Gedanken zum Festtag: Liebe Maria Magdalena

Gedanken zu Ostern, 1. April (Apostelgeschichte 10,34a.37-43; Kolosserbrief 3,1-4; Johannesevangelium 20,1-18)

*Thomas Wallimann-Sasaki

Liebe Maria Magdalena

Was wäre wohl aus den Freundinnen und Freunden Jesu geworden, wenn Du und Deine Freundinnen am Ostermorgen nicht zum Grab gegangen wären? Deine und Eure Betroffenheit hat mich schon beeindruckt, als Ihr am Karfreitag trotz allen Niederlagen beim Kreuz geblieben seid. Du und Deine Freundinnen zeigen mir gerade auch heute an Ostern, worauf es in unserem Glauben ankommt: Am Anfang steht echte und ehrliche Betroffenheit.

Schon da unterscheidest Du Dich von den «Top-Jüngern» Petrus und Johannes. Diese – liegt es daran, dass sie Männer sind? – nehmen nüchtern wahr. Sie konstatieren ein leeres Grab und das war’s dann; und sie gehen zurück. Ganz anders Du! Du bleibst. Dir kommen die Tränen. Die Trauer über den Tod von Jesus verbindet sich mit der Frustration, dass man ihn jetzt auch noch gestohlen hat. Und dann geschieht das scheinbar Unmögliche: Du wirst bei Deinem Namen gerufen. Direkt von Jesus angesprochen und anerkannt – und auch Du erkennst Jesus.

Diese Begegnung verändert Dich! Nun verstehst Du und begreifst, was passiert ist. Du nimmst die entscheidende Botschaft wahr, dass mit dem Tod Jesu nicht alles zu Ende ist! Dieser ganz neuen Perspektive gibst Du eine Stimme und ein Gesicht. Dies ist sehr mutig, wenn ich daran denke, dass Du nie zu den Aposteln gezählt wurdest. Dabei würden wir alle ohne Dich wohl nicht Christinnen und Christen sein und heute nicht Ostern als Fest des neuen Lebens, das den Tod überwindet, feiern.

Liebe Maria Magdalena. Deine offene und ehrliche Betroffenheit ist der Anfang von Ostern. Ich danke Dir, dass Du den Mut hattest, weiterzuerzählen von der Begegnung mit Jesus. Wegen Dir darf auch ich mich angesprochen fühlen und Anerkennung zurückgeben. So kann Lebenssinn und Gottessinn in unserer Welt dort aufbrechen, wo scheinbar alles gestorben ist.

Jesus hat die Menschen vor das System und seine Machtinteressen gestellt. Er hat uns gezeigt, wie wir uns für die Menschen in Not und am Rand einsetzen können. Dafür wurde er ermordet. Doch das war nicht das Ende. Mutig folgst Du Jesus mit Deiner Stimme – obwohl man Dich hätte auslachen und ignorieren können. Dieses mutige Weitererzählen bringt Gott in die Welt und darum ist es auch heute eine Aufgabe der Kirche, Gott gerade dort in die Welt zu bringen, wo Ungerechtigkeiten herrschen.

*Thomas Wallimann-Sasaki ist Theologe und Sozialethiker. Er leitet das Institut für Sozialethik «ethik22» in Zürich und ist Präsident a.i. der Nationalkommission Justitia et Pax der Schweizer Bischofskonferenz.

Thomas Wallimann-Sasaki | © zVg
31. März 2018 | 12:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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