Die verbotene Liebe eines Priesters: Rachel Ward und Richard Chamberlain in "Dornenvögel".
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Frauenfrage, Zölibat, Sexualmoral: Gläubige in Österreich fordern Reformen

Der synodale Prozess in Österreich liefert ähnliche Ergebnisse wie die Schweiz. Die Katholikinnen und Katholiken sehnen sich nach Reformen – vor allem bei der Frauenfrage und der Sexualmoral. Erzbischof Franz Lackner verspricht, sich beim Kontinentaltreffen in Prag für die Reformanliegen stark zu machen.

Erarbeitet wurde die Synthese von einem Autorenteam, dem kein Bischof angehörte. Die Bischöfe haben das Dokument, das die authentische Stimme der Katholikinnen und Katholiken in Österreich wiedergeben will, lediglich mit einem Begleitwort ergänzt, das von Erzbischof Franz Lackner und Bischof Josef Marketz gezeichnet ist. Auch wenn keine genauen Zahlen vorliegen, dürften sich insgesamt rund 50’000 Menschen österreichweit am synodalen Prozess beteiligt haben.

«Als Kirche in einer doppelten Verantwortung»

Erzbischof Lackner zeigte sich bei der Präsentation dankbar für das vielfältige Engagement so vieler, die zum Entstehen des synodalen Berichts beigetragen haben. Der Prozess habe deutlich gemacht: «Als Kirche stehen wir in einer doppelten Verantwortung. Einerseits für das Reich Gottes hier vor Ort, wie es lebt, leidet und von Sehnsüchten geprägt ist. Andererseits aber auch in der Verantwortung empfänglich, andockfähig, ergänzungsfähig zu bleiben mit Blick auf die Universalkirche.»

Franz Lackner, Erzbischof von Salzburg und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz
Franz Lackner, Erzbischof von Salzburg und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz

Die grosse Herausforderung bestehe darin, beidem gerecht zu werden. Konkret bedeutet das auch, nicht der Gefahr von 100-Prozent-Antworten zu verfallen. Papst Franziskus habe mehrmals davor eindringlich gewarnt.

Mehr Frauen in Leitungspositionen

Petra Steinmair-Pösel war massgeblich an der Endredaktion des Textes beteiligt. Sie skizzierte die inhaltlichen Eckpunkte des Österreich-Berichts. Anliegen aus der synodalen Beratung, die man vor Ort aufgreifen und umsetzen kann, sollten sofort realisiert werden, so der Wunsch der Gläubigen, die sich am synodalen Prozess beteiligt haben.

Dazu gehörten Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, etwa durch gezielte Förderung von Frauen in kirchlichen Leitungspositionen, oder der Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten in Richtung Transparenz von Entscheidungsprozessen und Mitbestimmung auf allen Ebenen.

Spitalseelsorgende sollen die Krankensalbung spenden

Ein weiterer Bereich sei die vermehrte Mitwirkung von Laien und Laiinnen in der Liturgie, beispielsweise durch Predigt- und Tauferlaubnis für Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten und die Erlaubnis für Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger, die Krankensalbung zu spenden.

Weitere zentrale Anliegen seien das Bemühen um eine verständlichere Sprache in Liturgie und Verkündigung sowie ein pastoraler Umgang mit Menschen, die in verschiedener Weise vom kirchlichen Leben ausgeschlossen sind; ebenso eine weiterhin transparente Aufarbeitung von Missbrauch und die Förderung von Glaubensbildung.

Weihe von Frauen und Abschaffung des Pflichtzölibats

Bei Anliegen, die nicht vor Ort umgesetzt werden können, wünschten sich die Gläubigen eine Thematisierung auf entsprechender kirchlicher Ebene. Dazu zählten gemäss den Synthesen Themen wie der Zugang von Frauen zur Weihe und den damit verbundenen Ämtern, der Zölibat als Zulassungsbedingung zum Weiheamt oder die Adaptierung von Lehrmeinungen; etwa ein Überdenken mancher kirchlicher Positionen im Bereich der Sexualmoral.

Synodalität sei kein Selbstzweck, sondern diene dazu, «dass die Kirche ihren Auftrag, ihre Mission, im Sinne Jesu bestmöglich leben kann», so Steinmair-Pösel. Kirchliche Leitlinien und Strukturen sollten deshalb auf diesen Auftrag hin geprüft und weiterentwickelt werden, «sodass sie die Kirche dabei unterstützen, aktiv auf die Menschen zuzugehen, allen die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erfahrbar zu machen und eine klare Option für die Armen und Benachteiligten zu leben».

Armutsbekämpfung wichtig

Ein weiteres zentrales Ergebnis: Das Engagement der Kirche im karitativen und gesellschaftspolitischen Bereich sei essenziell, unverzichtbar und werde geschätzt. Dazu zählten Themen wie Armutsbekämpfung, Einsatz für Flüchtlinge, Begleitung von alten, kranken, notleidenden Menschen, Einsatz für Obdachlose, Engagement für globale Solidarität, Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Diese soziale Dimension im Engagement der Kirche und der Gläubigen solle weiter gestärkt werden.

Deutlich werde bei den bisherigen Beiträgen zum synodalen Prozess auch, dass Gemeinschaft in erster Linie in den Pfarrgemeinden erlebt werde. Diese Gemeinschaften gelte es entsprechend zu gestalten. Ein weiteres Thema: Partizipation müsse in allen Bereichen und auf allen Ebenen gefördert werden. Von mehreren Synthesen sei zudem thematisiert worden, dass diese Partizipation auf Hindernisse stosse.

Innerkirchliche Themen «brennen den Gläubigen auf der Seele»

Die Professorin Regina Polak, die dem nationalen Synodenteam angehört, betonte in ihren Ausführungen, dass die bisherigen Ergebnisse des synodalen Prozesses in Österreich eine starke Binnenorientierung der österreichischen Kirche zeigten, die einer Horizonterweiterung über die Kirchengrenzen hinaus bedürfe, um die kirchliche Sendung im Kontext multipler Krisen zu erfüllen.

«Es sind vor allem die innerkirchlichen Themen, die einer Mehrheit der beteiligten Gläubigen auf der Seele brennen – vor allem den Hochengagierten.» Zwar herrsche diesbezüglich keine völlige Einheit, aber die erstaunlich homogenen nationalen Synthesen zeigten deutlich, dass die Beteiligten sich diesbezügliche Reformen erwarteten.

Wo bleiben die diakonischen und gesellschaftspolitischen Beiträge?

Zugleich scheine es, dass die innerkirchlichen Probleme und der diesbezügliche Reformstau die Kirche in Österreich daran hindern würden, sich intensiv mit ihrer Sendung in der taumelnden Welt des 21. Jahrhunderts zu befassen. Mehrheitlich falle eine starke Binnenorientierung und ein gewisser Mangel an diakonischen und gesellschaftspolitischen Beiträgen auf. Auch Themen wie Ökumene oder der interreligiöse Dialog seien nur in einzelnen diözesanen Synthesen thematisiert worden.

In der Mehrheit der Diözesen hätten sich die Gläubigen aktiv am synodalen Prozess beteiligt. Infolge enttäuschender Vorerfahrungen mit ähnlichen Prozessen habe sich im Kernsegment aber auch Zurückhaltung, Skepsis und Misstrauen gefunden. Konservative Gruppierungen und Bewegungen hätten sich hingegen vom Prozess distanziert. Schwierigkeiten habe es auch bei der Teilhabe von jungen Menschen, anderssprachigen Gemeinden sowie externen Gesprächspartnern, Kirchenfernen und sozialen Randgruppen gegeben.

«Alle Gruppen an einen Tisch bringen»

Polak folgert daraus: «Der synodale Prozess sollte weitergeführt werden und bedarf dafür einer nationalen und diözesanen Institutionalisierung.» Es brauche eine vertiefte Einübung der synodalen Methodik als Stil und Haltung des Zuhörens. Überdies sollten jene Personen oder Gruppen, die bisher nicht beteiligt waren, aktiv einbezogen werden. «Wir müssen dringend alle Gruppen an einen Tisch bringen», so der Appell der Theologin.

Jene Anliegen und Argumente, die nur weltkirchlich entschieden werden können, sollten die Bischöfe hingegen «beherzt» auf den nun folgenden Bischofssynoden einbringen und verständlich machen – «denn sie sind auch Fürsprecher ihrer Gläubigen». Die Bischöfe müssten diese Anliegen nicht teilen, betonte Polak, «aber sie sollten schwierige Themen auch nicht in vorauseilendem Gehorsam vorschnell unter den Tisch fallen lassen».

Synodale Beratungen auf Europa-Ebene

Erzbischof Lackner bekräftigte, dass er die auf dem Tisch liegenden Ergebnisse nun in den weiteren synodalen Prozess einbringen werde. Nach der nationalen Phase wird der Prozess nun auf kontinentaler Ebene fortgesetzt. Das römische Generalsekretariat der Bischofssynode erstellt aus allen Einsendungen ein Arbeitsdokument, das auf sieben kontinentalen Versammlungen beraten wird.

An ihnen werden nicht nur Bischöfe, sondern auch drei Laiinnen bzw. Laien pro Nation teilnehmen. Aus Österreich sind dies neben Erzbischof Lackner die Professorin Polak, die Rektorin Steinmair-Pösel sowie Markus Welte, der zuständige Referent für den synodalen Prozess in der Erzdiözese Salzburg.

Europa-Treffen im Februar 2023 in Prag

Die kontinentale Versammlung für Europa wird im Februar 2023 in Prag stattfinden. «Wir dürfen gespannt sein», so Lackner, «wohin uns der Geist Gottes durch diesen gemeinsamen Weg auf allen Kontinenten weiter führen wird». Er hoffe jedenfalls auf eine «grosse Bewegung mit Papst Franziskus an der Spitze». Das unterscheide wohl auch diesen Reformprozess von früheren, dass er vom Papst persönlich initiiert worden sei.

Der Erzbischof bekräftigte zudem auf Nachfrage, dass der synodale Prozess auch in Österreich weitergehen werde. In welcher institutionalisierten Form dies geschehen wird, sei aber noch offen. (kap)


Die verbotene Liebe eines Priesters: Rachel Ward und Richard Chamberlain in «Dornenvögel». | © Keystone
21. September 2022 | 15:33
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