Erzbischof Wolfgang Haas an der Abdankung von Fürstin Marie von und zu Liechtenstein.
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«Gestörtes Vertrauen»: Reformgruppe kritisiert Erzbischof Wolfgang Haas

«Wir fühlen uns nicht gehört. Wir wünschen uns eine farbenfrohe Kirche», sagt der Verein für eine offene Kirche in Liechtenstein. Die Reformgruppe wirft Erzbischof Wolfgang Haas vor, den synodalen Prozess zu boykottieren – und beschwert sich bei Nuntius Martin Krebs.

Raphael Rauch

Seit Wolfgang Haas 1997 Erzbischof von Vaduz wurde, ticken die Kirchenuhren im Fürstentum anders. Aus dem aufgeschlossenen Dekanat Liechtenstein wurde eine Hochburg für konservative Kleriker. 

«Wolfgang Haas hat vieles rückgängig gemacht»

Priesteramtskandidaten aus Deutschland, die von ihren Heimatbischöfen abgelehnt wurden, empfingen von Erzbischof Wolfgang Haas die Priesterweihe. Freunde der lateinischen Messe stossen im Fürstentum auf offene Türen. Immer wieder ist Erzbischof Wolfgang Haas bei Feierlichkeiten der Petrusbrüder zu sehen.

Günther Boss
Günther Boss

Früher seien die Katholikinnen und Katholiken in Liechtenstein stolz auf die Reformen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gewesen, teilt die Reformgruppe mit. «In Liechtenstein wurde unter Erzbischof Haas vieles wieder rückgängig gemacht», heisst es in einem am Mittwoch vorgestellten Bericht. 

Perfide und zynisch

«Manche feiern lieber einen Gottesdienst am Radio oder Fernsehen mit, als in der eigenen Pfarrei eine unnatürlich zelebrierte Messe mit pathetisch gehauchten Einsetzungsworten und nichtssagender Predigt zu besuchen», hält der Bericht fest. «Der Wunsch nach lebendigen und alltagsbezogenen Predigten und Gottesdiensten ist gross.»

Christel Kaufmann
Christel Kaufmann

Der Verein für eine offene Kirche kritisiert, dass Erzbischof Wolfgang Haas den vom Papst angestossenen synodalen Prozess nicht umgesetzt habe. Und zwar mit der Begründung, dass in Liechtenstein die Wege kurz seien und jeder seine Anliegen direkt darlegen könne. Diese Argumentation hält die Reformgruppe für perfide und zynisch.

Die Amtskirche schenkt den Randgruppen kein Gehör

Aus Protest haben die Reformkatholikinnen und Reformkatholiken am Bischof vorbei einen synodalen Prozess im Fürstentum lanciert. 250 Menschen hätten sich beteiligt. Die nun vorgelegten Ergebnisse ähneln jenen, wie sie in der Schweiz oder in Deutschland diskutiert werden. 

Der schwule Theologe Bruno Fluder engagiert sich in Liechtenstein.
Der schwule Theologe Bruno Fluder engagiert sich in Liechtenstein.

Vor allem Frauen, Flüchtlinge, queere Menschen, Kranke, Behinderte, Arme, Hinterbliebene, Jugendliche, Suchtkranke und Menschen in sozialen Berufen fühlten sich in der Kirche oft nicht gehört. «Es wird meist festgehalten, dass die Amtskirche diesen Randgruppen kein Gehör schenkt», hält der Bericht fest.

Mangelnde Aufarbeitung des Missbrauchskomplexes

Der Bericht kritisiert, «dass an manchen Orten des Erzbistums bestimmten Menschen der Kommunionempfang verweigert werde. Dies wird als No-go qualifiziert.» Auch prangert der Bericht mangelndes Vertrauen zwischen den Gläubigen und den Klerikern an. 

Der Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas, mit der Ernennungsurkunde am 21. Dezember 1997 in der Sankt-Florin-Kirche in Vaduz.
Der Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas, mit der Ernennungsurkunde am 21. Dezember 1997 in der Sankt-Florin-Kirche in Vaduz.

Aufgrund negativer Kommunikationserfahrungen sei das Vertrauen zu Priestern und zum Erzbischof «oft gestört. Dazu gehört, dass Anliegen, die formuliert wurden, oft einfach ignoriert werden.» Auch kritisiert der Bericht eine mangelnde Aufarbeitung des Missbrauchskomplexes.

Konkrete Forderungen

Der Bericht enthält auch konkrete Forderungen. «Die Kirche muss sich öffnen, auf die Menschen zugehen, zuhören, ihre Sorgen, Ängste und Bedürfnisse ernst nehmen», teilt die Reformgruppe mit. «Diskriminierende Äusserungen einzelner Vertreter des Lehramtes haben in den letzten Jahren immer wieder und nachhaltig die Bemühungen zerstört, ausgeschlossenen Menschengruppen die Türen zu öffnen.»

Schild vor den Stufen in der Kathedrale Vaduz.
Schild vor den Stufen in der Kathedrale Vaduz.

Die Sexualmoral müsse weiterentwickelt werden: «Eigenverantwortung statt strikter Verbote und Sündenbezichtigungen», hält der Bericht fest. «Der Mensch muss im Zentrum stehen, unabhängig von seiner Lebensform, seinem Geschlecht und der sexuellen Ausrichtung.»

Am Erzbischof vorbei in die Weltsynode

Auch die Liturgie müsse reformiert werden. Es komme auf eine verständliche Sprache an. Auch sollten sich Jugendliche, Frauen und «alle Interessierten» einbringen dürfen: «Leitungsfunktionen dürfen nicht nur an das Priesteramt gebunden bleiben.»

Nuntius Martin Krebs und Papst Franziskus.
Nuntius Martin Krebs und Papst Franziskus.

Da Erzbischof Wolfgang Haas den synodalen Prozess boykottiere, hat sich die Reformgruppe direkt an den für Liechtenstein zuständigen Nuntius in Bern gewandt, Erzbischof Martin Krebs. Der Verein für eine offene Kirche hofft, dass die Ergebnisse aus Liechtenstein am Erzbischof vorbei in die Weltsynode münden kann.


Erzbischof Wolfgang Haas an der Abdankung von Fürstin Marie von und zu Liechtenstein. | © Keystone
1. Juni 2022 | 11:00
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