Erzbischof Georg Gänswein
International

Erzbischof Gänswein: Bild vom Vatikan ist blühende Fantasie

Wenn vom Vatikan die Rede ist, «dann ist doch hauptsächlich von Klatsch und Skandälchen die Rede». Das sagt Erzbischof Georg Gänswein, langjähriger Privatsekretär von Papst Benedikt XVI.

Über die Berichte aus dem Vatikan erzählte Erzbischof Georg Gänswein im Interview des Vorarlberger «KirchenBlattes» weiter: Man könne über das Zentrum der katholischen Welt «sehr viele abenteuerliche Dinge lesen oder hören, die zwar einer blühenden Fantasie entspringen, nicht aber die Wirklichkeit darstellen».

Nach 27 Jahren in Rom antwortete er auf die Frage nach Veränderungen im Vatikan mit dem Hinweis auf Kontinuität: Vatikanmitarbeiter hätten in erster Linie dem Papst als dem Hirten der Universalkirche behilflich zu sein, damit er seinem Dienst als Nachfolger Petri bestmöglich nachkommen könne.

Mitarbeitende internationaler

Konkret geändert hat sich laut Gänswein in den letzten drei Jahrzehnten wenig, «allerdings ist bemerkenswert, dass die Mitarbeiterschaft internationaler und die Anzahl der Laien, Männer wie Frauen, gestiegen ist». Von grosser Bedeutung sei vor allem der Austausch zwischen den Bischöfen weltweit und dem Papst. «Es geht um den einen Glauben, aber es geht um unterschiedliche Aufgaben.»

Das Leben im Vatikan verglich der Erzbischof mit einem grossen Baum. Mitunter müsse «Hand angelegt» und das Geäst und Blattwerk beschnitten werden, «damit es nicht zum Wuchern kommt», so Gänswein. «Manch Dürres und Faules fällt von allein ab.»

«Kein Rezept» für mehr Berufungen

Um in Mitteleuropa wieder mehr geistliche Berufungen zu wecken, dafür wisse er kein Rezept. Das Jesuswort «Die Ernte ist gross, aber es gibt nur wenig Arbeiter» zeige: Offensichtlich gab es schon zu Zeiten des Neuen Testaments Not mit den Berufungen.

«Christus hat sich nicht einfach aus dem Staub gemacht.»

Erzbischof Georg Gänswein

Als «wegweisend und hilfreich» erachtet der Kurienerzbischof, wie er sagte, den biblischen Nachsatz: «Bittet den Herrn der Ernte, und er wird euch Arbeiter senden.» Es gelte, Gott mit Bitten um Berufungen zu bestürmen.

«Beten, beten und nochmals beten: Das ist die erste und wichtigste Antwort auf den Mangel an geistlichen Berufungen.» Wie lange die gegenwärtige Durststrecke andauert, sei ungewiss, wie Gänswein meinte. «Aber Christus hat sich nicht einfach aus dem Staub gemacht, auch wenn es manchmal so aussieht.»

Priesterbild nicht «verwässern»

Der Erzbischof warnte zugleich davor, das Priesterbild zu «verwässern». Ein junger Mann auf dem Weg zum Priestertum müsse wissen, worauf er sich einlässt. «Wir müssen den Mut aufbringen, voll und ganz zum Glauben der Kirche und zum Zölibat zu stehen», betonte Gänswein. Dieser sei «kein lästiges Hindernis, sondern ein Geschenk Christi».

Erzbischof Gänswein war auf Einladung des Benediktiners Bruder Fidelis Ellensohn nach Maria Bildstein (Vorarlberg) gekommen, um einen Jubiläumsgottesdienst zu feiern: Die vom Vorarlberger Ordensmann in Tirol und Vorarlberg aufgebaute Jugendbewegung für Berufungen in der Kirche, KIM (Kreis junger Missionare), feierte ihr 50-jähriges Bestehen. (kap)


Erzbischof Georg Gänswein | © Oliver Sittel
3. Juni 2022 | 09:57
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