Felix Gmür, Tatjana Disteli, Helena Jeppesen-Spuhler, Renata Asal-Steger, Felix Terrier, Mentari Baumann
Schweiz

Frauen, Partizipation, LGBTQ: Bistum Basel will synodalen Prozess weiter vorantreiben

Bei einem Gesprächsabend des Bistums Basel in Aarau teilten einige Prag-Delegierte des synodalen Prozesses ihre Erfahrungen. Nach einem «Hype» folgte bei vielen die Ernüchterung. Auch gab es Kritik von der Basis an der Umsetzung des synodalen Prozesses im Bistum Basel.

Jacqueline Straub

«Ubi caritas» schallte durch die Kirche St. Peter und Paul in Aarau. In Fülle sangen Menschen aus dem Bistum Basel, Entscheidungsträgerinnen und -träger, Seelsorgende, kirchliche Engagierte und Interessierte. Die Veranstaltung des Bistums Basel folgten etliche Menschen – mehr als erwartet. Dabei sollte Raum gegeben werden, um die Erfahrungen des synodalen Prozesses in Prag zu teilen und gemeinsam zu schauen, was der synodale Prozess der Weltkirche für das Bistum Basel bedeutet.

Verantwortung im Bistum Basel klären

Bischof Felix Gmür hat in Prag erneut wahrgenommen, dass die Geschwindigkeit in der Kirche unterschiedlich ist: «Mehrere Menschen erzählten mir, dass das Zweite Vatikanische Konzil in manchen Ländern, die einst hinter dem Eisernen Vorhang waren, noch gar nicht angekommen ist.» Es wurde in Prag immer wieder von einem «spirituellen Prozess» gesprochen, «ohne zu sagen, was es bedeutet», sagt Bischof Felix Gmür. Gleichzeitig nannte er die Verantwortung, die oft vergessen gehe. «Bei synodalen Bewegungen hören alle zu, aber irgendwann muss jemand entscheiden und Verantwortung übernehmen. Das sollten wir in unserem Bistum klären.»

Felix Gmür, Tatjana Disteli, Helena Jeppesen-Spuhler
Felix Gmür, Tatjana Disteli, Helena Jeppesen-Spuhler

Tatjana Disteli, Generalsekretärin der Aargauer Landeskirche war als Delegierte mit Bischof Felix Gmür in Prag. Sie sprach von struktureller Schuld und notwendiger Umkehr. «Wie stehen wir nun da im öffentlichen Bild Kirchenferner?», fragte Tatjana Disteli. «Immer öfter werden wir reduziert auf: doppelmoralische Heuchler, Kinder­schänder und falsche Propheten. Das tut weh.» Die Erkenntnis dieser strukturellen Schuld sei wie ein Trauma auf kollek­tiver und individueller Ebene. Dennoch: Sie habe in Prag den «Willen zur Veränderung» bei allen Beteiligten gespürt.

Erfahrungen und Erkenntnisse aus Prag
Erfahrungen und Erkenntnisse aus Prag

Auch Helena Jeppesen von der Fastenaktion war Teil der Delegation in Prag. Für sie war es ein «Meilenstein auf dem einmaligen Reformweg». Sie kritisierte die «limitierte» Transparenz des synodalen Treffens in Prag. Es sei nicht ersichtlich gewesen, warum gewisse Gruppen eingeladen wurden und andere nicht. Sie habe es als schmerzlich empfunden, dass die grossen Frauenverbände nicht in Prag vertreten waren, «weil es angeblich relevantere Gruppen» gab. «Es gab eine Beeinflussung in eine gewisse Richtung.» Sie ist sich sicher, dass der synodale Prozess in der Kirche nicht mehr zu stoppen ist.

Zeit drängt

RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger war Teil der Online-Delegation, die aus Wislikofen AG nach Prag dazugeschaltet wurden. «Zutiefst geschmerzt» und «kaum zu ertragen», war der Gottesdienst, bei dem die Bischöfe in Messgewänder in der ersten Reihe sassen – die restlichen Delegierten weiter hinten. Zuhören war ein zentraler Aspekt bei der synodalen Versammlung in Prag. Doch aufs Zuhören «müssen endlich Taten folgen», sagt Renata Asal-Steger. «Die Zeit drängt. Sie rennt uns als katholische Kirche davon.» Sie schwanke zwischen Hoffnung und Zuversicht, aber auch Ernüchterung nach der Teilnahme am synodalen Prozess in Prag.

Renata Asal-Steger, Felix Terrier, Mentari Baumann
Renata Asal-Steger, Felix Terrier, Mentari Baumann

Auch der Pfarrer Felix Terrier war Teil der Online-Delegation. Er freute sich darüber, dass beim synodalen Prozess in Prag alle gehört wurden und es ein Sprechen auf Augenhöhe gab. Nach den Tagen in Wislikofen war er «auf einem Hype», er war ganz begeistert. Mit der Zeit folgte die Ernüchterung. Dass die Bischöfe ein Abschlusspapier verfassten, wertet Felix Terrier als sehr positiv.

Für Mentari Baumann, Geschäftsführerin von «Allianz Gleichwürdig Katholisch» war die Online-Teilnahme in Prag motivierend. «Es war nicht immer ganz einfach», gesteht sie ein. Obwohl das Thema LGBTQ oftmals gross wirke, war diese Gruppe in Prag untervertreten, sagt Mentari Baumann. Sie nahm daraufhin mit anderen queeren Katholiken und Katholikinnen Kontakt auf, um mehr von deren Lebensrealität zu erfahren.

Kaputte Kirche?

Nachdem die Prag-Delegierten zu Wort kamen, gab es Raum für die Gäste, sich auszutauschen. Auf Zettel wurden konkrete Themenfelder geschrieben und auf die Altarstufen gelegt: Etwa Schöpfung, Ökumene, Partizipation, regionale Lösungen und Jugend wurden genannt.

«Ich bin niedergeschlagen, die Kirche ist kaputt, wenn man das alles liest», sagte Bischof Felix Gmür, der in der Hocke die Zettel lass. «So schlimm ist es auch nicht.»

Dafür wurde er prompt von einer Teilnehmerin kritisiert. «Kommen unsere Rückmeldungen negativ an, weil sie es auf dem Kopf lesen müssen?» Sie verstehe nicht, warum die Äusserungen, dass etwa die Schöpfungspraxis mehr umgesetzt werden solle, als «negativ» bewertet werde. «Seit 60 Jahren diskutieren wir. Hier gibt es viele, die kämpfen schon lange.»

Rückmeldungen an das Bistum Basel
Rückmeldungen an das Bistum Basel

Eine andere Teilnehmerin fragte, ob Menschen mit Behinderung im Bistum Basel gesehen werden. Diese möchten gerne partizipieren – müssten aber bewusst eingeladen werden. Ob beim nächsten Treffen in Bern Menschen mit Behinderung dabei sein werden, konnte weder Bischof Felix Gmür noch der Pastoralverantwortliche Damian Kaeser-Casutt beantworten.

Helena Jeppesen forderte die Bischöfe auf, mutige Vorschläge zu machen und diese dem Papst zu präsentieren. Es brauche dezentrale Lösungen. «Es muss nicht alles gleichzeitig passieren.»

Schweiz kein «Probierraum»

Renata Asal-Steger wolle gerne partizipieren, «wenn ich ernstgenommen werde. Wenn ich nicht ernstgenommen werde, ziehe ich mich zurück.» Sie habe kein Verständnis mehr, dass Frauen von gewissen Ämtern ausgeschlossen werden. «Das ist für mich alles andere als glaubwürdig.» Dafür erhielt sie Applaus.

Was brauche es im Rom, damit verstanden werde, dass die Schweiz Gleichberechtigung will? Bischof Felix Gmür sagt, es brauche «Umkehr von uns. Die sehe ich nicht. Immer muss Rom machen». Er plädierte an dem Abend erneut dafür, dass Frauen «mindestens zu Diakoninnen» geweiht werden. Der «Probierraum» dafür sehe er aber nicht in der Schweiz. «Wir sind mini, wir sind fast niemand.» Frauen in Ämtern müsse in ganz Westeuropa eingeführt werden.


Felix Gmür, Tatjana Disteli, Helena Jeppesen-Spuhler, Renata Asal-Steger, Felix Terrier, Mentari Baumann | © Jeannette Häsler
20. April 2023 | 11:11
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