Heavy-Metal-Gottesdienst
Schweiz

«Grosser Gott wir loben dich» als Heavy-Metal-Event in Kirchenmauern

Niederbipp BE, 23.3.17 (kath.ch) Der Kirchenklassiker «Grosser Gott wir loben dich» soll im Herbst in einem Heavy-Metal-Konzert in Bern ertönen. Mit-Initiant von «Organ Meets Metal» ist der reformierte Pfarrer Samuel Hug (35). Seit Anfang Jahr betreut er die Pfarrei Niederbipp. Zuhause ist er aber auch in der internationalen Heavy-Metal-Szene.

Georges Scherrer

Samuel Hug, Sie gelten als der Heavy-Metal-Pfarrer von Niederbipp. Sie sind bald hundert Tage im Amt. Wie haben Sie die ersten drei Monate in Niederbipp Heavy-Metal-mässig erlebt?

Samuel Hug: Intensiv. Wir mussten einerseits in Folge des nötig gewordenen Ortswechsels für gewisse Angebote der Metalchurch ganz viel neu aufgleisen und organisieren. Und das breite Medieninteresse in Folge meines Kirchgemeindewechsels hat ganz viel in der Bevölkerung ausgelöst. Beim ersten Metalchurch-Event in Niederbipp waren dann mehr Leute denn je anwesend. Auch beim Bibel, Bier & Metal sind neue Gesichter aufgetaucht.

Welche ist Ihre Lieblingsband und warum?

Hug: Meine Lieblingsband heisst Signum Regis, kommt aus der Slowakei und spielt Power Metal. Die Mischung aus Melodie und Power, vorgetragen von derart begabten Menschen, gepaart mit Texten, die auf überlegte Art und Weise immer wieder christliche Themen verarbeiten, trifft einfach tief in mein Herz. Tief geht es auch, weil ich die Männer persönlich kenne und sie mich auch als Menschen überzeugen. Ihre Leidenschaft für die Sache gepaart mit Demut ist einfach berührend.

Die Mischung aus Melodie und Power, vorgetragen von derart begabten Menschen, trifft einfach tief in mein Herz

Heavy Metal wird eher mit Hölle, Gewalt, Okkultismus, Satanismus und Neuheidentum als mit Christentum und Jesus in Verbindung gebracht. Täusche ich mich mit dieser Aussage?

Hug: Jein. Diese Themen sind tatsächlich sehr präsent in der Metalszene – aber nicht nur! Der Umgang damit ist auch sehr unterschiedlich. Von ernsthaft-praktizierend bis augenzwinkernd-kokettierend ist alles dabei. Die Frage ist also, was steckt hinter der Fassade? Wo werden aus christlicher Sicht kritisch-konstruktiv Fragen des Glaubens und Lebens aufgenommen, wo wir als Christen ins Gespräch einsteigen können? Wo hingegen muss ich mich abgrenzen? Sicher ist: Wer Heavy-Metal-Fans einfach pauschal als Teufelsanbeter abtut, tut dem Grossteil der Metaller massiv unrecht.

Wo sehen Sie die Grenzen in den gesungenen Worten von Heavy Metal, so dass Sie das Stück nicht mehr in der Kirche abspielen würden?

Wenn aber ein Song zur kritischen Reflexion einlädt, lasse ich mich gerne darauf ein

Hug: Die Grenze liegt für mich dort, wo Okkultismus, Gewalt, Rassismus, Pornographie, Blasphemie, usw. verherrlicht wird. Wenn aber ein Song zur kritischen Reflexion einlädt und vielleicht den Finger in wunde Punkte unserer Glaubenspraxis legt und blinde Flecken unserer kirchlichen Welt aufzeigt, lasse ich mich gerne darauf ein.

Metalgottesdienste feiern Sie nicht nur in der Kirche, wie das Beispiel vom 25. Februar in der Bluesbeiz zeigt. Warum dieses Ausweichen von einem Gotteshaus in ein Szenenlokal? Was ist dort noch «gottesdienstlich»?

Hug: Die Metalgottesdienste feiern wir ausschliesslich in Szenelokalen. In der Kirche haben wir erst dreimal Konzerte veranstaltet. Gerade weil die Metaller oft sehr kirchenkritisch sind, wollen wir ihnen dort begegnen, wo sie schon sind und die Schwelle so tief wie möglich halten. Nach reformiertem Verständnis ist ein Gottesdienst nicht von einem geweihten Ort abhängig, frei nach Jesus in Johannes 4:23 «Es kommt die Zeit – und sie ist schon da -, in der die Menschen den Vater überall anbeten werden, weil sie von seinem Geist und seiner Wahrheit erfüllt sind.» Gottesdienstlich ist alles an diesen Gottesdiensten im Szenelokal, auch wenn die Sprache, die Themen und das Gewand «metallisch» ist: Wir beten, ich predige, wir feiern Abendmahl, zusammen mit einer Band beten wir Gott an, wir bekennen den Glauben, wir beten für die Welt und auch der Segen gehört dazu.

Wieviele Metalgottesdienste feiern Sie im Jahr?

Hug: Die Events mit den Gottesdiensten und den anschliessenden Konzerten finden viermal pro Jahr statt.

Ich versuche nicht, irgendwelchen Leuten ungefragt Metal aufzudrängen

Sind die «gewöhnlichen» Gemeindegottesdienste von Rockmusik ausgenommen oder versuchen Sie auch dort Ihre Botschaft «Die stärkste Botschaft braucht die stärkste Musik» unterzubringen?

Hug: Musik ist Geschmackssache, darum versuche ich auch nicht, irgendwelchen Leuten ungefragt Metal aufzudrängen. Durch meinen Weg in der Metalszene ist aber auch meine «gewöhnliche» pfarramtliche Arbeit kultursensibler und meine Verkündigung kantiger geworden.

Konnten Sie auch schon ökumenisch mit Heavy Metal in einer katholischen Kirche auftreten?

Hug: Nein, abgesehen von einer Hochzeit, gab es noch keine Auftritte oder Gottesdienste in einer katholischen Kirche. Wir hatten aber an unserem jährlichen Festival «Elements of Rock» in Uster schon katholische Metalbands auf der Bühne. Der Keyboarder der italienischen Band «Metatrone» ist sogar Priester.

Wann gibt es den ersten Liveauftritt in der Kirche

Hug: Die Konzerte in Wattenwil sind leider Geschichte. Ob es dran ist, in meiner neuen Kirche in Niederbipp Metalkonzerte durchzuführen, muss sich erst noch zeigen. In diesem ersten Jahr ist die Zeit dafür sicher noch nicht reif. Im Herbst wird es jedoch erstmals ein Konzert «Organ Meets Metal» in der Reformierten Kirche Bern-Bethlehem geben.

Sie machen vor dem Kirchengesangbuch nicht Halt. Im Herbst führen sie Kirchengesangbuchklassiker im Metalgewand auf der Kirchenorgel auf. Heisst das, dass sie das Steuer herumreissen und Heavy Metal nicht in die Kirche kommt, sondern die Kirche zu Heavy Metal?

Das Ganze wird in Form einer reformierten Liturgie arrangiert

Hug: Das Projekt «Organ Meets Metal» ist ein Herzensprojekt. Adrian Maurer, Jugendarbeiter in Bethlehem und ich wollen zwei Dinge zusammenbringen, die wir beide von Herzen lieben: Heavy-Metal und das Kirchengesangbuch. Das Ganze wird in Form einer reformierten Liturgie arrangiert und in Konzertform aufgeführt, quasi eine reformierte Metal-«Messe». Wir hoffen damit verschiedene Menschen zusammenzubringen: Metaller und Kulturinteressierte.

Welche Lieder werden für die Feier speziell vertont? Muss die Gemeinde diese etwa während des Gottesdienste herausschreien?

Hug: Nein, bei der Aufführung von «Organ Meets Metal» muss niemand mitschreien. In den Metalgottesdiensten schreit zumindest ein Teil der Gottesdienstgemeinde tatsächlich mit. «Bei Organ Meets Metal» gibt’s unter anderem Metal-Klassiker wie «Thunderstruck» oder «Master of Puppets» im Gespräch mit Gesangbuchklassikern wie «Oh komm du Geist der Wahrheit» oder «Grosser Gott wir loben dich».

 

 

Heavy-Metal-Gottesdienst | © zVg
23. März 2017 | 14:04
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