Helena Jeppesen-Spuhler in Rom.
Story der Woche

Helena Jeppesen: «Mich freut, dass die Gleichberechtigung der Frau als Anliegen nach Rom geht»

Helena Jeppesen* hat die Aufbrüche der Kirchen in Lateinamerika und Asien miterlebt – als Mitarbeiterin von Fastenaktion. Sie findet: Davon könnte die Schweiz einiges lernen. Und sie freut sich, dass das Bistum Basel die Frauenfrage nach Rom schickt.

Regula Pfeifer

Sie sind mir als Synodenexpertin empfohlen worden. Woher kommt das?

Helena Jeppesen: Ich habe als Mitarbeiterin von Fastenaktion von nahe mitbekommen, wie sich die Kirche Lateinamerikas in den letzten Jahren verändert hat und wie sich auch die Kirche Asiens aufmacht zu einer Kirchenversammlung. Davon können wir einiges lernen in der Schweiz.

Was meinen Sie?

Jeppesen: In Lateinamerika hat die Kirche bereits Strukturen geändert auf dem Weg hin zu einer synodaleren Kirche. Die bisherigen grossen kontinentalen Konferenzen der Bischöfe, die pastorale Schwerpunkte setzten, wird es so nicht mehr geben. Im November fand in Mexiko die erste Kirchenversammlung Lateinamerikas und der Karibik statt. Damit entscheiden nicht mehr einfach hochrangige Kleriker über die wichtigen Fragen der Kirche. Sondern viele Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen suchen den Weg, wie die Kirche sich entwickeln soll.

Gottesdienst an der Amazonas-Synode, 2019
Gottesdienst an der Amazonas-Synode, 2019

«In der lateinamerikanischen Kirche ist eine positive Dynamik entstanden.»

Hatte die Amazonassynode damit zu tun?

Jeppesen: Ja, sie war eine Art Lernfeld für synodales Arbeiten. Danach wurde der Bischofsrat (CELAM) umstrukturiert und für Nichtgeweihte geöffnet. Es ist eine positive Dynamik entstanden. Ich bin überzeugt, dass sich der Papst davon hat inspirieren lassen.

Wie hat dies den Papst inspiriert?

Jeppesen: Papst Franziskus stammt ja aus Lateinamerika. Er kennt das prozesshafte Schaffen, das da entstanden ist. Ich bin überzeugt: Dies mutet er nun auch der Weltkirche zu. Und das ist absolut notwendig.

«Wir müssen nach innen verwirklichen, was wir nach aussen verkünden.»

Weshalb ist das notwendig?

Jeppesen: Wir müssen nach innen verwirklichen, was wir nach aussen verkünden. Die Kirche muss unbedingt ihre Strukturen ändern, wenn sie wieder glaubwürdig werden will. Die Glaubwürdigkeit hat unter anderem auch wegen der Missbrauchsskandale extrem abgenommen. Das bekommt Fastenaktion als kirchliches Hilfswerk zu spüren. Aber auch die kirchlichen Frauen- und Jugendverbände leiden unter dem Image-Verlust.

Sie haben letzte Woche an der synodalen Versammlung in Basel mitgewirkt. Sind Sie zufrieden mit dem Resultat?

Jeppesen: Inhaltlich bin ich sehr zufrieden. Wir haben gute Anliegen an Rom gerichtet. Diese kamen ja von der Basis und sind durchaus im Sinn der reformorientierten Kräfte in der Kirche.

«Mir wurde schmerzhaft bewusst, wie weit der Weg zur Gleichberechtigung noch ist.»

Was freut Sie am meisten?

Jeppesen: Dass die Gleichberechtigung der Frau in der Kirche als bedeutendes Anliegen nach Rom geht. Das kommt mehrfach im Synodenbericht vor. Ich weiss, dass dies in vielen anderen Ländern ebenfalls ein grosses Anliegen ist. Auch in den afrikanischen Ländern gibt es Frauen und Männer, die finden: Diese Frage muss dringend angepackt werden. An der Versammlung in Basel wurde mir wieder einmal schmerzhaft bewusst, wie weit der Weg dazu auch im Bistum Basel noch ist.

Inwiefern schmerzhaft?

Jeppesen: Bei der Eucharistiefeier am letzten Freitagabend war eine grosse Diskrepanz sichtbar zwischen dem vorher Diskutierten und der Art, wie die Feier umgesetzt wurde. Die Feier gestalteten vier Priester, zwei Theologinnen und zwei Theologen. Beim Hochgebet standen die Priester vorne am Altar und die nichtgeweihten Theologinnen und Theologen einen Schritt zurück. Ich war nicht die Einzige, die bei diesem starken Bild einer klerikal geprägten Kirche weinen musste.

Josef Stübi debattiert bei der synodalen Versammlung in Basel.
Josef Stübi debattiert bei der synodalen Versammlung in Basel.

Gab es eigentlich keine konservativen Gegenstimmen an der Synode?

Jeppesen: Doch, wir hatten sehr gute Gespräche mit Konservativen. Doch allen war klar, dass es darum geht, die Anliegen der Basisumfrage weiterzutragen.

«Ich glaube, dass die Anliegen sehr wohlwollend aufgenommen werden von den Kommissionen der Synode.»

Wie, denken Sie, wird das im Vatikan aufgenommen?

Jeppesen: Ich glaube, dass die Anliegen sehr wohlwollend aufgenommen werden von den Kommissionen der Synode. Wer die Dokumente zur Vorbereitung der Synode gelesen und Interviews des Sekretariats der Synode mitverfolgt hat, spürt die Offenheit für Veränderung.»

«Es ist wichtig, dass Prozesshafte und Partizipative weiter zu pflegen.»

Wie muss der synodale Prozess weitergehen?

Jeppesen: Es ist wichtig, das Prozesshafte und Partizipative weiter zu pflegen auf Bistumsebene und in der Kirche Schweiz.

Theresia Hardegger (r) bringt sich an der Basler Synode ein. Rechts von ihr Ordensfrau Beatrice Kohler und Helena Jeppesen
Theresia Hardegger (r) bringt sich an der Basler Synode ein. Rechts von ihr Ordensfrau Beatrice Kohler und Helena Jeppesen

Ist das nicht so vorgesehen?

Jeppesen: Das kam im Bistum Basel nicht klar hervor. Ich finde: Auf Bistumsebene müsste unbedingt die Arbeitsgruppe «Weg der Erneuerung» den Prozess vor Ort steuern. Das sollte nicht die Bistumsleitung allein übernehmen. Und dann muss auch eine Koordinationsgruppe für den synodalen Prozess auf nationaler Ebene bestimmt werden. Es sind ja mehrere synodale Treffen geplant in den nächsten Monaten – auf nationaler und auf europäischer Ebene.

«Es braucht mindestens 30 Prozent Frauen in Führungspositionen.»

Welche Anliegen müssen im Bistum umgesetzt werden?

Jeppesen: Wichtig sind transparente und partizipative Entscheidungsprozesse, die neu definiert werden müssen. Und es braucht mindestens 30 Prozent Frauen in Führungspositionen im Bistum.

*Helena Jeppesen arbeitet beim Hilfswerk Fastenaktion. Sie ist zudem in der Allianz Gleichwürdig Katholisch und im Catholic Women’s Council aktiv.

Helena Jeppesen-Spuhler in Rom. | © zVg
28. Januar 2022 | 05:00
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