Ewelina Bajor und Martin Föhn
Konstruktiv

Gebetspodcast als Selbstreflexion: «Wo reisst mich Jesus aus dem Alltag heraus?»

Der Basler Jesuit Martin Föhn und die Kommunikationswissenschaftlerin Ewelina Bajor publizieren Gebetspodcasts für deutschsprachige Christinnen und Christen. In den Beiträgen werden Geschichten der Evangelien reflektiert und in Gebeten für den Alltag verarbeitet.

Boris Burkhardt

«Heute ist Freitag, der 22. März. Verbunden mit den Menschen, die einfach beten, beginne ich mein Gebet im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes», sagt die ruhige Stimme einer jungen Frau vor dem Hintergrund von Glockengeläut. Es folgen zweieinhalb Minuten meditative Musik, «Laudate omnes gentes» nach Taizé. Dann sagt die Stimme: «Die heutige Lesung ist aus dem Johannes-Evangelium.» Eine männliche Stimme fährt fort mit Joh 10,31-42, der Geschichte, in der Jesus von den Pharisäern und Schriftgelehrten mit dem Vorwurf der Gotteslästerung konfrontiert wird.

Kommunikationswissenschafterin als Produzentin

Die Stimme der Lesung des Podcasts «Einfach beten!» ist jeden Tag eine andere. Die Frauenstimme der Einleitung gehört Ewelina Bajor. Die junge Kommunikationswissenschaftlerin aus Freiburg im Breisgau mit Studium in Winterthur ist in Vollzeit Produzentin des Podcasts, der seit Februar 2023 deutschsprachige Christinnen und Christen auf der ganzen Welt zwischen zehn und 15 Minuten zur gemeinsamen Reflexion, zum gemeinsamen Gebet einlädt. Dies geschah zunächst wöchentlich, seit dem 1. Dezember täglich. Seit Weihnachten ist «Einfach beten!» auch als App erhältlich.

Martin Föhn und Ewelina Bajor
Martin Föhn und Ewelina Bajor

Bajor hat ihren Arbeitsort mit Computer und Mikrofon in ihrem Arbeitszimmer in Zürich. Zum Gespräch mit kath.ch trifft sie sich aber in Basel, im Büro des Jesuitenpaters Martin Föhn in der Katholischen Universitätsgemeinde (KUG) der Jesuiten in Basel. Föhn ist nicht nur verantwortlich für die Abteilung Bildung und Spiritualität in der römisch-katholischen Landeskirche Basel-Stadt und Priester in der Basler Clarakirche und in der Pfarrei St. Franziskus der Basler Landgemeinde Riehen. Bajor kennt Föhn von ihrem Praktikum in der Basler Landeskirche.

Gründertrio aus Jesuiten

Föhn ist ausserdem Mitgründer des deutschsprachigen Podcasts, zusammen mit dem Hamburger Mitbruder Dag Heinrichowski und dem Regionalverwalter des Jesuitenordens in der Schweiz, Michael Sutter. Das englischsprachige Vorbild des Podcasts heisst «Pray as You Go», existiert seit 17 Jahren und hat mittlerweile 250’000 Hörende.

Martin Föhn bei seiner Predigt über Leib und Glieder in der Clarakirche Basel
Martin Föhn bei seiner Predigt über Leib und Glieder in der Clarakirche Basel

Deutsch ist erst die elfte Sprache, in dem die Jesuiten den Gebetspodcast produzieren. Dass etwa die Version in Litauisch – trotz kleinerer Bevölkerungszahl – länger existiert, liegt daran, dass es in Litauen mehr Jesuiten gibt, wie Föhn anmerkt: «Wir haben zu wenig Personal.» Besonders aktiv seien die Ordensbrüder in Polen mit einer halben Million Hörer: «Sie haben schon lange vor uns auf die digitale Glaubensverkündung gesetzt.» 

Gebetsleben statt Gespräch

«Unser Podcast ist kein Talkformat», erklärt Bajor das Konzept, «wir haben keine Gäste. Es geht uns darum, das Gebetsleben zu vertiefen und es den Hörern zu ermöglichen, Spiritualität in den Alltag mitzunehmen.» Föhn ergänzt: «Wir wollen nicht in erster Linie Wissen vermitteln, sondern zusammen beten.» Nach dem Evangelientext folgt in jeder Folge des Podcasts eine lokale Betrachtung, in der sich Bajor oder andere Sprechende in Zeit und Ort der Geschichte versetzen. «Wir steigen mit den Sinnen ein und stellen uns die Szene vor», sagt Föhn.

Grotte mit Jesus als gutem Hirten.
Grotte mit Jesus als gutem Hirten.

«Aus geeignetem Abstand beobachte ich Jesus im Tempel. Wütende Menschen umgeben ihn. Gerade hat Jesus verkündet: ‹Ich und der Vater sind eins.› Dies ist für die Zuhörer Gotteslästerung», sagt Bajor zum Beispiel am 22. März, begleitet von Gitarrenmusik.

Umgang mit Aggression – am Beispiel Jesu

Zwei Reflexionsfragen nehmen emotionale Aspekte der Geschichte auf, zum Beispiel, wie die Zuhörenden selbst mit Aggressionen anderer Menschen umgingen und wie sie sich schützten. Dann werden sie eingeladen, den Text noch einmal zu hören unter besonderer Aufmerksamkeit, wie Jesus mit der Aggression umgeht. «Wo reisst Jesus mich aus dem Alltag heraus?», formuliert Föhn die Fragestellung allgemein. 

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Die Evangelientexte würden von elf Ehrenamtlichen gelesen, «die sich den Jesuiten verbunden fühlen», sagt Bajor. Fünf Geistliche und Theologen schreiben die Texte: Neben den hauptsächlich aktiven Föhn in Basel und Heinrichowski in Hamburg sind das Pater Jan Korditschke in Dresden, Schwester Christa Huber der Congregratio Jesu in Wien sowie Dorothee Perdun aus Sandhausen bei Heidelberg, die laut Bajor «mit Ignatianischer Spiritualität vertraut ist». Finanziert wird «Einfach beten!» auf anderthalb Jahre vom Jesuitenorden in der Schweiz.

Zusammenarbeit übers Internet

Gebetspodcast-App "Einfach beten!"
Gebetspodcast-App "Einfach beten!"
Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern finde über das Internet statt, sagt Föhn: «Wir haben uns noch nie alle zusammen gesehen.» Bajor produziert die Folgen für eine Woche jeweils en bloc einen Monat im Voraus. Auf aktuelle Ereignisse wie etwa im Ukrainekrieg oder im Nahostkonflikt einzugehen, ist laut Föhn nicht Ziel des Podcasts.

«In der App sind mehr Funktionen möglich als auf der Homepage», fährt der Jesuitenpater fort. Aktuell finden sich in der App die Tagesgebete, die sich nach dem Tagesevangelium richten, ausserdem die Gebetsanliegen des Papstes, für die das Team eigene Reflexionsfragen formuliert, ein Friedensgebet für den Nahen Osten sowie jeden Samstag ein Examen. So nennen die Jesuiten ihre persönlichen Wochenrückblicke, in dem sie laut Föhn ihre eigenen Erfahrungen reflektieren. Das Angebot soll mit der Zeit wachsen.

Vermarktung an Grossanlässen

Bajor fällt auch die Aufgabe zu, «Einfach beten!» zu vermarkten. Dazu war sie mit Föhn Anfang Januar auf dem Glaubensfestival «Mehr» in Augsburg mit laut ihrer Angabe 10’000 Besuchenden. Anfang Juni will sie auf dem deutschen Katholikentag in Erfurt präsent sein. Mittlerweile hörten auch viele Auslanddeutsche den Podcast, weiss Bajor aufgrund der Statistikauswertung des Programms: «Unsere Hörer weltweit schätzen die Tiefe der Fragen und empfinden den Podcast als Kraftspender, der ihnen eine Routine ermöglicht.»      


Ewelina Bajor und Martin Föhn | © Boris Burkhardt
3. April 2024 | 06:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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