Helena Jeppesen vom Hilfswerk Fastenaktion diskutiert an der schweizerischen synodalen Versammlung in Einsiedeln. Links Bischof Markus Büchel.
Porträt

Helena Jeppesen-Spuhler: «Die Weltkirche ist nicht so weit – dieses Killerargument ist entkräftet»

Als Mädchen durfte sie nicht ministrieren, ihr Bruder hingegen schon. Helena Jeppesen-Spuhler setzt sich für Gleichberechtigung in der Kirche ein. In Lateinamerika beobachtet die Fastenaktion-Mitarbeiterin, wie die Kirche einen Ruck erlebt. Dies wünscht sie sich auch für den synodalen Prozess in Europa. In Prag will sie die Bischöfe wachrütteln.

Regula Pfeifer

Helena Jeppesen-Spuhler (56) ist viel unterwegs. Kath.ch trifft sie im Café Oscar in der Bahnhofshalle Zürich. Sie spricht über ihre baldige Mission mit Bischof Felix Gmür nach Prag.

Sie führt an einen Tisch und zeigt erfreut auf die grosse brennende Kerze, die in einem Glas steht. Jeppesen-Spuhler ist eine der drei Frauen, die mitreist zur europäischen synodalen Versammlung in Prag im kommenden Februar. Sie steht also aktuell im Rampenlicht. Wie kommt sie dazu?

Drei Frauen: «ein starkes Zeichen»

Helena Jeppesen-Spuhler (r.) trat mit Mitra am Frauenkirchenstreik 2019 auf.
Helena Jeppesen-Spuhler (r.) trat mit Mitra am Frauenkirchenstreik 2019 auf.

Die Spurgruppe des synodalen Prozesses habe nach der Versammlung in Einsiedeln eine Namensliste mit möglichen Delegierten notiert, sagt sie. Darauf abstützend habe die Schweizer Bischofskonferenz bei ihr angefragt. «Hier mitwirken zu können, freut mich», sagt sie.

«Drei Frauen der Schweizer Kirche reisen nach Prag: Das ist ein starkes Zeichen», sagt Helena Jeppesen-Spuhler strahlend. «Ich hoffe, wir werden viel bewirken.» Und etwas leiser: «Das werden wir dann sehen.»

Helena Jeppesen-Spuhler im Zürcher Hauptbahnhof
Helena Jeppesen-Spuhler im Zürcher Hauptbahnhof

Die Katholikin findet es spannend, an diesem bisher einmaligen weltweiten Prozess in der Kirche mitzuwirken. «Ich spüre, das ist vielleicht die letzte Chance, die Kirche zu reformieren. Deshalb engagiere ich mich.»

Wenig erstaunt über ihre zentrale Rolle

Dass sie nun eine zentrale Rolle im synodalen Prozess innehat, erstaunt die engagierte Katholikin allerdings nicht wirklich. Sie verweist auf ihr ehrenamtliches Engagement in der Begleitgruppe des synodalen Prozesses im Bistum Basel. Und auf ihren Einsatz bei der reformorientierten «Allianz Gleichwürdig Katholisch».

Helena Jeppesen (r.) an der synodalen Versammlung des Bistums Basel
Helena Jeppesen (r.) an der synodalen Versammlung des Bistums Basel

Zugute komme ihr auch ihre Mitarbeit bei Fastenaktion. Helena Jeppesen-Spuhler arbeitet zu 70 Prozent beim katholischen Hilfswerk und ist Länderverantwortliche für die Philippinen. «Ich habe Verbindungen zu synodalen Prozessen in der Weltkirche, besonderes in Lateinamerika und Asien», sagt sie. Fastenaktion arbeite an weltweiten Transformationsprozessen. Und dabei vernetze sich das Hilfswerk eng mit kirchlichen Gemeinschaften und NGOs vor Ort.

Lateinamerika macht ihr Mut

So erfährt Helena Jeppesen-Spuhler einiges, was andere nicht wissen. Etwa, dass in Lateinamerika in Zukunft eine Kirchenkonferenz anstelle der Bischofskonferenz wichtige pastorale Entscheide treffen werde. Im November 2021 tagte sie das erste Mal in Mexiko. Darin entscheiden nichtgeweihte Katholikinnen und Katholiken mit über die wegweisenden Fragen der Kirche. «Diesen Prozess hat Papst Franziskus sehr unterstützt», weiss Jeppesen.

Helena Jeppesen-Spuhler (l. unten) auf einer Kolumbienreise mit dem Hilfswerk Fastenaktion.
Helena Jeppesen-Spuhler (l. unten) auf einer Kolumbienreise mit dem Hilfswerk Fastenaktion.

Das Beispiel Lateinamerika macht Helena Jeppesen Mut: Das zeige: Vieles sei möglich. «Wir sind in der Schweiz auch auf dem Weg, ein nationales synodales Gremium zu schaffen. Die Denkarbeit dazu hat nach der Versammlung in Einsiedeln begonnen.» Auch den jüngsten synodalen Prozess in Asien hat sie verfolgt. Dort gebe es ebenfalls eine ermutigende Entwicklung.

Eine Stärkung der Frauen fordert auch die Kirche in Afrika

«Die Weltkirche ist nicht so weit – dieses Killerargument ist entkräftet», sagt die kirchenpolitisch Engagierte. Das weiss sie nicht nur dank ihrer weltweiten Kontakte. Das geht für sie auch klar aus dem Arbeitspapier hervor, das die Grundlage für die Versammlung in Prag bildet. Darin werde eine Stärkung der Rolle der Frauen von überall her gefordert – auch seitens afrikanischer Bischofskonferenzen. Und dies entgegen der verbreiteten Meinung, dass von diesem südlichen Kontinent vor allem konservative Strömungen herkommen.

«Die Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken weltweit wünscht sich Reformen. Dies geht aus dem Synodenpapier hervor «, ist Jeppesen überzeugt. «Der Prozess ist also breit abgestützt: Die Reformen müssen angepackt werden.» Die Kirche müsse erst im eigenen Haus aufräumen. Nur so könne sie sich gegen aussen glaubwürdig für Gerechtigkeit einsetzen.

Helena Jeppesen-Spuhler in Rom.
Helena Jeppesen-Spuhler in Rom.

Und was wäre ihre grösste Enttäuschung in Prag? «Wenn die Anliegen der Schweiz nicht auf die Agenda kämen», so die Delegierte. Die ersten fünf Tage sind für alle Delegierten offen, die letzten drei Tage nur für die Bischöfe. «Wir klären gerade ab, ob wir an der Versammlung der Bischöfe als Beobachtende teilnehmen können», sagt Helena Jeppesen-Spuhler. Ziel sei, über die ganze Versammlung auch öffentlich zu berichten.

Keine Angst vor dem Rampenlicht

Dass sie damit ins mediale Rampenlicht katapultiert wird, beunruhigt sie kaum. «Ich stand bereits als Bundespräses von Jungwacht-Blauring im Rampenlicht», sagt sie. Das war vor rund 20 Jahren – da war sie um die 35. Auch damals habe sie sich öffentlich geäussert. Fürs Foto stellt sie später sich unkompliziert in die Bahnhofshalle.

Helena Jeppesen-Spuhler organisierte als Bundespräses der Jubla ein Ranfttreffen.
Helena Jeppesen-Spuhler organisierte als Bundespräses der Jubla ein Ranfttreffen.

«Ich bin stark geprägt von Erfahrungen in der kirchlichen Jugendarbeit, sagt Helena Jeppesen-Spuhler. In Wislikofen im Kanton Aargau, wo sie aufwuchs, habe es eine sehr gute kirchliche Jugendarbeiterin gehabt. Dank ihr hätten sie als Jugendliche selbstständig regionale Ostertreffen und Jugendtreffs organisieren können. «Da habe ich das Prinzip Empowerment selbst erlebt», sagt Helena Jeppesen. Das sei auch in der Entwicklungszusammenarbeit für Fastenaktion sehr wichtig.

Empowerment in Grenzen

Dass das Empowerment allerdings in der Kirche seine Grenzen hat, hat die junge Aargauerin bereits früh gemerkt. So durfte sie als Mädchen damals nicht ministrieren – im Unterschied zu ihrem Bruder.

Den Kontakt zur Kirche hat Helena Jeppesen behalten. Sie besuchte in Luzern das katechetische Institut, das heutige Religionspädagogische Institut (RPI). Auch dort wurden ihr die Grenzen wiederum bewusst, die die Kirche ihr als Frau setzte. Anschliessend arbeitete sie als Katechetin und Jugendarbeiterin in verschiedenen Pfarreien.

Studierende vor der Universität Luzern.
Studierende vor der Universität Luzern.

Es folgte die Zeit in der Bundesleitung der Jubla. Helena Jeppesen leitete das Ranfttreffen in ihrer Funktion als Bundespräses der Jugendstufe. 2001 stieg sie bei Fastenopfer als Bildungsverantwortliche ein – und profitierte dabei von ihrer Ausbildung und Erfahrung in Katechese und Jugendarbeit.

Arbeit im weltweiten Netzwerk

Dann wurde im Philippinenprogramm eine Stelle frei, bei der eng mit kirchlichen Partnern gearbeitet wurde. Helena Jeppesen rückte nach – und holte berufsbegleitend das Nachdiplom für Entwicklungszusammenarbeit an der ETH Zürich nach.

«Es ist spannend, in einem weltweiten Netzwerk zu arbeiten», sagt sie. Und dabei an einem weltweiten Wandel mitzuwirken. Rund zweimal pro Jahr reist sie in die Philippinen. Das wird sie auch rund zwei Wochen nach Prag wieder tun.

Helena Jeppesen (links) bei einem Partnerprojekt von Fastenopfer auf den Philippinen, 2018.
Helena Jeppesen (links) bei einem Partnerprojekt von Fastenopfer auf den Philippinen, 2018.

Beim Uno-Menschenrechtsrat in Genf

Und zwischendurch bringt sie am Uno-Menschenrechtsrat in Genf Anliegen von philippinischen Menschenrechtsorganisationen ein – gemeinsam mit Partnerorganisationen. Das weltweite Vorgehen fasziniert sie auch am synodalen Prozess.

Auch in ihrem Alltag ist Helena Jeppesen unterwegs. Sie wohnt mit ihrem Ehemann in Reinach BL und pendelt zweimal pro Woche nach Luzern – zur Arbeit bei Fastenaktion. Oder sie besucht ihre Mutter in Wislikofen. «Care-Arbeit», sagt sie dazu schmunzelnd. Gottesdienste besucht sie in Basel, Reinach, Wislikofen und anderswo. «Ich mag die Abwechslung.»

Die Allianz Gleichwürdig Katholisch mit Helena Jeppesen-Spuhler (4.v.r.)
Die Allianz Gleichwürdig Katholisch mit Helena Jeppesen-Spuhler (4.v.r.)

Kontaktfreudig – und kontemplativ

Helena Jeppesen liebt es, andere Menschen zu treffen, bekannte, befreundete, verwandte, aber auch bisher unbekannte. «Das gibt mir viel», sagt sie und strahlt es auch aus. Das kommt ihr bei ihrem beruflichen und ehrenamtlichen Engagement zugute. Gleichzeitig bewegt sie sich auch gerne draussen, in der Natur und im Schnee.  

Und dann ist da noch das Kontemplative. Ein- bis zweimal pro Jahr zieht sie sich für rund zehn Tage zurück für kontemplative Exerzitien. Früher ins Seminarhaus Bruchmatt Luzern, heute ins Lasalle-Haus in Bad-Schönbrunn oder ins Bildungshaus Batschuns bei Feldkirch. «Da kann ich voll abtauchen, das tut gut», sagt sie. Wobei: So lange zu schweigen sei nicht immer einfach. Und doch übt sie sich schon lange darin, seit ihrem Studium in Luzern.


Helena Jeppesen vom Hilfswerk Fastenaktion diskutiert an der schweizerischen synodalen Versammlung in Einsiedeln. Links Bischof Markus Büchel. | © Christian Merz
3. Januar 2023 | 05:00
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