.

An welche Pfadi-Anekdote erinnern Sie sich?

Meyer: In einem Lager war mal ein Meitli, dessen Eltern gerade in der Scheidung waren. Es brauchte also ein wenig Aufmerksamkeit. Einmal kam es weinend ins Lagerhaus, klagte über Schmerzen am Hals und sagte: «Ich habe mir das Genick gebrochen.» So schlimm war es zum Glück nicht, mit einem Kühlbeutel konnten wir das Mädchen wieder beruhigen. Es gäbe noch viele weiteren Geschichten zu erzählen.

* Abt Christian Meyer (55) steht dem Benediktinerkloster Engelberg vor.


Abt Christian Meyer beim Einkauf der Nahrungsmittel für die Pfadi. | © zVg
24. Juli 2022 | 12:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!