Menschen mit einer israelischen Flagge protestieren vor der Festhalle gegen das Roger-Waters-Konzert am 28. Mai 2023 in Frankfurt.
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Hunderte protestieren in Frankfurt gegen Roger-Waters-Konzert

Mehrere hundert Menschen haben am Nachmittag des Pfingstsonntags vor der Frankfurter Festhalle gegen das dort am Abend stattgefundene Konzert des britischen Rockmusikers Roger Waters demonstriert. Dem 79 Jahre alten Mitbegründer der Band «Pink Floyd» wird Antisemitismus vorgeworfen.

Vorausgegangen war dem Protest in Frankfurt ein Konzert von Roger Waters vergangene Woche in Berlin, das für Aufsehen sorgte. Dort zeigte sich der Musiker in Kleidern, die an einer SS-Uniform nicht unähnlich sind. Noch dazu liess er einen Schweineballon aufsteigen, der laut Zeuginnen und Zeugen angeblich einen Davidstern trug und feuerte mit einer Plastik-Maschinenpistole in die Menge.

Ermittlung gegen Volksverhetzung

Während des Konzerts wurden in riesigen roten Buchstaben die Namen getöteter Personen eingeblendet: so etwa derjenige der während der NS-Zeit ermordeten Anne Frank, aber auch der Name der palästinensischen Dschasira-Journalistin Schirin Abu Akle. Die Reporterin wurde 2022 bei einem israelischen Militäreinsatz in der Stadt Dschenin im besetzten Westjordanland getötet. Der kontroverse Auftritt von Waters hat nun ein rechtliches Nachspiel, wie Medien in Israel und Deutschland berichten. Der Staatsschutz ermittle wegen Volksverhetzung gegen Waters, bestätigte ein Sprecher.

Roger Waters auf seinem Konzert in Berlin, das für Aufsehen sorgte.
Roger Waters auf seinem Konzert in Berlin, das für Aufsehen sorgte.

Zudem löste der Vorfall bundesweite Proteste aus, wie in Frankfurt, um gegen das am gleichen Abend angesagte Konzert von Waters zu demonstrieren. Bei diesem Protest gehe es um ein deutliches Zeichen gegen Judenhass, betonten Vertreter der Jüdischen Gemeinde auf dem Vorplatz der Frankfurter Festhalle, auf den laut Polizei mindestens 500 Menschen kamen. «Wir möchten nicht tatenlos zusehen, wenn – gleich hier hinter uns – ein bekannter Antisemit und Verschwörungstheoretiker in Frankfurt wortwörtlich eine Bühne erhält», hiess es.

Es sei eine Entwürdigung der Opfer der Schoah, wenn in der Festhalle, wo im Zuge der Novemberpogrome von 1938 rund 3000 Juden zusammengetrieben, misshandelt sowie anschliessend in die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau deportiert worden seien, ein «derartiger Hassprediger» auftrete. Mit abstrusen Vergleichen habe Waters den Holocaust verharmlost.

Gedenkveranstaltung vor der Festhalle

Der Protest eines breiten Bündnisses aus Politik, Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft stand unter dem Motto «Frankfurt vereint gegen Antisemitismus». Zunächst fand eine Gedenkveranstaltung statt, während der Schülerinnen und Schüler mehrere hundert Namen der von der Festhalle deportierten Juden verlasen – in alphabetischer Reihenfolge.

Bei dem Gedenken lasen der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz und der evangelische Prodekan Holger Kamlah aus Psalmen. Kamlah rief zum «Kampf gegen offenen und versteckten Antisemitismus» auf. Zu Eltz sagte mit Blick auf Waters: «Wenn unverantwortlich gesprochen wird, müssen wir aufstehen.»

Die Polizei stand bereit, um eventuelle Ausschreitungen am Roger Waters Konzert in Frankfurt zu verhindern.
Die Polizei stand bereit, um eventuelle Ausschreitungen am Roger Waters Konzert in Frankfurt zu verhindern.

Um 18.00 Uhr pünktlich zum Konzerteinlass begann dann eine Protestkundgebung – zwei Stunden vor Konzertbeginn. Der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sagte mit Blick auf die Mainmetropole, die als «jüdischste Stadt Deutschlands» gilt: «Dass ausgerechnet hier in Frankfurt sich wieder die Stimme des Judenhasses erhebt, ist unerträglich.» Josef betonte: «Es gibt keinen Antisemitismus light. Antisemitismus ist Antisemitismus.»

Noch mehr als 500 Menschen

Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker sagte, jeder müsse überlegen, welches Zeichen er gegen Judenfeindlichkeit setzen könne. Es hätten noch mehr als die rund 500 Menschen hier sein können, sagte Becker nachdenklich. «Und wer nach diesem Vorlauf in die Festhalle geht, weiss auch, was er unterstützt, und zu wessen Geistes Kind er heute geht, um Musik zu hören.» Becker sprach auch von rechtlichen Lücken. Kunstfreiheit dürfe «nicht Hass und Hetze abdecken».

Protest gegen Antisemitismus in Frankfurt.
Protest gegen Antisemitismus in Frankfurt.

Um das Frankfurter Konzert von Waters hatte es eine juristische Auseinandersetzung gegeben. Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen wollten das Konzert absagen, das Frankfurter Verwaltungsgericht erlaubte den Auftritt. Das Gericht führte aus, dass sich Waters im Rahmen seiner Show zwar «offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik» bediene. Entscheidend sei, dass sein Auftritt in der Gesamtschau nicht den Schluss zulasse, dass der Musiker NS-Gräueltaten verherrliche oder relativiere.

Konzert verletze nicht die Menschenwürde

Das Gericht räumte zwar ein, dass «gerade vor dem historischen Hintergrund der Festhalle» Waters Bühnenshow «als besonders geschmacklos» zu bewerten sein möge. Das Konzert verletze aber «nicht die Menschenwürde der in der Festhalle misshandelten jüdischen Männer». Eine «schwerwiegende Beeinträchtigung des Geltungs- und Achtungsanspruchs der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden» lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen. Becker widersprach dem entschieden: «Heute wird hier die Würde von Juden mit Füssen getreten.» (kna)


Menschen mit einer israelischen Flagge protestieren vor der Festhalle gegen das Roger-Waters-Konzert am 28. Mai 2023 in Frankfurt. | © KNA
29. Mai 2023 | 10:09
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