Die Synode der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern beschloss am 7. November, dem Bistum mit der Finanzkeule zu drohen.
Kommentar

Für einen «radikalen Neuanfang» – mit Abschiedsworten des Bischofs

Auf kritische Fragen, Unverständnis und Wut antwortet Bischof Felix Gmür mit seinem Hirtenwort 2024. Innovationsforscher Claus Noppeney hätte mehr als schöne Worte erwartet: «Mit einem aufrichtigen Abschiedswort sollte Bischof Felix den Weg für einen radikalen Neuanfang im Bistum Basel freimachen.»

Claus Noppeney*

Bischof Felix Gmür schlägt in seinem Hirtenwort «Umkehr und Neuanfang», das gestern in allen Sonntagsgottesdiensten im Bistum Basel verkündet wurde, eine Brücke von den Lesungen des 3. Sonntags im Jahreskreis zur andauernden Missbrauchskrise. Das lässt aufhorchen!

Verschleppte Aufarbeitung

Mehrfach spricht Bischof Felix in seinem Hirtenwort die zahlreichen Missbräuche im Umfeld der katholischen Kirche an. Doch er erwähnt mit keiner Silbe das jahrzehntelange Vertuschen und Verschleppen einer ernsthaften Aufarbeitung, was aus den Taten einzelner das Scheitern der Institution und aus der Kirche eine Täterorganisation machte.

Claus Noppeney
Claus Noppeney

Dieses Versäumnis stimmt nachdenklich. Denn der Amtsantritt von Bischof Felix erfolgte zu einem Zeitpunkt, da längst klar war, wie schwer die Thematik des sexuellen Missbrauchs auf unterschiedlichsten Ebenen wiegt. Bereits wenige Tage nach seiner Weihe zum Bischof von Basel im Januar 2011 konnte der damalige Vorsteher des Klosters und der Stiftsschule in Einsiedeln, Abt Martin Werlen, eine erste Missbrauchsstudie in der Schweiz vorlegen. Bischof Felix hatte also alle Chancen, um als Aufklärer in die Geschichte einzugehen.

Zweifel an der Amtsführung des Bischofs

Tatsächlich vergingen jedoch weitere mehr als zehn Jahre, bis die Schweizer Bischöfe den Auftrag für die Pilotstudie erteilten. Die mittlerweile vorliegenden Ergebnisse sowie vor allem die investigativen Enthüllungen in den Medien begründen in mehreren Fällen konkrete Zweifel an der Amtsführung von Bischof Felix – und zwar bezogen auf die jeweils geltenden kirchenrechtlichen Normen und Richtlinien: Ein Priester, der selbst von Missbrauch betroffen ist, versucht seit Monaten Einsicht in seine Akte beim Bistum Basel zu erhalten, und fordert nach diesen Erfahrungen Bischof Felix öffentlich zum Rücktritt auf.

Immer wieder wurde die Bitte an Bischof Felix herangetragen, er möge doch zu seiner eigenen Beteiligung persönlich Stellung nehmen, wie dies beispielsweise die Verantwortlichen des Jesuitenordens in Deutschland bereits im Jahr 2010 taten.

Wie viele Meldungen sind während seiner Amtszeit eingegangen? Auf welchen Tatzeitraum bezogen sich die Meldungen? Welche Arten von Übergriffen wurden gemeldet? Welche Art von Verfahren wurden unter seiner Verantwortung eingeleitet respektive abgeschlossen? Mit wie vielen Betroffenen sexueller Gewalt hat Bischof Felix selbst persönlich gesprochen? Was ist der Stand der Präventionsarbeit im Bistum Basel? Welche weiteren Schritte wird er als Bischof von Basel ergreifen?

Kein «Factsheet» von der Bistumsleitung

Noch im September 2023 hatte der Generalvikar im Auftrag des Bischofs dem Verfasser dieser Zeilen ein «Factsheet» in Aussicht gestellt, um mit konkreten Informationen und Aufklärung zu diesen Fragen einen vertrauensbildenden Beitrag zu leisten. Anfang November gab es noch einen vertröstenden Zwischenbescheid. Seitdem hat man nichts mehr in dieser Sache aus Solothurn hören können.

Weihnachtsbotschaft 2023 von Felix Gmür, Bischof von Basel
Weihnachtsbotschaft 2023 von Felix Gmür, Bischof von Basel

Eigentlich geht es um einen Berichtsvorgang, der nicht zuletzt angesichts der staatskirchenrechtlichen Strukturen längst selbstverständlich sein sollte und bei ordentlicher Amtsführung in wenigen Stunden auch erledigt sein könnte, wenn, ja wenn…

Ruhe ist kein Vertrauensbeweis

«Eine synodale Kirche fusst auf Vertrauen in Gott und in die Menschen und auch in die Kirche», schreibt Bischof Felix in seinem Hirtenwort. Kein Zweifel: Vertrauen ist eine entscheidende Ressource in jeder Organisation. Deshalb wird das vermeintlich weiche Thema längst im Grundstudium an Business Schools gelehrt. Dort versteht man unter Vertrauen, «die positive Erwartung, dass sich ein anderer – in Worten, in Taten oder bei Entscheidungen – nicht opportunistisch verhalten wird», so besagt es das internationale Standardlehrwerk «Organisation der Unternehmung» von Stephen P. Robbins.

Vor diesem Hintergrund kann man die Ruhe der letzten Wochen kaum als Vertrauensbeweise umdeuten. Denn Vertrauen kann nicht ohne Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit wachsen. Was hat Bischof Felix mit seinem Hirtenwort zur Vertrauensbildung beigetragen?

«Von Umkehr spricht er an elf Stellen, ohne konkret zu werden.»

Von Umkehr spricht er an elf Stellen, ohne auch nur an einer einzigen Stelle konkret zu werden. Schlimmer noch: Mit Verweis auf den Propheten Jona fordert Bischof Felix dazu auf, den Blick nicht zurück auf das Scheitern, sondern nach vorne auf das Reich Gottes auszurichten. Was heisst das für die Aufarbeitung seiner eigenen Amtszeit?

Bischof Felix Gmür
Bischof Felix Gmür

Bischof Felix erinnert an unseren Glauben, dass die frohe Botschaft des Evangeliums durch die Kirche verbreitet wird. Doch ein Bischof, der sich mit kommunikativen Winkelzügen über die Runden zu retten versucht, weckt vor allem Zweifel an seinem eigenen Glauben und verdunkelt so die frohe Botschaft.

Schönreden hilft nicht

Austrittrekorde und leere Mitternachtsmessen wie vor wenigen Wochen an Weihnachten mit dem Nuntius in Bern – die Zählung kam auf 20-30 Prozent Schwund im Vergleich zum Vorjahr – sind Symptome einer tiefen Glaubenskrise, von der auch Bischof Felix nicht verschont zu sein scheint. Verschweigen, Ausweichen und Schönreden helfen nicht weiter. Die Kirche von Basel kommt nicht umhin anzuerkennen, dass mittlerweile die Grundlagen für das apostolische Wirken ihres einst so beliebten Bischof Felix fehlen.

Mit dem Titel «Umkehr und Neuanfang» wirft Bischof Felix schon selbst die Frage auf, wie denn ein Neuanfang ohne neuen Bischof aussehen kann. Wer sich ein wenig im Presbyterium des Bistums Basel umhört, bemerkt, wie offen hier zuweilen bereits vielversprechende Köpfe genannt werden. Mit einem aufrichtigen Abschiedswort sollte Bischof Felix den Weg für einen «radikalen Neuanfang» – so sein eigenes Wording – im Bistum Basel freimachen.

*Claus Noppeney lehrt und forscht zu Innovation und Unternehmertum an der Berner Fachhochschule und lebt mit seiner Familie in Bern.


Die Synode der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern beschloss am 7. November, dem Bistum mit der Finanzkeule zu drohen. | © zVg
22. Januar 2024 | 15:12
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