Jacqueline Straub
Schweiz

Jacqueline Straub: «Ich möchte nicht Karriere machen, sondern dienen»

Muri AG, 30.6.16 (kath.ch) Die katholische Theologin Jacqueline Straub (25) fühlt sich zur Priesterin berufen. Sie hofft, in 20 Jahren Priesterin zu sein und so im Dienst der Menschen zu stehen. Wie dies zu ihrer hohen Medienpräsenz passt und warum sie nicht Pastoralassistentin wird, erzählt sie im Interview mit kath.ch.

Sylvia Stam

Jacqueline Straub, wann werden Sie zur Priesterin geweiht?

Jacqueline Straub: Ich hoffe, dass ich bis in 20 Jahren Priesterin bin! Aber das hängt von der kirchenpolitischen Entwicklung ab; etwa davon, ob die Kardinäle nach Papst Franziskus wieder so einen revolutionären Papst wählen. Wenn es ein traditionellerer wird, ist die Frauenfrage ziemlich schnell wieder vom Tisch.

Papst Franziskus sagt klar, dass das den Männern vorbehaltene Priestertum nicht zur Diskussion stehe. Warum hoffen Sie auf ihn?

Straub: Wenn wir diesem Männerdenken und in dieser Hierarchie verhaftet bleiben, dann kann sich nichts ändern. Papst Franziskus versucht, genau dort anzusetzen, indem er sagt, es komme nicht mehr auf Macht an, sondern aufs Dienen. Er setzt andere Akzente. Diese Mentalitätsänderung wird es ermöglichen, auch strukturelle Probleme in Angriff zu nehmen und damit früher oder später auch das Frauenpriestertum einzuführen.

Sie sprechen in Ihrem Buch von der «Reflexion über ein priesterliches Leben». Was verbinden Sie mit dem Priesterin-Sein?

Straub: Für die Menschen da zu sein, beispielsweise im Pfarrhaus zu wohnen, mit den Menschen Gottesdienst zu feiern und mit ihnen über Gott zu sprechen. Aber auch, die Lebensrealität der Leute zu kennen und sie in einzelnen Lebensabschnitten durch die Sakramente zu stärken. Einem jungen Paar nach einem ersten Ehestreit zu sagen: «Die Eucharistie kann euch helfen, wieder zueinander zu finden.» Für mich ist es ein priesterlicher Dienst und weniger ein Priesteramt. Das Amt ist eine Art Karrierebezeichnung. Ich möchte nicht Karriere machen, sondern dienen.

Dienen hat ja auch etwas mit Demut zu tun. Wie passt Ihre hohe Medienpräsenz dazu?

Straub: Ich diene, indem ich mich als junge Frau der Welt da draussen stelle und zeige: Ich glaube an Gott und bin stolz darauf, katholisch zu sein! Ich bekomme Emails von Teenagerinnen, die mir sagen, das sei für sie eine Ermutigung, weiterhin in der Kirche zu bleiben. Somit diene ich Gott und seiner Kirche in einer Welt, die immer gottloser wird. Das ist auch eine Art von Demut. Ich stelle mich nicht ins Rampenlicht, sondern die Medien kommen auf mich zu. Durch die Medien erreiche ich auch Kirchenferne, die mit ihrem Glauben hadern und so vielleicht wieder Mut bekommen.

Nahe bei den Menschen sein könnten Sie auch als Pastoralassistentin. Trotzdem schlagen Sie diesen Weg nicht ein, da Sie das pastorale Einführungsjahr nicht machen.

Straub: Da ist zum einen die Sehnsucht nach der Eucharistiefeier. Ich möchte wirklich alle Sakramente spenden können. Weil ich mich in den letzten Jahren sehr stark fürs Frauenpriestertum eingesetzt habe, rieten mir viele Mitstudierende und Professoren davon ab, mich als Pastoralassistentin in der Kirche zu verwurzeln. Ich solle besser unabhängig bleiben, um meinen Weg gehen zu können. Ich kann meine Berufung nicht verschweigen. Ich würde damit Gott und das, was er mir geschenkt hat, verleugnen. Darum gehe ich einen anderen Weg. Ich werde für die Kirche arbeiten, aber nicht in der Kirche.

Sie sprechen in der Öffentlichkeit über Ihre Berufung, Sie beten und vertrauen auf den Heiligen Geist, «dass er alles zur rechten Zeit geschehen lässt. Bis dahin bereite ich alles vor», wie es im Buch heisst. Was haben Sie bisher auf struktureller Ebene unternommen, um Priesterin werden zu können?

Straub: Ich habe zwei Briefe an Papst Franziskus geschrieben und habe von Pietro Parolin (Staatssekretär des Papstes, Anm. d. Red.) Antwort bekommen: Er habe meinen Brief mit Freude gelesen, er wünscht mir, dass ich stark im Glauben bleibe und er werde meinen Brief an Papst Franziskus weiterleiten. Von Papst Franziskus habe ich nichts gehört. Auf meinen zweiten Brief habe ich ebenfalls keine Antwort bekommen.

Was sagt Ihr Bischof Felix Gmür zu Ihrer Berufung?

Straub: Er weiss, dass ich Priesterin werden will. Er hat mir gesagt, dass es im Moment nicht geht, dass das von Rom aus entschieden werden muss, zusammen mit allen Bischöfen dieser Welt. Aber er glaubt, dass es in Zukunft durchaus möglich sein wird.

Sie sind eine ausgezeichnete Botschafterin für das Frauenpriestertum. Sind Sie auch eine gute Seelsorgerin?

Straub: Ich glaube schon, aber das können letztlich nur andere beurteilen. Nach TV-Auftritten bekomme ich viele Emails, in denen Leute mir ihr ganzes Leben anvertrauen. Ich nehme mir dann wirklich auch die Zeit, ihnen adäquat zurückzuschreiben. Bei einem österreichischen Pfarrer darf ich jetzt bereits als Seelsorgerin in seiner Pfarrei wirken, dort erhalte ich viele positive Reaktionen.

Im zweiten Teil Ihres Buches geht es um neue Ideen für die Kirche. Sie schreiben, die Kirche müsse «zu den Menschen hingehen». Ist Ihr Vorschlag in Anbetracht der vielen karitativen Tätigkeiten der Kirche nicht etwas anmassend?

Straub: Es gibt tatsächlich viele karitative Angebote. Es ist wichtig, Nächstenliebe zu zeigen. Ich wünschte mir aber, dass die Kirche vermehrt auch nach aussen als eine Glaubensgemeinschaft auftritt, die über Gott redet und sagt, warum es gut ist, in der Kirche zu sein.

Ausserdem muss die Kirche auch die Lebensrealität der Menschen wahrnehmen. Sie darf jemanden nicht verurteilen, weil er beispielsweise geschieden ist. Das meine ich mit «hingehen»: Die Lebensrealität der Menschen wahrnehmen und barmherzig sein.

Wie tun Sie das selber?

Straub: Ich gehe auf jeden Menschen so zu, wie ich es kann, ohne Vorurteile. Ich habe einmal einen Mann angesprochen, der im Zug aggressiv gegen den Kondukteur wurde. Ich habe ihn gefragt: «Warum machst du wildfremde Menschen so an?» Ich habe dann eine Stunde mit ihm über sein Leben geredet.

Sie würden in der Kirche gern mit jungen Erwachsenen arbeiten. Wie würden Sie konkret für «neue Farben in der Kirche» sorgen, wie Sie schreiben?

Straub: Ich würde Umfragen machen, um zu erfahren, wo der Schuh drückt: Was muss sich in der Kirche ändern, damit die Firmlinge bleiben? Ich würde gern sehr lebendige Angebote machen, mal ein Taizégebet oder Jugendgottesdienste mit peppiger Musik, einen Valentinsgottesdienst oder Weekends für junge Paare. Ich möchte auch hier die Leute da abholen, wo sie stehen. (sys)

Jacqueline Straub (25) hat soeben ihr Studium in katholischer Theologie an der Universität Luzern abgeschlossen. Die deutsch-schweizerische Doppelbürgerin wuchs in Deutschland auf und wohnt heute in  Muri (AG). Über ihre Berufung zur Priesterin hält sie Vorträge, schreibt Bücher und ist in den Medien präsent. Sie arbeitet als freie Journalistin und sucht derzeit eine Stelle als Seelsorgerin.

Buchhinweis: Jacqueline Straub: Jung, katholisch, weiblich. Weshalb ich Priesterin werden will. Publik Forum-Verlag 2016. ISBN: 978-3-88095-297-3

Buchvernissage am Montag, 4. Juli, in der Bibliothek Muri. Anmeldung bis Samstag, 02.07.2016, unter bibliothek@murikultur.ch oder 056 664 08 81.

Jacqueline Straub | © Hans Merrouche
30. Juni 2016 | 08:15
Lesezeit: ca. 4 Min.
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