400'000 Franken für den Kasernen-Neubau der Schweizergarde: Pro- und Contra-Stimmen.
Schweiz

Geld für Neubau der Gardekaserne in Rom: Luzerner Katholikinnen und Katholiken sind sich uneins

Der Luzerner Beitrag für das Kasernen-Projekt in Rom ist auch unter Katholikinnen und Katholiken umstritten. Die einen beschwören die traditionelle Verbindung zur päpstlichen Schutztruppe, andere empören sich angesichts der kantonalen Sparpolitik über die Spende.

Barbara Ludwig

Der Kanton Luzern will den Neubau der Kaserne der Schweizergarde im Vatikan mit einem einmaligen Beitrag von 400’000 Franken unterstützen. Das passt nicht allen. Gegen das entsprechende Dekret haben Freidenker, Vertreterinnen und Vertreter der SP, der Grünen und der GLP erfolgreich das Referendum ergriffen.

Auch unter Katholikinnen und Katholiken ist der Beitrag ans 50-Millionen-Projekt in Rom umstritten, wie eine Umfrage von kath.ch zeigt. Und dies obschon die Luzerner Landeskirche auch selber in die Tasche greift und den Neubau der Kaserne mit 250’000 Franken unterstützt.

«Sich finanziell nicht zu beteiligen, wäre ziemlich peinlich für den Kanton Luzern.»

Andrea Gmür, Ständerätin (Die Mitte)

Die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür engagiert sich im Pro-Komitee «Ja zum Solidaritätsfranken». Im überparteilichen Komitee machen zahlreiche Politikerinnen und Politiker mit, insbesondere Vertreter der Mitte-Partei, aber auch von FDP und SVP.

Bei dieser Abstimmung gehe es auch «um die Glaubwürdigkeit und Reputation des Kantons Luzern», begründet Gmür ihr Engagement im Komitee – und verweist auf die Beteiligung von Bund und 17 anderen Kantonen, darunter Zürich und alle Zentralschweizer Kantone. «Kein Kanton ist so eng verbunden mit der Schweizergarde wie Luzern. Sich finanziell nicht zu beteiligen, wäre ziemlich peinlich für den Kanton Luzern.»

Die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür.
Die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür.

Die engen Bande zeigen sich laut Gmür darin, dass kein anderer Kanton mehr Gardisten gestellt habe. Ausserdem stammten 24 der 35 bisherigen Gardekommandanten aus dem Kanton Luzern, ebenso der aktuelle Kommandant. Der «Solidaritätsfranken» – ein Franken pro Einwohner und Einwohnerin – sei «ein kleines Zeichen für 500 Jahre enge Verbundenheit», findet die katholische Politikerin. Sie ist die Schwägerin des Bischofs von Basel, Felix Gmür.

«Schweizer Kulturgut in Rom»

Die Schweizergarde trägt aus Sicht von Andrea Gmür zudem viel zur weltweiten Ausstrahlung der Schweiz bei. «Das bedeutet auch beste Werbung für unser Land und Tourismusförderung pur.»

Renata Asal-Steger, Synodalrätin römisch-katholische Landeskirche Kanton Luzern.
Renata Asal-Steger, Synodalrätin römisch-katholische Landeskirche Kanton Luzern.

Auch Renata Asal-Steger ist der Ansicht, die Schweizergarde habe eine Bedeutung, die über ihren primären Zweck – für die Sicherheit des Papstes zu sorgen – hinausgeht. «Die Garde ist gewissermassen ein Schweizer Kulturgut in Rom», teilt die Synodalrätin der Luzerner Landeskirche mit. Die Schweizergarde geniesse internationale Bekanntheit und weltweite Beachtung. Somit sei sie ein «unbezahlbarer Werbeträger» für die Schweiz. Die Synodalrätin erachtet es deshalb als gerechtfertigt, dass «auch kantonale Steuergelder den Kasernenneubau ermöglichen».

Bundespräsident Alain Berset (r.) 2018 im Gespräch mit Schweizergardisten.
Bundespräsident Alain Berset (r.) 2018 im Gespräch mit Schweizergardisten.

Garde für junge Männer attraktiv

Domherr Roland Häfliger sieht die Schweizergarde als «Aushängeschild der Schweiz». Damit gehe ihre Bedeutung über das eng Konfessionelle hinaus, teilt der Pfarrer von Hochdorf mit. Wie Ständerätin Andrea Gmür weist er auf die engen Beziehungen zwischen der Garde und dem Kanton Luzern hin. Als Pfarrer spüre er zudem, «welche Attraktivität die Garde hat». Immer wieder würden sich junge Männer aus der Region für den Dienst in Rom interessieren und kämen anschliessend bereichert zurück.

Roland Häfliger, Pfarrer in Hochdorf, Domherr des Bistums Basel.
Roland Häfliger, Pfarrer in Hochdorf, Domherr des Bistums Basel.

Ex-Direktor von «Fastenopfer» im Pro-Komitee

Antonio Hautle engagiert sich «aus Sympathie mit der Schweizergarde» im Pro-Komitee «Ja zum Solidaritätsfranken». Der frühere Direktor des katholischen Hilfswerks «Fastenopfer» (heute Fastenaktion) meint, viele Luzernerinnen und Luzern dächten so. Er selber hat vier Jahre in Rom studiert. Bis heute sei er mit der Garde in Kontakt.

Antonio Hautle, ehemaliger Direktor des katholischen Hilfswerks "Fastenopfer" (heute "Fastenaktion").
Antonio Hautle, ehemaliger Direktor des katholischen Hilfswerks "Fastenopfer" (heute "Fastenaktion").

Wie Synodalrätin Renata Asal-Steger hält Antonio Hautle die Garde für einen «positiven Imageträger» und ein «Kulturgut erster Güte», das die Unterstützung verdiene. Der Theologe leitete 13 Jahre lang «Fastenopfer». Heute ist er Executive Director bei der UN-Unterorganisation «UN Global Compact Network Switzerland & Liechtenstein», die sich für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Wirtschaft einsetzt.

«Der religionsfeindlichen Haltung gewisser Gruppierungen muss entgegengehalten werden.»

Mitglied im Pro-Komitee

Ein Befürworter des kantonalen Beitrags möchte anonym bleiben, obschon er sich im Pro-Komitee engagiert und auf dessen Webseite namentlich aufgeführt ist. Der Mann arbeitet bei der Landeskirche. Im Komitee mache er mit, weil er persönliche Beziehungen zur Garde habe und sich zur römisch-katholischen Kirche bekenne, schreibt er kath.ch.

«Der religionsfeindlichen Haltung gewisser Gruppierungen muss entgegengehalten werden», argumentiert die Person – wohl mit Blick auf die Freidenker, die den Anstoss zum Referendum gaben. «Wenn wir uns nicht für kirchliche und kirchennahe Projekte einsetzen, wird es bald keine Kirche mehr geben!»

Vatikan hat genug Geld

Urban Frye ist Kantonsrat (Grüne) und Mitglied im Grossen Kirchenrat der Stadt Luzern, also dem Kirchenparlament. Im Januar hat er im Kantonsrat vergeblich für ein Nein zum Kantonsbeitrag geworben – und unterstützt nun das Referendum. Der Vatikan brauche das Geld aus Luzern gar nicht, ist der Politiker überzeugt. «Der Vatikan ist in der Lage, den Neubau der Kaserne selber zu finanzieren. Sollte er das Geld dazu nicht haben, soll er bei katholischen Institutionen anklopfen.»

Urban Frye, Luzerner Kantonsrat (Grüne), Mitglied im Grossen Kirchenrat der Katholischen Kirche Stadt Luzern.
Urban Frye, Luzerner Kantonsrat (Grüne), Mitglied im Grossen Kirchenrat der Katholischen Kirche Stadt Luzern.

Auch Carmen Jud teilt diese Ansicht. Die Katholikin ist feministische Theologin und hat während 13 Jahren den Christlichen Friedensdienst in Bern geleitet. Der Vatikan leiste sich eine Spezialpolizei, für die er selber aufkommen solle, sagt Jud. «Der Vatikan hat sehr viel Geld, auch wenn er das nicht immer offenlegt. Das zeigen vergangene und aktuelle Finanzskandale.»

Sparpolitik des Kantons im Visier

Urban Frye und Carmen Jud lehnen den Kantonsbeitrag auch aus sozialpolitischen Gründen ab. «Verschiedene soziale Aufgaben des Staates fallen der Sparpolitik des Kantons zum Opfer», sagt Jud. So gebe es zum Beispiel zu wenig Kitas. Auch sei der Zugang zu günstigeren Krankenkassenprämien erschwert worden. «Diese Aufgaben wären aber wichtiger als der Beitrag für die neue Kaserne der Schweizergarde», findet die Theologin.

Carmen Jud, feministische Theologin.
Carmen Jud, feministische Theologin.

Urban Frye wirft dem Kanton vor, benachteiligte Menschen zu wenig zu unterstützen, obwohl er finanziell bestens dastehe. Im Kirchenrat habe er den Antrag gestellt, eine halbe Million Franken für Bedürftige freizustellen. Der Antrag sei genehmigt worden. Frye findet es stossend, dass die Kirche Aufgaben finanziert, die eigentlich der Staat übernehmen müsste. «Das kritisiere ich als Mitglied der katholischen Kirche.»

Urban Frye liegt die Schweizergarde zudem nicht besonders am Herzen. «Sie ist nicht nötig zur Ausübung des katholischen Glaubens.» Gelebtes Christentum zeige sich dort, wo man Menschen in Not helfe.

Carmen Jud ihrerseits hält die Schweizergarde als «absolut patriarchale Institution» für nicht unterstützungswürdig. Dass die Schweizergarde keine Frauen zulässt und Männer einen Schweizerpass benötigen, sei «nicht mehr zeitgemäss» und «gleichstellungspolitisch fragwürdig», sagt die Theologin.

«Wir brauchen die Garde nicht als Werbeträger.»

Carmen Jud, feministische Theologin

Das Argument, die Garde wirke sich positiv aufs Image der Schweiz aus, lässt Carmen Jud nicht gelten. «Wir brauchen die Garde nicht als Werbeträger. Wir bräuchten eher einen guten Ruf betreffend Offenheit und Gastfreundschaft zum Beispiel gegenüber Flüchtlingen.»

Urban Frye findet, der Kanton Luzern sei für die Image-Pflege der Schweiz nicht zuständig: «Wenn die Garde wirklich wichtig ist fürs Image der Schweiz, soll man sie aus dem Marketing-Kässeli bezahlen.»

Die Abstimmung findet am 25. September statt. Dann zeigt sich, wie stark die Bande zwischen den Luzernerinnen und Luzernen zur Schweizergarde noch sind.

Kein Maulkorb für Kirchenangestellte

Mitarbeitende der römisch-katholischen Landeskirche dürfen sich als Privatperson sowohl zum Kasernenneubau äussern als auch dem überparteilichen Pro-Komitee «Ja zum Solidaritätsfranken» beitreten. Dies teilt Synodalrätin Renata Asal-Steger kath.ch mit. Zum Engagement von Mitarbeitenden in den Kirchgemeinden könne sich der Synodalrat jedoch nicht äussern. Diese seien autonom. (bal)


400'000 Franken für den Kasernen-Neubau der Schweizergarde: Pro- und Contra-Stimmen. | © kath.ch
17. August 2022 | 11:54
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