Gold-Kunst im Kloster Müstair.
Schweiz

Goldschatz oder nicht? Vergeudet die Kirche bei den Immobilien Talente?

Die reformierte Kirche in Zürich hat hübsche Häuser in bester Lage. Und die katholische Kirche in Luzern hat Liegenschaften, von denen Maklerinnen und Makler träumen. Der Immobilienexperte und Theologe Ansgar Gmür wirft den Kirchen vor, sich ein Millionengeschäft entgehen zu lassen.

Wolfgang Holz

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten ist im Evangelium ziemlich eindeutig: Es reicht nicht, Geld vor sich hin schlummern zu lassen. Sondern man soll es vermehren.

Kirchen prägen das Dorf- und Stadtbild

Der ehemalige Direktor des Hauseigentümerverbandes Schweiz (HEV), Ansgar Gmür (69), hat später ein Theologiestudium draufgesattelt. Und behauptet nun in einer Studie: Die Kirche vergeudet in Sachen Immobilien ihre Talente.

Fast so schön wie Castelgandolfo: Bischof Joseph Bonnemain hat eine Dienstwohnung in bester Halbhöhenlage.
Fast so schön wie Castelgandolfo: Bischof Joseph Bonnemain hat eine Dienstwohnung in bester Halbhöhenlage.

Damit hat Ansgar Gmür eine emotionale Debatte entfacht: Dürfen Kirchen mit ihren Immobilien maximalen Profit erzielen? Darf eine Pfarrei ein Gotteshaus verkaufen, wenn ein riesiges Loch in der Kasse klafft? Oder einfach abreissen? Schliesslich prägen Kirchen auch das Dorf- und Stadtbild. Hinzu kommt der Denkmalschutz, der Umbauplänen und Nutzungsänderungen oft einen Riegel vorschiebt. Nicht selten haben Kirchgemeinden auch Skrupel vor einer unchristlichen Profitgier.

Vorwurf: Die Kirchen vernachlässigen das Immobilien-Portfolio

Laut Ansgar Gmür werden mehr als 75’000 Gebäude in der Schweiz der reformierten und der katholischen Kirche zugeschrieben. Doch die Dunkelziffer sei hoch – Gmür rechnet mit deutlich mehr kirchlichen Liegenschaften.

Schicker Neubau, gute Lage – aber nicht profitabel: die Zürcher Paulus-Akademie.
Schicker Neubau, gute Lage – aber nicht profitabel: die Zürcher Paulus-Akademie.

«Die Kirchen vernachlässigen ihr Immobilien-Portfolio komplett», kritisiert der reformierte Theologe gegenüber blick.ch. Der ehemalige Direktor des Hauseigentümerverbands geht davon aus, dass die kirchlichen Immobilien einen Wert von mindestens 2,5 Milliarden Franken haben. 

Die meisten Immobilien werden intern verwaltet

Die Immobilien seien für die Kirchen eine erhebliche finanzielle Last, geht aus der Studie hervor. «Andere verdienen mit Immobilien Geld, die Kirchen verlieren damit Geld», lautet Gmürs Fazit. Allein die Zürcher Reformierten geben laut Studie 49 Millionen Franken im Jahr für ihren Gebäudepark aus. «Für die Kirchen sind die Immobilien oftmals der drittgrösste Ausgabenposten», rechnet Gmür vor.

Baustellengottesdienst in Thalwil.
Baustellengottesdienst in Thalwil.

Mehr als 100 Kirchgemeinden in der gesamten Deutschschweiz hat Gmür für seine Studie befragt. Fast die Hälfte hat angegeben, sich überhaupt nicht um das eigene Immobilien-Portfolio zu kümmern. Knapp 90 Prozent sagten, die Immobilien würden intern verwaltet. 

In Luzern ist die Kirche eine profitable Bauherrin

«Statt eines Profis kümmert sich irgendein Mitglied der Kirchenpflege oder des Kirchenrats nebenbei um die Immobilien, das kann nicht gut gehen», hält Gmür gegenüber blick.ch fest. Dabei könnten die Kirchen zusätzliche Einnahmen dringend gebrauchen, denn die Kirchensteuern dürften in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr so kräftig sprudeln wie bislang.

Die Kirche als Vermieterin im Luzerner Quartier Wesemlin.
Die Kirche als Vermieterin im Luzerner Quartier Wesemlin.

Kirche und Immobilienwirtschaft – zum Teil geht das aber schon jetzt Hand in Hand. Zum Beispiel Luzern. Hier ist die Kirche zu einer profitablen Bauherrin geworden. »Die katholische Kirche der Stadt Luzern hat seit Längerem Strategien für die Immobilien festgelegt», sagt Sprecher Urban Schwegler zu kath.ch. 

Auch das Frauenkloster Heiligkreuz hat Mieteinnahmen

Das Areal Unterlöchli etwa wurde von der Kirchgemeinde Luzern von 2010 bis 2012 gebaut. 2021 gab’s einen Bruttoertrag von rund 2,5 Millionen Franken – bezogen auf «alle Liegenschaften des Finanzvermögens», wie Urban Schwegler erläutert. Erst im August wurde das neue Quartierzentrum Wesemlin eingeweiht. Und im Sommer wurde die Wohnüberbauung Ausserschachen in Ebikon mit 46 Miet- und 21 Eigentumswohnungen fertiggestellt. «Die Erträge werden für kirchliche Tätigkeiten verwendet», sagt Urban Schwegler.

Hier lässt sich Geld verdienen: Die Siedlung Heiligkreuz als Ersatz für das ehemalige Lehrerinnenseminar.
Hier lässt sich Geld verdienen: Die Siedlung Heiligkreuz als Ersatz für das ehemalige Lehrerinnenseminar.

Mieteinnahmen hat auch das Frauenkloster Heiligkreuz in Lindencham im Kanton Zug. Statt eines leerstehenden Lehrerinnenseminars gibt’s nun einen Neubau mit 82 Wohnungen, einer Kindertagesstätte und einem Bistro. Seit 2020 fliesst ein üppiger Baurechtszins regelmässig in die Klosterkasse der Olivetaner-Benediktinerinnen.

Vergleichsweise wenig Liegenschaften in Zürich

«Wir sind sehr zufrieden mit unserer neuen Nachbarschaft», sagt Schwester Mattia zu kath.ch. Die regelmässige Einnahmequelle dank der Mietzahlungen sei sehr wichtig. «Der Pflegebereich im Kloster, in dem derzeit 22 Schwestern betreut werden, ist für uns ebenfalls eine wichtige Institution – wollen wir doch in Würde zusammen alle älter werden können», meint sie.

Der ehemalige Generalvikar Josef Annen hatte eines der begehrtesten Dienstwohnungen Zürichs.
Der ehemalige Generalvikar Josef Annen hatte eines der begehrtesten Dienstwohnungen Zürichs.

Doch nicht überall verfügt die Kirche über einen so grossen Schatz an Immobilien wie in den katholischen Stammlanden. «Die katholische Kirche im Kanton Zürich ist historisch gesehen eine sehr junge Kirche und hat deshalb kein grosses Immobilienportfolio», sagt Sprecher Simon Spengler.

Verantwortungsvoll mit den Talenten umgehen

Die meisten kirchlichen Immobilien würden als Gotteshäuser, Pfarreizentren oder Büros genutzt. Nur «ein paar wenige Liegenschaften» würden auf dem Wohnungsmarkt vermietet. Und das solle auch die Ausnahme bleiben, findet Spengler.

Container in Chur: Im Vordergrund das Osterfeuer 2021, im Hintergrund eine Baustelle.
Container in Chur: Im Vordergrund das Osterfeuer 2021, im Hintergrund eine Baustelle.

Die Kirche sei fürs Gemeinwohl da – und nicht, um Profit zu machen. Dort, wo Liegenschaften nicht genutzt würden, sollten «neue gemeinschaftsstiftende Nutzungsformen» entwickelt werden. Oder, biblisch gesprochen: Auch für die Kirche gilt, verantwortungsvoll mit ihren Talenten umzugehen.


Gold-Kunst im Kloster Müstair. | © Mattia Vacca
25. Oktober 2022 | 18:29
Lesezeit: ca. 3 Min.
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