Dritter Advent: Es werden Tage sein
Sie konnte es nicht in sich bewahren –
wie auch?
Sie wollte keine Sklavin sein
und das Kind nicht in irgendeiner verschämten Ecke
ins Dunkel der Welt hinauspressen
Sie fragte nicht um Erlaubnis
Sie bat nicht, dass er mitgeht
Sie trug die prophetische Fracht hoch ins karge Land
Wer anders sollte sie verstehen denn sie
die selber das Unerhörte erwartete
Noch den Staub der Bergwinde im Haar
lobte sie die Grösse der Ewigen und die eigene
– von nun an preisen mich
Sie hatte wie ihr Volk nichts zu sagen
Sie durfte in der Synagoge nicht reden
Sie konnte nicht lesen, nicht schreiben und –
sie konnte nicht schweigen
und sang sich die Lungen frei zum Schrei
und den Hochmut zu Fall
der nach den Frauen griff
der den Stolz der Männer brach
Kein Bettelliedchen um Almosen –
ein Gesang, atemlos, von verwaisten Thronen
auf denen das alte Spiel nicht in neuer Besetzung weitergehen
sondern allein noch die Gerechtigkeit sitzen würde
Ein Gesang von machtlosen Herrschern
weil die Menschen ihre Angst verloren hatten
von Frauen, die das Land der Freiheit schauten
von Armgemachten mit Brot und Recht in Händen
von Verstummten, die zu Wort kamen –
ihretwegen hatte sie der Flügel gestreift
ihretwegen der Himmel sich in ihr eingenistet
Schon schlug sein Puls gegen die weichen Wände
Unaufhaltsam drängte das Rettende ans Licht
angewiesen auf ihren Leib
auf die Leiber und Liebe aller
die miteinander am Stern webten
Jacqueline Keune, Theologin und Autorin
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