Josef Manser (vorne) beim Anlass der IG Wonnenstein.
Schweiz

Josef Manser: «Die Schliessung des Klosters Wonnenstein hätte staatspolitische Folgen»

Für das Bistum St. Gallen ist der Konflikt rund um das Kloster Wonnenstein vor allem mit der renitenten Schwester Scholastika verbunden. Für den Politiker Josef Manser (71) geht es um mehr. Und zwar um die Kantonsgrenzen. Im Falle einer Schliessung könnte das Gebiet des Klosters an den Kanton Appenzell Ausserrhoden fallen.

Regula Pfeifer

Warum haben Sie am Sonntag an der Veranstaltung der Interessengemeinschaft «Das Kloster Wonnenstein gehört den Frauen» teilgenommen?

Josef Manser*: Mich interessiert persönlich, was in der Kirche passiert. Vor allem, weil das Kloster so nahe an meinem Wohnort Gonten liegt. Zum Glück verlief der Gottesdienst würdig. Und die Interessengemeinschaft informierte anschliessend sachlich, zurückhaltend – nicht populistisch.

«Die Tragweite der Situation in Wonnenstein ist mir erst in letzter Zeit bewusst worden.»

Wie schätzen Sie die Situation des Klosters ein?

Manser: Die Situation ist schwierig. Ich hatte zwar zuvor bereits ein paar Informationen. Aber die Tragweite dessen, was da abläuft, ist mir – wohl wie vielen anderen – erst in letzter Zeit richtig bewusst geworden.

Josef Manser
Josef Manser
Welche Tragweite?

Manser: Dass wieder eine klösterliche Gemeinschaft verloren gehen soll. Und dass das Kapuzinerinnenkloster Wonnenstein, ebenso wie Grimmenstein bei Walzenhausen, auch staatspolitische Bedeutung haben. Beides sind Innerrhoder Exklaven, umgeben von ausserrhodischem Territorium.

Wie beurteilen Sie die Interessengemeinschaft?

Manser: Ich erachte das Engagement der neuen Interessengemeinschaft als gut. Sie bemüht sich darum, alle Möglichkeiten für die Weiterexistenz des Klosters auszuloten und eine bessere Lösung zu finden. Es wäre äusserst schade, wenn das Kloster definitiv schliessen müsste. Das hätte auch staatspolitische Folgen.

«Die Kantonsgrenzen würden sich ändern.»

Welche Folgen?

Manser: Die Kantonsgrenze würde sich verändern. Denn nachdem sich Appenzell Ende des 16. Jahrhunderts in zwei Stände aufteilte, gab es unter anderem Grenzstreitigkeiten über die Zugehörigkeit des Klosters Wonnenstein. Diese wurden erst mit einem Bundesbeschluss von 1870 bereinigt, der festhält, das Gebiet innerhalb der Klostermauern gehöre zu Appenzell Innerrhoden. Ich schliesse daraus: Solange Wonnenstein ein Kloster ist, bleibt es eine Exklave von Appenzell Innerrhoden. Ist da kein Kloster mehr, geht das Gebiet wohl an Appenzell Ausserrhoden.

Kloster Wonnenstein
Kloster Wonnenstein

Redet da die Regierung mit?

Manser: Ja, die Regierung von Appenzell Innerrhoden hat die Aufsicht auch über dieses Kloster. Gemäss Art. 5 Abs. 2 der Kantonsverfassung von 1872 steht «die Verwaltung des den Klöstern zustehenden Vermögens…nach bisheriger Weise unter Schutz des Staates». Ein sogenannter Kastenvogt – einer der beiden Landammänner – ist dafür zuständig.

«Mich befremdet, dass sich der Kastenvogt noch nie geäussert hat.»

Was hat dieser bisher gemacht?

Manser: Für mich ist es befremdend, dass sich der Kastenvogt noch nie im Sinne von Transparenz zu dieser Sache geäussert hat. Er ist, wie gesagt, zuständig für den Schutz des klösterlichen Vermögens und die Aufsicht darüber.

Denn seit am 31. Juli 2022 in der «Sonntagszeitung» ein ausführlicher Bericht über die Vorkommnisse im Kloster Wonnenstein erschien, dauert die Kontroverse an. In der Zeitung beklagte sich die letzte im Kloster verbliebene Schwester Scholastika: Der Verein Kloster Wonnenstein, dem die Verwaltung des Klosters übertragen wurde, gehe in unhaltbarer Weise vor.

«Am besten wäre, wenn eine neue Gemeinschaft im Kloster einziehen würde.»

Was wäre für Sie die ideale Lösung?

Manser: Es wäre am besten, wenn sich eine Gemeinschaft fände, die in Wonnenstein einziehen würde. Auch wenn dies noch einige Zeit, Geduld und grosse Bemühungen erfordert. Zudem müsste die Vermögenssituation organisatorisch anders gelöst werden. Auf jeden Fall sind die staatspolitischen Folgen genau abzuklären, der Öffentlichkeit transparent bekanntzugeben und in der Zukunftsgestaltung des Klosters zu berücksichtigen. Nötigenfalls müssen sich die zuständigen höchsten politischen Instanzen einschalten und entscheiden.

Schwester Scholastika vor dem Kloster Wonnenstein.
Schwester Scholastika vor dem Kloster Wonnenstein.

Was sollte anders organisiert werden?

Manser: Das Kloster sollte nicht durch einen Verein geleitet und verwaltet werden. Diese Organisationsform ist zu stark an Personen gebunden, das ist unbefriedigend. Das Klostergut – samt Gebäulichkeiten und Land – sollte besser in eine Stiftung überführt werden. Da wäre es gesichert und dies losgelöst von den jeweiligen Personen, die im Verein aktiv sind. Da stimme ich mit der IG überein.

«Ich kann gut nachvollziehen, dass Schwester Scholastika im Kloster bleibt.»

Wie beurteilen Sie den Verbleib von Schwester Scholastika im Kloster?

Manser: Ich kann gut nachvollziehen, dass sie im Kloster bleibt und versucht, das Klosterleben aufrechtzuerhalten. Ich hoffe, es ist möglich, wieder eine Gemeinschaft aufzubauen. Viele Klöster haben Zeiten erlebt, in denen ihre Gemeinschaft stark geschrumpft ist – auch schon bis auf eine Person. Manchmal wurden auch Klöster wiederbesiedelt. Manchmal eine Ordensgemeinschaft an einem neuen Ort wieder aufgebaut – etwa nach einer Vertreibung. Das geschah zum Beispiel mit dem Kloster Muri, das heute als Kloster Muri-Gries in Bozen weiterlebt, und mit dem Kloster Wettingen, das in Mehrerau bei Bregenz Zuflucht fand.

Giuseppe Gracia
Giuseppe Gracia

Wie sehen Sie die Rolle von Giuseppe Gracia, dem ehemaligen Churer Bistumssprecher?

Manser: Ich wusste nicht, dass Giuseppe Gracia in der Interessengemeinschaft mitmacht. Aber wenn sich sein Anliegen mit jenem der IG deckt: Warum nicht? Das ist seine private Angelegenheit. Bischof Markus Büchel wird allerdings wohl keine Freude haben.

Warum?

Manser: Giuseppe Gracia ist nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt. Und Bischof Markus befindet sich in einer nicht einfachen Lage.

«Ich hoffe auf eine sachliche Wiedererwägung der Angelegenheit.»

Ihr Fazit?

Manser: Ich hoffe auf eine sachliche und alles einbeziehende Diskussion und Wiedererwägung der Angelegenheit. Also eine Lösung, welche das geistig-kirchliche Erbe juristisch hieb- und stichfest sichert. Wonnenstein darf nicht Opfer weltlich-finanzieller Interessen werden. 

* Josef Manser ist Präsident der parteiähnlichen Gruppe für Innerrhoden (GFI), die 1969 für das Frauenstimmrecht gegründet wurde. Er war Kirchenpräsident von Gonten AI, Präsident des Vereins «Katholische Kirchgemeinden Innerrhodens» und zudem Grossratspräsident.


Josef Manser (vorne) beim Anlass der IG Wonnenstein. | © Silvan Beer
21. Dezember 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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