Gastfreundschaft ist keine Frage der Eintrittsgelder

Chur, 18.8.16 (kath.ch) Kirchen sind nicht nur Gebetsräume, sondern auch Kulturstätten. Diese Frage gelte es bei der Diskussion um Eintrittsgelder für Kirchen zu berücksichtigen, sagt Christian Cebulj, Rektor der Theologischen Hochschule Chur. In seinem Gastkommentar plädiert er dafür, die Diskussion pragmatisch und nicht ideologisch anzugehen.

Der Versuch des Zürcher Fraumünsters, die Touristenströme durch die Neueinführung von Eintrittsgeldern zu kanalisieren, ist ein Experiment, das man als Erfolg oder als Warnsignal verstehen kann. Ich verstehe den verantwortlichen Kirchenpfleger Klaus-Hinrich Dölle, der es als Erfolg verbucht, dass vor den weltberühmten Chagall-Fenstern nun mehr Ruhe eingetreten ist. Ich habe aber auch Verständnis für die Kritiker, die es befremdet, dass sich am Eingang zum Haus Gottes ein Kassenschalter befindet.

Berühmte Kirchen sind sowohl Orte der Bildung als auch der Besinnung.

Wichtig ist, dass die Diskussion auf einer pragmatischen Ebene bleibt und nicht ins Ideologische gezogen wird: Wer argumentiert, dass Kirchen immer offene Türen haben sollten und Eintrittsgelder dem Charakter einer Kirche widersprechen, realisiert zu wenig, dass Kirchenräume gerade in grossen Städten neben ihrer Funktion als Räume des Gebets und der Besinnung auch Kulturstätten sind, die eine Bildungsfunktion wahrnehmen. Die internationale Bekanntheit der Zürcher Chagallfenster zieht ja vor allem asiatische Touristen an, die die europäische Kunst und Kultur kennenlernen wollen. Dass sie, ähnlich wie in einem Museum, dafür zur Kasse gebeten werden, ist richtig. Gleichzeitig muss aber darauf geachtet werden, dass die Gläubigen der Münstergemeinde genügend Freiräume und Zeiten haben, in der sie «ihren» Kirchenraum zur Besinnung aufsuchen können. Aber das ist ja der Fall.

Als Theologiestudent war ich ehrenamtlicher Kirchenführer in der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Hier wird, anders als in Zürich, am Prinzip des freien Eintritts mit der Begründung festgehalten, das Haus Gottes müsse jederzeit für alle offen und zugänglich sein. Das Ergebnis sind Menschenmassen, die zwar durch die sakrale Atmosphäre beeindruckt sind, aber den Kirchenraum nicht anders wahrnehmen als den Louvre. Beide gehören ebenso fest zu einem Paris-Besuch wie das Fraumünster zum Zürich-Trip.

Die Sorge von Zürich Tourismus, dass Gäste dadurch vergrault würden, halte ich für unbegründet.

Berühmte Kirchen sind sowohl Orte der Bildung als auch der Besinnung, und zwischen diesen beiden Funktionen muss ein Ausgleich geschaffen werden. Daher wird auf Dauer ein Konzept nötig sein, das sowohl der Bildung als auch der Besinnung ihren Platz einräumt: Dabei geht es um zwei verschiedene Zielgruppen, die aus verschiedenen Motivationen das Münster besuchen. Die Sorge von Zürich Tourismus, dass Gäste dadurch vergrault würden, halte ich für unbegründet. Das zeigt das Beispiel vieler Kirchen und Kathedralen in anderen europäischen Grossstädten.

Die Debatte sollte jedenfalls pragmatisch und nicht ideologisch geführt werden. Eine Kirche als musealer Ort soll für die Erhaltung ihrer Kunstschätze auch Eintritt verlangen dürfen. Das heisst noch lange nicht, dass ihre Gastfreundschaft prinzipiell in Frage gestellt oder dem Kommerz geopfert wird. Dafür haben die Kirchen genügend andere Zeiten und Anlässe, um zu zeigen, dass ihre Türen weiterhin allen Menschen offen stehen.

Christian Cebulj moderierte diesen Sommer an der THC eine Tagung zum Thema: «Gelebte Gastfreundschaft: Kirche und Tourismus»

«Für eine Wallfahrtskirche Eintritt zu verlangen, wäre Unsinn»

18. August 2016 | 10:52
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