«In der Anonymität des SMS-Kontaktes fühlte ich mich sicherer»

Schweiz: Die SMS-Seelsorge feiert ihr 10-jähriges Bestehen

Zürich, 10.12.09 (Kipa) In der SMS-Seelsorge tätige Berater wissen in der Regel nicht, ob ihre schriftlichen Botschaften den Ratsuchenden wirklich weiterhelfen. Denn nach durchschnittlich fünf SMS-Kontakten endet der anonym geführte Dialog. Die Anbieter der schweizerischen SMS-Seelsorge, die von der reformierten und der katholischen Kirche getragen wird, sind dennoch vom Nutzen ihres kostenlosen Angebots überzeugt. Pro Jahr erreichen Hunderte von Anfragen das achtköpfige SMS-Seelsorgeteam. Dieses Jahr feiert die SMS-Seelsorge zudem ihr 10-jähriges Bestehen und kann neu mit der Kurznummer «767» aufwarten.

An der Medienkonferenz vom Donnerstag, 10. Dezember, am Sitz von «Seelsorge.net» in Zürich wird schnell klar: Ohne moderne Kommunikationstechnologie gibt es keine Internet-Seelsorge, die gewissen Ansprüchen wie beispielsweise dem Seelsorgegeheimnis gerecht wird. Grossen Wert lege man zum Beispiel auch auf Anonymität, sagte Geschäftsführer Hans Peter Murbach. Sowohl Klient als auch Seelsorger bleiben bei der SMS-Beratung durch «Seelsorge.net» anonym.

Möglich ist dies, weil der SMS-Dialog zwischen Klient und Berater über einen gesicherten zentralen Server läuft. Die ratsuchende Person schreibt ein gewöhnliches SMS, das sie an die Kurznummer «767» sendet. Das SMS landet als E-Mail auf dem Server und wird vom SMS-Master einem der acht Seelsorger zugeteilt. Dieser schreibt seine Antwort in Form eines Mails, das in ein SMS umgewandelt den Klienten erreicht.

Schamgefühle verhindern «face-to-face-Beratung»

Den Wert der Anonymität unterstreicht auch das Zeugnis einer ehemaligen Klientin, die vor zehn Jahren als Opfer sexueller Übergriffe Hilfe bei der SMS-Seelsorge suchte. «Einerseits spürte ich, dass ich Hilfe von Drittpersonen benötigte, jedoch wäre ich mit dem Aufsuchen einer Fachstelle oder Therapeutin völlig überfordert gewesen. Zu gross war die Scham, die Angst und auch die Isolation, in der ich mich befand. Durch die SMS-Seelsorge musste ich mich diesen Gefühlen weniger stellen (…) Die SMS-Seelsorge hat mir aus der Isolation geholfen.»

Bei «Seelsorge.net» ist man sich auch der Grenzen der SMS-Seelsorge bewusst. Diese hat die Funktion eines niederschwelligen Auffangnetzes und soll die persönliche Hilfe bloss ergänzen. «Das Ziel besteht darin, die Menschen zu ermutigen, selber persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen», so Murbach. Es sei klar, dass nicht alle Probleme via SMS-Seelsorge gelöst werden könnten.

Irgendwann müsse man «subtil» den Vorschlag einbringen, dass eine persönliche Beratung jetzt hilfreich wäre, verriet Jörg Weisshaupt, SMS-Master und SMS-Seelsorger. Manchmal werde der Berater dann mit dem Vorwurf konfrontiert, den Klienten fallenzulassen.

Aufgrund der Anonymität ist es nicht möglich, ein Profil der Ratsuchenden zu erstellen, das Auskunft gäbe über Alter und Geschlecht. Warum die Menschen Rat suchen, ist jedoch bekannt. Im Vordergrund stehen Themen wie Partnerschaft (19 %), Sexualität (11 %), Suizid (8 %), Familie (7 %) und Einsamkeit (5%).

Ein Angebot der Kirchen

Am Anfang von «Seelsorge.net» stand der reformierte Pfarrer Jakob Vetsch. Der Pionier gründete 1995 den Verein Internet-Seelsorge und baute ein Netzwerk unter Pfarrern auf. 1999 ging die Seelsorge per SMS als zusätzliches Angebot aus der Internet-Seelsorge hervor.

In der SMS-Seelsorge arbeiten ausschliesslich ehrenamtliche Profis, entweder Theologen oder Psychologen «mit kirchlicher Anbindung». Professionalität garantieren auch der spezifische Einführungskurs, wo unter anderem das Beratungsverständnis thematisiert wird, und die regelmässige Supervision. Die Berater gehören entweder der reformierten oder der katholischen Kirche an und sind über die ganze Schweiz verteilt. Sie arbeiten von zu Hause aus.

2003 konnte der Verein in eine neue, breit abgestützte kirchliche Trägerschaft überführt werden. So kommen heute für das Jahresbudget von 200.000 Franken je zur Hälfte die reformierte und die katholische Kirche auf. Damit werden eine Geschäftsleitungsstelle (50 %), Mail- und SMS-Master und Technik sowie die professionelle Supervision finanziert. Das Budget für die Werbung in den Sprachen deutsch, französisch und italienisch beläuft sich auf 30.000 Franken. Überwacht wird die Tätigkeit der Internet- und der SMS-Seelsorge von einer ökumenischen Aufsichtskommission.

Mission ist nicht das Ziel

Die Basis der Internet- und der SMS-Seelsorge bilden nach wie vor «die christlichen Grundwerte», betonte Hans Peter Murbach. «Wir bieten wertvolle, nicht wertneutrale Beratung an», ergänzte Jörg Weisshaupt schmunzelnd. Allerdings würde man nicht missionieren, da man «seelische Notlagen von Menschen nicht ausnützen» wolle.

Mit dem Angebot von Internet- und SMS-Seelsorge wolle man «Kirche am Weg» sein, so Murbach. «Es geht darum, die Leute dort abzuholen, wo sie sind.» Deshalb habe man in den 1990er Jahren das Internet als das Medium der Zukunft nutzen wollen, um damit auch Jugendliche erreichen zu können. Das habe mancherorts zunächst «Stirnrunzeln» ausgelöst.

Nutzen kann das Angebot im Übrigen jede Person, die bei einem der Schweizer Provider ein Handy-Abonnement hat. Dies unabhängig von ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit. Seit 1. November läuft die Beratung via SMS über die Kurznummer «767».

Hinweis: seelsorge.net

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(kipa/bal/job)

10. Dezember 2009 | 16:09
Lesezeit: ca. 3 Min.
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