Gedanken zum Sonntag: Was man sagt, was man tut

Zum 28. Januar 2018 – 4. Sonntag im Jahreskreis (Markus 1,21-28)

Was man sagt, was man tut

Von Jacqueline Keune*

Moritz hat als kleiner Junge am liebsten «bäbelet». Und haben seine Brüder in der Stube mit ihren Holzschwertern gegeneinander gekämpft, so hat Moritz sein «Bäbeli» unter liebem Murmeln in den Puppenwagen gebettet. Mit jedem Monat, den Moritz älter wurde, konnte sein Vater es weniger ertragen, dass dieser so anders war als seine Brüder und erinnerte ihn immer neu daran, dass er ein Junge war, kein Mädchen. Und die Mutter verbot dem Kleinen, sie mit seinem Puppenwagen zum Einkaufen zu begleiten.

Im Wald sah Moritz an den Wurzeln der Bäume Zwerge und auf den Kissen aus Moos Elfen. Wenn er dort aber mit der Familie spazieren ging, hatte er es sich längst abgewöhnt, auf die kleinen Wesen aufmerksam zu machen, weil der Vater wütend wurde. Auch in der Schule verstummte und verbarg sich Moritz immer mehr, bis sich sein eigentliches Ich kaum mehr hervortraute. So begann der junge Mann allmählich ein Leben zu leben, das nicht das seine, das eigentlich überhaupt keines mehr war. Und aus Moritz wurde ein «man», das sagte, was man sagte, das tat, was man tat.

Als Jesus am Anfang seines Wirkens in die Synagoge von Kafarnaum kommt, ist da ein Mensch «mit einem unreinen Geist». Ein Mensch, der besetzt ist, der bestimmt wird, der schrecklich leidet. Ein Mensch, der unter Zwang steht, der der Angst oder der Erinnerung ausgeliefert, der gefangen ist. Einer, dem man abgewöhnt hatte, sich selber zu sein, bis am Ende alles Echte und Eigene an ihm «wegerzogen» war. Und als der Mann den Rabbi reden hört, wie er noch nie einen hat reden hören – so dass er durch die Worte hindurch die Liebe spürt –, da wird der Mann in seinem Kern getroffen, wird seine Seele aufgedeckt und schreit vor allen Anwesenden ihre ganze Not hinaus. Und wäre in unseren Gotteshäusern eine solche Störung der schönen Liturgie sofort entfernt worden, so wendet sich der Rabbi ihr ganz zu und herrscht den Dämon des Mannes an: «Schweig und verlass ihn!» Und unter Gezerre und Geschrei wird der Besessene zu sich selbst befreit.

Am Anfang seines Wirkens macht Jesus der «Schriftgelehrtheit» klar, wozu Glaube da war.

Nicht, um Ordnung zu schaffen, um Himmel zu verwalten, um Störung auszumerzen und Anderes zu verteufeln. Glaube war dazu da, Menschen nicht ihrer Angst und ihrem Elend zu überlassen. Wenn sie denn nicht nur ihre Ruhe haben wollten, sondern auch ihre Veränderung.

Jacqueline Keune ist freischaffende Theologin und lebt in Luzern.

Jacqueline Keune | © zVg
27. Januar 2018 | 14:52
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