Die Stadt rast, dazwischen steht STILL
Konstruktiv

Festival «Stilles Zürich» will Stille in Öffentlichkeit bringen

Beim Festival «Stilles Zürich» geht es nicht darum, dass alles mucksmäuschenstill sein muss, sagt die Mediensprecherin Elke Lohmann. «Wir möchten mit unserem Festival Momente bewusster Stille in Zürich erschaffen. Der katholische Theologe Andreas Beerli wird drei Inputs halten.

Jacqueline Straub

Vom 29. Februar bis zum 3. März findet das Festival «Stilles Zürich» statt. Wie kam die Idee dazu?

Elke Lohmann*: Ursprünglich kommt die Idee eines Festivals zum Thema Stille aus Deutschland. Hier wurde diese Idee von Vertreterinnen und Vertretern der reformierten Kirche in Zürich aufgegriffen und im Rahmen einer Pilotwoche im Jahr 2017 erstmals umgesetzt. «Stilles Zürich» hat 2019 und 2022 bereits einmal stattgefunden.

Racines du Ciel
Racines du Ciel

Was wollen Sie mit dem Festival erreichen?

Lohmann: Wir möchten mit unserem Festival Momente bewusster Stille in Zürich erschaffen. Aus diesen Momenten des Innehaltens und Zur-Ruhe-Kommens sollen sich positive Impulse entfalten, sowohl für jeden Einzelnen als auch für das soziale Miteinander. Wir möchten mit niederschwelligen, grösstenteils kostenlosen Angeboten sowohl Menschen ansprechen, die sich bereits mit Stille beschäftigen, als auch solche, die das noch nicht tun. Es soll Raum geschaffen werden für das grenzenlose Entdecken, Erfahren und Geniessen von Stille.

«Denn es geht bei unseren Angeboten um mehr als die blosse Abwesenheit von Lärm.»

Sind Stille und Stadt nicht ein Widerspruch?

Lohmann: Ganz und gar nicht – und das möchten wir mit unserem Festival zeigen: es geht bei «Stilles Zürich» gar nicht darum, dass es immer mucksmäuschenstill sein muss. Musik, Gespräche und Handwerkliches haben ebenso ihren Platz im Programm, wie Bewegungs- und Begegnungs-Workshops. Denn es geht bei unseren Angeboten um mehr als die blosse Abwesenheit von Lärm: Es gut um die innere Stille, der wir uns in Achtsamkeit öffnen können. 

Was für konkrete Angebote wird es geben?

Lohmann: Jeweils am Abend finden grössere Veranstaltungen statt: die Festivaleröffnung «Stiller Funke» am Donnerstag, mit John Cages Stück «4’33’’», einer Jonglage-Tanzperformance und Texten zur Stille. Es gibt ein Podiumsgespräch zu «Angst und Glück der Stille» und eine Slam-Poetry-Show am Freitag. Am Samstag wird es ein Essen in Stille mit anschliessender Filmvorführung und Diskussion geben. An den Vor- und Nachmittagen laden eine grosse Auswahl an Workshops, Vorträgen, Spaziergängen und Kursen zu Begegnungen mit der Stille ein. Das Spektrum reicht von geführten Meditationen über Tanzimprovisation und Yoga bis hin zu Slow-Dating und Handauflegen.

Stille an der Bahnhofstrasse
Stille an der Bahnhofstrasse

Ein Programmpunkt heisst «Stille Trauer». Was hat dort alles Platz?

Lohmann: Dieser Vortrag widmet sich einer Lebenssituation, in welcher Stille nicht heilsam, sondern Ausdruck von Wortlosigkeit ist – dem Trauerfall: Viele Trauernde erleben durch ihren Verlust Stille im Aussen. Sie vermissen den verstorbenen Menschen und das Umfeld findet keine Worte. Doch im Inneren der Trauernden ist es laut, chaotisch und aufgewühlt. Die freie Theologin Barbara Schleuniger zeigt Methoden auf, wie die Klage über das erlittene Schicksal hör- und sichtbar gemacht werden kann. Gesprächseinstiege und Gesprächshilfen unterstützen dabei, das innere Getöse in Worte zu fassen. Spirituelle Praktiken haben in ihrer Arbeit ebenso Raum wie Methoden aus der Klang-, Gestalt- und Gesprächstherapie.

Werden die Kirchen auch Workshops anbieten?

Lohmann: Andreas Beerli, katholischer Theologe und Leiter der kirchlichen Stelle für Gemeindeberatung und Supervision, ist im Vorstand unseres Vereins und bietet im Rahmen des Festivals gleich drei Inputs an: Er ist an der Eröffnungszeremonie «Stiller Funke» involviert, gibt eine Einführung in die christliche Praxis der Kontemplation mit Gebetsgebärden, und leitet einen kurzen Spaziergang mit Hilfe der App «3:33 WEILER».

«Dadurch komme ich bei mir an.»

Was wird den Teilnehmenden bei der Veranstaltung «Stille in Religionstraditionen» vermittelt?

Lohmann: Bei diesem Workshop des Zürcher Forums der Religionen erforschen die Teilnehmenden in Kleingruppen die Bedeutung und Rolle der Stille in verschiedenen Religionstraditionen. Sowohl theoretisch als auch praktisch erkunden sie das Konzept der Stille aus buddhistischer, christlicher, hinduistischer, jüdischer und muslimischer Perspektive und erhalten so einen praxisnahen, niederschwelligen Zugang zu den reichen Stille-Traditionen im religiösen Kontext.

Warum ist Stille so wichtig?

Lohmann: Ich denke, das muss jede Person für sich selbst herausfinden. Für mich sind Momente der Stille jene Momente des Innehaltens und der Entschleunigung. Wenn ich still bin, höre ich besser, was innen passiert – meine Gedanken, meine Gefühle. Dadurch komme ich bei mir an. Ich höre aber auch besser, was um mich herum passiert – und werde so achtsamer im Umgang mit meinen Mitmenschen, und der Welt, die mich umgibt.

Tanz-Workshop in der Wasserkirche
Tanz-Workshop in der Wasserkirche

Und warum braucht es hierfür eigens ein Festival?

Lohmann: Mit einem Festival haben wir die Möglichkeit, das Thema Stille in die Öffentlichkeit zu bringen – viel mehr und präsenter als Stille-Anbietende, die dies mit ihren regelmässigen Angeboten tun. Wir vernetzen Akteurinnen und Organisationen, die in Zürich Erfahrungen bewusster Stille anbieten, bündeln ihre Kompetenzen und bieten ihnen eine Plattform. So ermöglichen wir Begegnungen zwischen Menschen aus verschiedenen Lebenswelten und Glaubensrichtungen.

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Lernen die Teilnehmenden auch Methoden, um im lärmigen Alltag besser still zu werden?

Lohmann: Ganz bestimmt! In Stille sitzend oder sanft bewegt, alleine oder im Austausch, geniessend, lauschend, tanzend oder diskutierend – unser Programm bietet so viele Techniken, wie es Facetten der Stille gibt.

*Elke Lohmann ist Medienbeauftragte des Festivals «Stilles Zürich». Das Interview wurde schrifltich geführt.


Die Stadt rast, dazwischen steht STILL | © Jürg Zimmermann
28. Februar 2024 | 06:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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